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das auch wahr?«

      Er erhebt sich, tritt an das Fenster und sagt von dorther. »Warum soll ich Sie belügen, Milli Bothe. Ich habe nicht gegessen. Ich – ich –«

      »Schon gut«, erwidert sie und verschwindet. Ratlos geht er in dem Raum hin und her. Milli Bothe kehrt zurück und tafelt ihm auf.

      Seine Züge sind gequält. Beide Hände stützt er auf den Sessel und sieht zu, wie sie ihm eine Mahlzeit hinzaubert.

      »Warum tun Sie das für mich?« fragt er. Seine Stimme klingt rauh und tonlos.

      »Weil der Mensch essen muß«, antwortet sie kurz und ärgerlich. »Mir können Sie nichts vormachen, Ulrich Karsten. Und mir gegenüber können Sie Ihren verdammten Stolz auch ruhig sein lassen. Ich vermag in Ihrem Gesicht wie in einem Buch zu lesen. Darin steht nichts als Enttäuschung. Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich einige Tage Ruhe gönnen? Jetzt sind Sie empfindlich. Jedes Wort nehmen Sie unter die Lupe, Sie sind mißtrauisch und geneigt, alles schwärzer zu sehen, als es ist. Gehen Sie unter Menschen. Gehen Sie spazieren. Freuen Sie sich am schönen Wetter. Aber grübeln Sie nicht so viel. Das ist die letzte Mahlzeit, die ich Ihnen hier serviere. Heute abend nehmen Sie an der gemeinsamen Tafel teil. So – und nun guten Appetit.«

      Sie lehnt das Tablett gegen das Tischbein und verläßt das Zimmer, ehe Karsten noch eine Antwort findet.

      Zögernd zuerst, aber dann überkommt ihn das Verlangen und er greift herzhaft zu. Müde läßt er sich auf sein Bett fallen und ist bald fest eingeschlafen.

      Auf Zehenspitzen geht Milli Bothe umher, räumt ab und legt seine Kleidungsstücke zurecht.

      Schlaf nur, armer Kerl – denkt sie und tut dann weiter ihre Pflicht.

      *

      »Sag’ mal, Kind, willst du nicht ehrlich zu mir sein? Was soll eigentlich dieses merkwürdige Theater?« Charly Harris, Eva-Marias Onkel, der Bruder ihres verstorbenen Vaters, betrachtet mit verhaltener Zärtlichkeit das schöne, Hilflosigkeit verratende Antlitz seiner Nichte, an der er Vater- und Mutterstelle vertreten hat. Als John damals Maria Wagner heiratete – es war eine große Liebe, an der die ganze Familie Anteil nahm – war er, Charly, selbst mit seinem ganzen Herzen beteiligt. Natürlich hat er es stets zu verbergen verstanden. Aber er war dem jungen Paar Freund und Vater zugleich. Und er blieb Junggeselle, denn er liebte Eva-Marias Mutter mit einer tiefen, schmerzlichen und entsagungsvollen Liebe. Diese Liebe übertrug er später auf ihr Kind. Er verwaltete ihr nicht unbeträchtliches Vermögen und sah sehr darauf, daß es sich vermehrte. Er ließ ihr die sorgfältigste Erziehung angedeihen. Und einen Teil ihrer Jugend verbrachte sie auf dem Landsitz ihres Onkels in England.

      Aber trotz aller Liebe und Fürsorge war Eva-Maria deutsch geblieben. England war für sie nur ein Gastland, das sie achtete, aber wo sie nie recht Wurzeln fassen konnte.

      Charly hatte die Nichte damals, als sie nach Selbständigkeit drängte, ungern ziehen lassen. Er hatte ihr alle Wege geebnet und mit seinem Wissen, seinem Kunstverstand geholfen, das Geschäft zu gründen und zur Blüte zu bringen.

      Eva-Maria war von jeher ein tätiger Mensch gewesen, obgleich Charly Harris es viel lieber gesehen hätte, sie wäre bei ihm auf seinem Landsitz geblieben, wäre täglich mit ihm ausgeritten, hätte sich um die Pferde gekümmert, die er züchtete und wäre weiterhin Mittelpunkt der Gesellschaft geblieben, wie sie es von Anbeginn ihrer Einführung in dieselbe geworden war.

      Aber Eva-Maria haßte dieses oberflächliche Leben, und sie verstand es, ihrem geliebten Onkel Charly in überzeugender Weise klarzumachen, daß sie in diesen Verhältnissen nicht glücklich sein könne.

      Was war ihm übriggeblieben, als nachzugeben. So hatte er sein wohlgeordnetes Leben vorübergehend aufgegeben und war mit seiner Nichte nach Deutschland gefahren. Überall spürte sie seine fürsorgliche Hand. In allem ebnete er ihr den Weg, und dann setzte er sie in das wunderschöne Geschäft mit der anschließenden reizenden Wohnung. Eva-Maria war überglücklich und strömte über vor Dankbarkeit.

      Und bei dem Umbau hatte ihr Ulrich Karsten zur Seite gestanden und hatte sich rettungslos in sie verliebt. Aber das, glaubte sie, sei einzig und allein ihr Geheimnis.

      Charly war zurück nach England gereist, hatte sich von allem zurückgezogen und nur der Pferdezucht gewidmet. Die Briefe Eva-Marias waren Lichtblicke in seinem einsam gewordenen Leben.

      Und als die Sehnsucht zu groß nach dem wunderschönen Geschöpf wurde, das so sehr der einst heimlich Geliebten glich, da setzte er sich in die Bahn, aufs Schiff und dann ins Flugzeug und mußte zu seinem grenzenlosen Erstaunen feststellen, daß die Nichte in die Pension Bothe gezogen war. Nun saß er vor ihr und schüttelte immer wieder den Kopf, weil er es einfach nicht fassen konnte.

      »Du mußt doch einen Grund haben, Eva-Maria«, bohrte er weiter. »Es tut mir leid, Kind, daß ich dich mit diesen Fragen quäle, ich sehe es dir an, aber das muß dir dein alter Onkel Charly wohl wert sein, daß du ehrlich zu ihm bist.«

      Im Nu sitzt sie auf seinem Schoß, kuschelt sich an seine Schulter und lehnt den Kopf gegen seine Wange.

      »Es hat seinen Grund, Onkel Charly – aber, es fällt mir so sehr schwer, darüber zu sprechen. Vielleicht lachst du mich aus?«

      Entsetzt sieht er ihr in die verstörten Augen. »Habe ich dich jemals nicht ernst genommen, Kind?«

      »Lieber Onkel Charly«, sie klammert sich an seinen Hals, und er spürt, daß sie weint. Sanft streichelt er mit der Linken über ihren Arm

      »Laß es sein, Kind«, spricht er gütig. »Wenn du deine Gründe hast, will ich dich nicht drängen. Aber versprich mir etwas.«

      »Ja, Onkel Charly«, flüstert sie.

      »Was es auch sein mag, Eva-Maria. Kommst du nicht weiter, dann denke an mich, hörst du, Kind? Ich bin schließlich dazu da, um dir zu helfen.«

      »Denkst du an – Geld?«

      Da lacht er leise auf. Es ist das alte warmherzige vertrauenerweckende La­chen. »Ach du Dummerchen. Das weiß ich längst, daß es sich um Dinge handelt, die man mit Geld nicht aus der Welt schaffen kann.« Er klopft ihr begütigend auf die Schulter, wie er es so oft tröstend getan hat, wenn sie mit ihren kleinen Kindersorgen zu ihm kam. »Nun laß gut sein. Wollen nicht mehr davon reden, Kind. Morgen früh fliege ich wieder zurück. Heute machen wir uns noch einen schönen Tag. Wo wollen wir essen?«

      Eva-Maria küßt ihn voll stürmischer Zärtlichkeit. »Ach, Onkel Charly, du bist doch der Beste. Ich hab’ dich schrecklich lieb. Und wenn es dir recht ist, werden wir hier an der Abendtafel teilnehmen.«

      »Mir ist alles recht, was dir Freude macht.« Noch eine stürmische Umarmung, und sie gleitet von seinen Knien herab.

      Während sie ins Nebenzimmer zum Umziehen verschwindet, unterhält sie sich weiter mit ihm durch die halboffene Tür.

      »Sag’ mal, Eva-Maria«, beginnt er ein Thema, das sie leicht erzittern läßt. »Du schriebst mir neulich von einem Prozeß und daß du unter den Geschworenen gewesen bist. Allerhand Ehre für ein solches Küken wie du –«

      »Für dich werde ich wohl noch ein Küken sein, wenn ich schon achtzig Jahre alt bin«, fällt sie lachend in die Rede.

      »Dieser Ulrich Karsten, Kind, war das nicht der Architekt, der dein Geschäft umgebaut hat?«

      »Daß du das noch weißt?«

      »Ich würde ihn sogar wiedererkennen. Also er ist es?« Sekundenlange Pause und dann spricht er weiter. »Warum er wohl den Mann erschossen haben mag? Eigentlich schade um diesen Karsten. Ich mochte ihn gut leiden. Er hatte sehr gute Manieren und soviel ich mich erinnern kann, war er ein Mann von Charakter –«

      »Wen meinst du eigentlich –?«

      »Nun, diesen Ulrich Karsten«, kommt es beinahe beleidigt zurück. »Der Erschossene scheint nicht sehr viel getaugt zu haben. Traurig, daß immer die wertvollsten Menschen in so ernste Konflikte gerissen werden. Um den anderen war es nicht schade.«

      Eva-Marias

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