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betrachtete eine Weile stumm das bildhübsche Mädchen. Beinahe hätte er gelächelt. Was würde seine Mutter sagen, wenn er so viel Schönheit ins Haus nahm?

      Er antwortete jedoch geschäftsmäßig und kühl:

      »Es handelt sich um ein fünfjähriges Mädchen, das Sie beaufsichtigen, pflegen und erziehen sollen. Haben Sie Zeugnisse?«

      Glühende Röte jagte in Reginas Stirn.

      »Nein. Es ist meine erste Stellung, um die ich mich bemühe«, antwortete sie wahrheitsgetreu. Daß sie wohlhabend genug war und nicht aufs Geldverdienen angewiesen, verschwieg sie. Ja, sie schämte sich vor den klaren Augen des Mannes, daß sie bisher tatenlos durch die Tage gebummelt war.

      Immer größer wurde der Wunsch in ihr, er möge sich doch für sie entscheiden.

      »Das Kind ist sehr liebebedürftig«, begann Nikolaus wieder. Er fand, daß das junge Mädchen sehr apart aussah. Am meisten fesselten ihn die dunklen, schwermütigen Augen.

      »Gehalt?«

      Ratlos hob Regina die Schultern.

      »Das überlasse ich Ihnen.«

      »Und wann können Sie Ihre Stellung antreten?« erkundigte er sich weiter.

      »Sofort.«

      Er mußte lächeln über ihren Eifer.

      »Lieb wäre mir das schon. Wenn Sie mit den Bedingungen einverstanden sind, die ich Ihnen schriftlich geben werde, dann steht Ihrem Antritt nichts im Wege.«

      Erfreut erhob sich Regina.

      »Ich danke Ihnen. Ich werde mir viel Mühe geben, um Ihr Vertrauen zu gewinnen.«

      Er winkte leicht ab.

      »Nicht mein Vertrauen sollen Sie gewinnen, sondern die Zuneigung des Kindes.«

      »Gewiß, Herr Eckhardt.«

      Zaghaft legte sie ihre Rechte in Nikolaus’ Hand. Er begleitete sie zur Tür und schloß sie mit einem leichten Aufatmen.

      Danach begab er sich zu seiner Mutter. Ruhig sagte er:

      »Morgen trifft Petra Eckhardt hier ein. Ich bitte dich, ihr so freundlich entgegenzukommen, wie es der Erbin der Eckhardtschen Werke zukommt.«

      Über die hohe, hagere Gestalt lief ein Beben. Kraftlos sank sie nahe bei der Tür auf einen Sessel.

      »Unmöglich!« preßte sie hervor. Sie hatte keinen Tropfen Blut mehr im Gesicht, war fassungslos und nur dieses einen Wortes mächtig.

      »Unmöglich!«

      Inniges Mitleid mit der Mutter erfaßte ihn, die ihr Herz gewaltsam verhärtete und von Liebe und Verständnis ausschloß.

      »Mutter«, bat er innig. »Sei doch nicht so unversöhnlich. Petra Eckhardt ist eine gebildete, bescheidene Frau. Du wirst sehr gut mit ihr auskommen. Überdies haben wir genügend Platz im Haus, so daß ihr euch nicht gegenseitig zur Last fallen werdet.«

      »Niemals!« Wie ein Keuchen hörte es sich an. »Ich nehme diese Frau nicht in mein Haus! Es ist mein Haus, und darin habe ich zu bestimmen. Keiner kann mich zwingen…«

      Ihre Stimme schwoll an, sie überschlug sich und brach mit einem schrillen Ton.

      »Mutter, schrei doch nicht so! Müssen denn die Angestellten wissen, wie sehr du Petra haßt?«

      »Ja, ich hasse sie!« Mit zusammengekniffenen Augen stieß sie es heraus. »Ich betrachte diese Frau als Eindringling, dem es nur um das Geld deines Vaters geht.«

      »Unsinn, Mutter!«

      »Sei still!« Schwerfällig stand sie auf, erregt, mit roten Flecken im gelblichen Gesicht. »Willkommen heißen soll ich sie auch noch? Niemals! Damit du es weißt, ich verreise. Morgen bin ich außer Haus. Ich mag nicht die gleiche Luft mit der Frau atmen, die mir erst den Sohn stahl und nun auch noch mein Geld.«

      »Du vergißt«, sagte Nikolaus traurig, »daß du es warst, die Jost aus dem Haus trieb. Heute möchtest du es mit seiner Frau ebenso machen. Heute steht das Recht aber auf Petras Seite.«

      »Und du vergißt, daß die Frau nicht würdig ist. Genug!«

      Mit einer herrischen Handbewegung schnitt sie einen weiteren Versöhnungsversuch ihres Sohnes kalt ab.

      Ganz nahe trat sie an ihn heran. Ihr Atem ging kurz und erregt. »Ich bin die Herrin dieses Hauses, und du verlangst von mir, daß ich der Frau die Stellung im Hause festige? Das hieße, mich selbst von der Schwelle meines Heimes jagen.«

      »Nein, Mutter.« Ungeduld, Schmerz und Traurigkeit klangen in seinen Worten. »Petra Eckhardt ist ein armer, bedauernswerter Mensch, der schwer an dem Verlust des Liebsten trägt. Sie sucht keine äußeren Werte bei uns, sie sucht nach einer verständnisvollen Seele –«

      »Gefühlsduseleien!« unterbrach sie ihn kalt. »Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis, auch keine Veranlassung zur liebevollen Großmutter oder gar zur reuigen Schwiegermutter. Ich werde bis zum äußersten um meine Stellung im Hause kämpfen. Das ist mein letztes Wort.«

      Sie raffte ihre Kleider zusammen und rauschte an ihm vorbei.

      Die starre Seide ihres Kleides knisterte.

      Nikolaus fror, bis ins Herz hinein fror er. Eine Weile lehnte er am Tisch und kämpfte Bitterkeit und Schmerz in sich nieder.

      Petra!

      In Gedanken sprach er diesen Namen. Sie und das Kind – um sie beide drehte sich nur noch sein Denken.

      *

      »Morgen, Muttchen!«

      Lachend umfing der große blonde Mann die zierliche Gestalt der Mutter, die sinnend am Kaffeetisch gestanden hatte und nun mit einem kleinen Schrei herumfuhr.

      »Gott, Junge, hast du eine Art«, sagte sie vorwurfsvoll, ein Lächeln verbeißend. Immer, wenn sie sich zur Strenge zwingen wollte und nur einen Blick in die lachenden, strahlenden Augen des Sohnes warf, war sie entwaffnet.

      »Schon fertig?« Sie rückte ihm einen Sessel zurecht, aber der Rechtsanwalt Dr. Helmuth Wendler umfaßte die Mutter, drückte sie sanft in einen der Korbsessel und nahm dann selbst Platz.

      »Jawohl, teures Mutterherz, schon fertig. Immer bin ich der Meinung, du wirst mit meinen Klienten nicht fertig. Es sitzt doch sicher das ganze Sprechzimmer voll!«

      »Nicht einmal eine Maus verläuft sich dorthin«, erwiderte sie nicht ohne Wehmut. »Daß du da noch lachen kannst, Junge.«

      Um Dr. Wendlers Mund zuckte es spöttisch.

      »Warum nicht, Muttchen?«

      Über den Kopf der Mutter hinweg glitt sein Blick durch das geöffnete Fenster. »Leide ich Not? Die beste aller Mütter nenne ich mein, ich habe ein Dach über dem Kopf und strecke meine langen Beine immer unter einen reichlich gedeckten Tisch. Draußen lacht die Sonne geradezu unerhört freundlich auf meine Rosenpracht, und die Vögel zwitschern, als wollten sie sich allesamt lustig machen über den fleißigen Rechtsanwalt, der weiter nichts zu tun hat, als auf Kundschaft zu warten.«

      Lisa Wendler spürte die Ironie in seinen Worten, und sie tat ihr weh. Wenn er ihr auch stets ein lachendes Gesicht zeigte, sie wußte genau, wie es in ihm aussah. Mit Humor und Spott versuchte er, über die Enttäuschung hinwegzukommen, die er täglich erleben mußte, seit er sich hier als Rechtsanwalt niedergelassen hatte.

      »Viel zu abgelegen wohnen wir hier, Helmuth«, bemerkte sie traurig. »Du müßtest ein Büro in der Stadt haben. Wer soll sich wohl noch hierher verlaufen?«

      »Geduld muß man haben«, antwortete er ruhig. »Ich kann doch nicht verlangen, daß man mir, dem unbekannten Rechtsanwalt, das Haus einläuft.«

      »Aber der Anfang müßte gemacht werden«, beharrte sie. Dann besann sie sich, erhob sich und eilte zum Schreibtisch. »Übrigens Post ist für dich gekommen.«

      »Aha

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