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und links zu blicken, stieg sie ein, setzte sich in die Ecke des Wagens und starrte vor sich hin.

      »Fahren Sie zum Friedhof«, gebot sie mit rauher Stimme.

      Der Wagen rollte davon und schlängelte sich geschickt durch den Verkehr.

      Leontine hatte keinen Blick übrig für das, was draußen vorging.

      Gedanken hetzten wild hinter ihrer Stirn. Ihr Atem ging fliegend, und die Hände waren in ständiger Bewegung.

      Betrogen!

      Alle hatten sie betrogen!

      Vor dem Eingang zum Friedhof hielt der Wagen. Während der Chauffeur, eine Zigarette rauchend, am Schlag lehnte, ging Leontine in gebeugter Haltung die verschlungenen Wege entlang. Sie spürte den tiefen Frieden nicht, der sie umgab. Wie in einem Vulkan brodelte und gärte es in ihr.

      Sie glaubte, an der Empörung ersticken zu müssen.

      Wie bekam sie Verbindung mit Helmuth Wendler, dem jungen Rechtsanwalt, der es doch nur durch die Güte ihres Mannes geworden war?

      Aus tiefen Gedanken fuhr Dr. Wendler empor.

      Bestürzt blickte er auf die Frau, die, in tiefes Schwarz gekleidet, vor ihm aufgetaucht war.

      Auch Leontine Eckhardt blieb betroffen stehen.

      Ein Fremder am Grab ihres Mannes?

      Dr. Wendler verneigte sich. Sicher war es die Witwe seines Wohltäters, der er so unverhofft gegenüberstand.

      Sein Herz war von Dankbarkeit erfüllt. Am liebsten hätte er die Hand der Frau ergriffen und sie an seine Lippen geführt.

      Das wortlose Anstarren der Frau wurde ihm unangenehm. Vielleicht erwartete sie irgendeine Erklärung von ihm für seinen Aufenthalt am Grab ihres Mannes?

      Einem Impuls folgend sagte er:

      »Verzeihen Sie mein Eindringen in Ihre Trauer. Nur eine kurze Andacht habe ich hier gehalten. Ich schulde dem Verstorbenen großen Dank.«

      Ein Laut, wie ein Stöhnen, drang an sein Ohr und ließ ihn augenblicklich verstummen.

      »Sie, Sie schulden meinem Mann Dank? Wer sind Sie?«

      Befremdet von dem harten Ton, in dem die Frau zu ihm sprach und der seine jubelnde Freude dämpfte, verneigte er sich leicht.

      »Gestatten Sie – Helmuth Wendler, Rechtsanwalt.«

      Er sah, wie die Frau schwankte. Schnell sprang er hinzu und geleitete sie zu einer Bank.

      Dort sank Leontine nieder, unfähig zu sprechen.

      Stumm saß Dr. Wendler neben ihr, hielt die Lehne umspannt und schaute auf das tiefgesenkte Haupt der Frau hinab.

      »Gnädige Frau – darf ich auch Ihnen meinen tiefempfundenen Dank aussprechen?« flüsterte er, als wolle er den tiefen Frieden nicht stören.

      Die Frau gebot ihm mit einer angedeuteten Bewegung Schweigen. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper. Steif aufgerichtet sah sie zu ihm empor. Er fühlte ihre Augen so haßerfüllt auf sich ruhen, daß ihm das Blut zum Herzen schoß.

      Mein Gott! Haßte die Frau ihn? Weshalb?

      Unmöglich, er mußte sich getäuscht haben.

      Rechtsanwalt! Rechtsanwalt! Das Wort kreiste in Leontines Hirn, bohrte sich wie mit spitzen Krallen ein.

      Wenn sie nun schwieg? Wenn sie nun die Rolle der wohltätigen Frau weiterspielte und damit ein williges Werkzeug für ihre Pläne bekam?

      So saßen sie nebeneinander. Leontine mußte ein Auflachen unterdrücken. Wer hätte vor einer halben Stunde noch gedacht, daß sie mit Helmuth Wendler auf der Bank vor dem Grab ihres Mannes sitzen würde?

      »Sie waren viel mit meinem Mann zusammen?« fragte Leontine Eckhardt und sah dabei über das Grab hinweg.

      »Ich habe Ihren Gatten nie gesehen«, erwiderte er leise, fast feierlich.

      »Nie gesehen?« wiederholte sie ungläubig und kräuselte die Lippen.

      Sekundenlang sah sie von der Seite her in sein offenes, sonnengebräuntes Gesicht, dann wandte sie wieder den Blick ab, der sich in der Ferne verlor.

      Nein, er log nicht. Sie suchte auch vergeblich nach einer Ähnlichkeit.

      »Aber Ihre Mutter hat mit meinem Mann in Verbindung gestanden«, bohrte sie weiter.

      Bestürzt gestand Helmuth:

      »Meine Mutter… das glaube ich nicht – «

      Er brach ab, sah im Geist die verstörte Mutter vor sich und wußte, daß er eine Unwahrheit gesagt hatte.

      Ihm war zumute, als sei er aus strahlendem Licht plötzlich in die Finsternis gestoßen worden. Alle Freude war wie fortgewischt. Fragen bedrängten ihn, und Zweifel stiegen in ihm auf.

      Er ist wirklich ahnungslos, dachte Leontine Eckhardt. Um so besser für meine Pläne.

      Sie schöpfte tief Atem und erklärte:

      »Sie sagten, daß Sie auch mir zu großem Dank verpflichtet seien. Wenn ich Sie nun bitte, mir diese Dankbarkeit zu beweisen?«

      »Aber, gnädige Frau, das bedarf doch keiner Bitte«, preßte er erfreut hervor, voll Mitleid in das zuckende Gesicht ihm gegenüber blickend. »Womit kann ich Ihnen dienen?«

      »Nicht hier«, flüsterte die Frau wie erstickt. »Bitte, geben Sie mir Ihre Adresse. Ich werde zu Ihnen kommen.«

      Dr. Wendler zog seine Karte und überreichte sie ihr.

      Ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, steckte Leontine die Karte zu sich. Dann reichte sie Dr. Wendler die Hand und ging langsam davon.

      Helmuth sah hinter ihr her, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden war.

      Wie aus einem Traum erwachend, fuhr er sich über die Stirn. Fragen über Fragen bestürmten ihn.

      Raschen Schrittes eilte er dann ebenfalls davon, nahm das erste Taxi, das ihm begegnete, und ließ sich zur Wohnung seiner Mutter fahren.

      Lisa Wendler stand am Fenster, als das Taxi vorfuhr.

      Als sie ihren Sohn aussteigen sah, zuckte sie zurück.

      Die Hand auf das Herz gepreßt, erwartete sie ihn.

      Sie hörte ihn heranstürmen, hörte, wie die Tür ungestüm aufgerissen wurde, und sah ihn mit leuchtenden Augen im Türrahmen stehen.

      »Mutter!«

      Achtlos warf er den Hut auf das Sofa und war mit einem Satz neben ihr, umfing sie und schwenkte sie mit einer raschen Bewegung im Kreis herum.

      »Aber Helmuth! Was ist nur los?«

      Ganz unglücklich sah sie aus. Aber Helmuth lachte sein sorgloses, fröhliches Jungenlachen. Dann stellte er sie behutsam wie eine Kostbarkeit wieder auf die Beine.

      »Ach, Muttchen, ich bin ja so glücklich, so sehr glücklich.«

      Lisa mußte sich rasch niedersetzen, ein Gefühl der Schwäche in den Knien zwang sie dazu.

      »Was ist – nur – geschehen?« entrang es sich ihr.

      »Paß auf, Muttchen.« Er zog sich einen Stuhl heran und ließ sich nieder. »Also, wir ziehen um!«

      »Wir ziehen um?« fragte sie. Sie hatte den Kopf etwas zur Seite geneigt und blickte ihn ungläubig an. »Willst du mir nicht erklären, wieso…?«

      »Wir sind reich, Muttchen!« platzte er heraus. »Wir haben geerbt – ungeheures Geld, sage ich dir!«

      Unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen, saß Lisa vor ihrem Sohn. So viel rührende Hilflosigkeit drückte ihre Haltung aus, daß Helmuth aufsprang und sie vor übermächtiger Freude umhalste.

      »Mutter – begreifst du denn nicht?«

      Mit

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