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in seinen Armen zusammenzuckte. Jäh war ihr das Bewußtsein zuruckgekehrt, was er ihretwegen aufgeben wollte.

      Sie reckte sich etwas auf den Zehenspitzen und umschloß sein schmal gewordenes Gesicht mit ihren schlanken, weichen Händen.

      »Ich will dir nur sagen, daß ich dich liebe, Peter, unendlich liebe und an deine Liebe wieder glaube wie ehedem. Mehr kann ich dir im Augenblick nicht sagen – auch keine Hoffnung auf das Spätere kann ich dir machen, weil ich erst wissen muß, wie sich das Schicksal meiner Mutter gestalten wird.«

      Behutsam strich sie über seine Wangen.

      »Genügt dir das, Peter?« fragte sie bang, »willst du geduldig neben mir ausharren, ganz gleich, wie alles endet?«

      »Angela!«

      Wie ein Kind nahm er sie in den Ann, und willig schmiege sie sich hinein. Sein Kuß war ein stummes Versprechen, sein Kuß, der alle Qual und Gewissensbisse mit fortnahm und unter dem ihr Mund erbebte.

      Niemals hätte sie diese Liebe aus ihrem Herzen reißen können, dachte sie erschauernd, niemals hätte sie aber auch den Mut gefunden, zu ihm zu gehen, wenn nicht Frau Elke gewesen wäre.

      »Angela!« sagte er ergriffen, während er ihren Kopf zurückbog. »Nun glaube ich auch daran, daß alles viel besser wird, als wir anfangs zu hoffen wagten. Nun ich weiß, daß du mich unverändert liebst, daß du mir verzeihst, werde ich wieder ein ruhiger Mensch.«

      Blitzschnell tauchte ein Brief vor ihm auf, der alle Brücken hinter ihm abbrach. Vielleicht gerade jetzt hielt der Professor ihn in seiner Hand!

      »Was hast du, Peter?« forschte Angela mit furchtsamen Augen. Hatte er sie mißverstanden? Dachte er an seinen Plan?

      »Nichts!« wehrte er verlegen ab.

      Da vergaß Angela, daß sie eigentlich über den Anstoß zu ihrem Kommen hatte schweigen wollen. Nichts als die Sorge um seine Zukunft trieb sie zu ihrem Geständnis.

      »Doch, Peter, du verbirgst mir etwas. Bin ich etwa zu spät gekommen? Hast du schon alles hinter dich geworfen, was dein Leben bis zur Stunde restlos ausfüllte?«

      Er schwieg, sah an den weit aufgerissenen Augen vorbei.

      »Peter!« schrie sie verzweifelt auf. »Du mußt mir versprechen hierzubleiben. Ich brauche dich doch noch, Peter, und dann denke daran, was kannst du deinem Vaterland nützen, wie sehr kannst du ihm dienen, wenn du dein Können in den Dienst der Wissenschaft stellst!«

      Kraftlos sanken ihre Arme zur Seite, als das Telefon rasselte. Mit der Linken hielt er ihre Schulter umschlungen, mit der Rechten nahm er den Hörer und meldete sich.

      Professor Langhammers Baß dröhnte ihm entgegen. Es war der alte grobe Ton, der Heykens wie ein Blitz durch die Glieder fuhr.

      »Mensch, Heykens, sind Sie verrückt geworden? Meinen Sie, ich ließe mir von Ihnen die Tour vermasseln? Pfui Teufel, Heykens, fahnenflüchtig werden? Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen? Und das neue Heilverfahren? Wollen Sie das zuerst an den Schwarzen versuchen? Das hätte ich früher wissen müssen, ich wäre mit einem heillosen Donnerwetter dazwischengefahren. Ich werde Sie mit einem Vertrag an mich und das Sanatorium fesseln, an den Sie ewig denken sollen…«

      Dr. Heykens sah mit ernsten und doch leuchtenden Augen auf Angela herab, als er den Chef rasch unterbrach.

      »Ein Vertrag ist nicht mehr nötig, Herr Professor, ich bin mit meinem ganzen Herzen an die Heimat gefesselt – für ewig und alle Zeiten.«

      »Was soll denn das nur wieder?« brummte der Professor etwas bestürzt zurück.

      »Morgen früh werde ich Ihnen alles erklären, Herr Professor«, erwiderte Peter zuversichtlich, und etwas in seiner Stimme ließ den Professor aufhorchen.

      »Sie verstehen es großartig, die Mitwelt in Atem zu halten«, grollte Langhammer gutmütig. »Gnade Ihnen Gott, wenn Sie mich fünf Minuten länger als nötig warten lassen und wenn die Vorschläge nichts taugen, die sie mir unterbreiten wollen!«

      Ein Knacken in der Leitung zeigte das Ende des Gespräches an.

      Angela hatte alles verstanden.

      »Gottlob«, hauchte sie.

      Bettina verfiel von Tag zu Tag mehr. Sie glich nur noch einem Schatten ihrer selbst. Sie wollte aber nicht vor sich selbst eingestehen, daß es die Sehnsucht nach Angela war, die ihre Kräfte aufzehrte.

      Schon ein paarmal hatte sie den Arzt wieder fortgeschickt und behauptet, ihr fehle nichts. Sie wußte genau, gegen diese Krankheit gab es kein Mittel und keinen Arzt, der helfen konnte.

      Der Tag der Verhandlung rückte näher und Bettina gewann bei dem Gedanken, bald würde sie Angela wiedersehen, ihre Ruhe zurück.

      Sie sah diesem Ereignis mit wenig Hoffnung entgegen, weil sie ja für sich nichts erbat.

      Nur dem Wiedersehen mit ihrem Kind fieberte sie entgegen. Dr. Hagedorn hatte ihr versprochen, vor der Verhandlung ein Alleinsein mit Angela zu ermöglichen.

      Diesen Bescheid erwartete sie, und da mußte er ihr die schwere Enttäuschung bereiten, daß dies nicht angängig sei, da Angela als Zeugin geladen war.

      Äußerlich ruhig und gefaßt nahm Bettina diese Mitteilung entgegen, innerlich jedoch brach etwas in ihr zusammen.

      Nun kam die Reue. Sie war fast am Ende ihrer Kraft, so völlig aufgebraucht, daß sie meinte, ein Wiedersehen mit ihrem Kind in aller Öffentlichkeit nicht ertragen zu können.

      Wenn sie nun vorzeitig zusammenbrach? Wenn sie nun versagte, noch ehe sie ihre Lebensbeichte abgelegt hatte?

      Verzweifelt rang sie die Hände, und immer wieder betete sie:

      »Herrgott, gib mir Kraft – gib mir Kraft!«

      Angela verbrachte die letzten Tage vor dem Verhandlungstag in nicht minder fieberhafter Erregung! Einesteils erfüllte sie Freude über das Wiedersehen mit der Mutter, von der sie bisher kaum einen Tag getrennt gewesen war und die sie nun schon seit Wochen nicht hatte sehen dürfen.

      Auf der andern Seite fürchtete sie sich unsagbar vor diesem Tag, nicht ihretwegen, aber der Mutter wegen. Die Frau, die von jeher vermieden hatte, aus ihrer Zurückhaltung zu treten, sie war auf einmal Mittelpunkt einer Verhandlung geworden. Ihr Leid war in alle Öffentlichkeit gerückt.

      In diesen Stunden, in denen sie meinte, verzweifeln zu müssen, erwies sich Peter als der treue, rücksichtsvolle Mensch, dem sie ihr junges, in banger Erwartung zitterndes Herz rückhaltlos entgegenbrachte.

      Jede freie Minute widmete er Angela, die er jetzt mehr denn je als seine Braut betrachtete. Und wenn er Jahre auf sie warten mußte bis zur endgültigen Verbindung! Was waren ein paar Jahre in einem Menschenleben? Er hätte seiner Liebe weitaus größere Opfer gebracht, als alle Sehnsüchte und heißen Wünsche zu unterdrücken.

      Abermals beschäftigten sich die Zeitungen mit dem Fall Bettina Martens, der im großen Schwurgerichtssal des Landgerichts zur Verhandlung kam.

      Peter Heykens setzte alles daran, diese Berichte vor Angela zu verbergen, aber sie bat unter heißen Tränen darum, und da konnte er sie ihr nicht länger vorenthalten.

      Nur diejenigen, die immer um Angela waren, wußten, was in dem jungen Menschenkind vorging.

      Angela hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit der einst so glückstrahlenden, blühenden Braut. Und doch nahm ihre Erscheinung sofort gefangen. Das braunglänzende Haar umschmeichelte ein überzartes Gesicht, in dem die Augen brannten. Unbeschreiblicher Liebreiz umgab Angela, dem sich keiner entziehen konnte.

      Dr. Heykens’ Sorge nahm zu, je näher der Verhandlungstag kam. Er sprach sich gegen Dr. Hersfeld in diesem Sie aus, und dieser mußte ihm zustimmen.

      »Können wir etwas dagegen tun, lieber Freund?« sagte er mutlos. Wir können nur hoffen, daß hinterher keine schlimmere Krankheit zum Ausbruch kommt, das wäre dann allerdings bedenklich; denn der zarte Körper hat nicht mehr viel

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