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ließ er die Zeitung sinken und starrte in den Fernseher, ohne eigentlich etwas zu sehen. Er fühlte sich wie ein Hornochse. Da hatte er extra einen großen Rosenstrauß besorgt, die Wanderstiefel geschnürt und war bester Laune zur Rosenapotheke aufgebrochen, um Anna zum Spaziergang abzuholen. Und was war passiert? Die Angebetete war nicht mal zu Hause gewesen. Die Nachbarin hatte ihn wissen lassen, daß Anna am frühen Abend in die Stadt gefahren sei, zum Einkaufen.

      Alois konnte darüber nur den Kopf schütteln. Auf dem gesamten Heimweg hatte er sich geärgert, nun aber war er schon wieder gewillt, das Ganze als dummen Zufall anzusehen. Gewiß hatte Anna seine Einladung nur vergessen. Er beschloß, sie bald noch einmal anzusprechen und zwirbelte dabei seinen Bart. Seine Laune besserte sich ein wenig, verhalten optimistisch schaute Alois in die Zukunft. Anna Stadler war eben eine echte Herausforderung für ihn. Und er war fest entschlossen, diese zu meistern.

      *

      Maria Fellner schaute ihren Mann Georg nachdenklich an. »Willst net zum Stammtisch? Ich dachte, dir steht der Sinn nach Karteln und einer Maß.«

      »Heut net.« Der Bergbauer gähnte verhalten. »Ich glaub, ich geh früh ins Bett, war ein arg anstrengender Tag.«

      »Na ja, wir sind halt nimmer die Jüngsten«, merkte seine Frau vieldeutig an. Und als er wissen wollte, was sie damit meine, erinnerte sie ihn: »Unsere Lisa ist im heiratsfähigen Alter. Das bedeutet, der Hof könnte einen Jungbauern vertragen, damit du ein wengerl entlastet wirst, Schorschi.«

      »Wennst mich Schorschi nennst, führst was im Schilde, ich kenn dich. Hat die Lisa vielleicht einen Burschen ins Auge gefasst, der sich net recht paßt, und du willst gut Wetter machen?«

      »Was du immer denkst. Ich hab nur ein bisserl sinniert. Immerhin werde ich nächstes Jahr fünfzig. Das ist doch ein Grund, Bilanz zu ziehen, findest net?«

      »Ich bin fünfzig und anderer Meinung«, brummte der Bergbauer. »Und was die Lisa betrifft, die kann uns gerne noch erhalten bleiben. Sie ist zu jung zum Heiraten, soll nix überstürzen.«

      »Ich war genauso alt, als wir zwei uns das Jawort gegeben haben. Die Liebe kommt oft über Nacht. Daran wirst nix ändern können. Und du willst doch, daß die Lisa glücklich wird, gelt?«

      »Das versteht sich von selbst. Ich weiß nur net so genau, worauf du hinaus willst, Maria.«

      »Ja, schau, ich hab mir halt überlegt, was passieren würde, wenn die Lisa sich zum Beispiel in den jungen Burgmüller verschauen tät. Wäre das kein Grund, den Streit zu begraben und sich zu vertragen?« Gespannt wartete sie ab. Maria dachte an das Gespräch, das sie am Vorabend mit ihrer Tochter geführt hatte. Lisa war unglücklich, weil sie nicht zu ihrer Liebe stehen durfte. Die Angst vor Entdeckung, das Verheimlichen machten dem Madl sehr zu schaffen. Da wollte die Berghofbäuerin das Ihre tun, damit die beiden doch noch ihr Glück zusammen fanden.

      Allerdings sah es nicht so aus, als könne sie auf diesem Weg viel erreichen, denn ihr Mann knurrte: »Das soll die Lisa sich nur net einfallen lassen. Mit dem Burgmüller will ich nix zu tun haben, der käme mir net auf den Hof, daß das klar ist!«

      »Aber du hast doch nur Streit mit dem Alois, was könnte denn sein Sohn dazu, daß ihr zwei euch nimmer vertragt? Das verstehe ich net«, hielt Maria ihm entgegen.

      Georg bekam schmale Augen. »Fragst aus einem bestimmten Grund? Oder willst mich nur ärgern? Der Burgmüller ist ein Lump und Taugenichts, der uns im ganzen Tal Schlechtes nachredet. Und das nur, weil er seinen Willen einmal net hat durchsetzen können. Dafür hat er eine Freundschaft, die fast ein Leben lang bestanden hat, in den Wind geschrieben. Mit so einem Hundling will ich nix zu tun haben. Nie und nimmer tät ich es zulassen, daß der mit uns verwandt wäre, das fehlte noch!«

      Währenddessen spazierten Lisa und Tobias eng umschlungen durch den Forst und genossen die kurze Zeitspanne, die sie sich wieder einmal heimlich stehlen mußten, um beisammen sein zu können.

      Viel zu schnell ging der Spaziergang zu Ende. Und als die Sonne im Westen hinter dem Horizont versank, tauschten sie ein langes, inniges Abschiedsbusserl.

      »Ich wünschte, ich müßte jetzt net fort«, murmelte das Madl bekümmert. »Ach, Tobias, es wird mir so schwer, daß wir uns immer trennen müssen. Ich wünschte, es wäre anders.«

      »Ich auch.« Er schaute ihr tief in die Augen und küßte sie zart. »Komm halt mit mir heim. Wir reden mit dem Vater und sagen ihm, daß wir heiraten wollen.«

      »Aber das geht doch net!« Erschrocken wich sie vor ihm zurück. »Du weißt, es ist unmöglich. Ich hab ja nur geträumt.«

      Der Bursch vergrub die Hände in den Hosentaschen und brummte: »Ich mag nimmer träumen, ich will endlich unser Leben in die eigenen Hände nehmen, mich nimmer von anderen zu etwas zwingen lassen. Wir sind doch narrisch, daß wir immer nur Rücksicht nehmen. Tun die Väter das vielleicht?«

      »Sie wissen ja net, wie wir zueinander stehen. Und vielleicht werden sie ihren dummen Zank ja bald begraben...«

      »Vielleicht aber auch net.« Tobias nahm Lisas Hände und suchte ihren Blick. Er mochte nicht mehr vernünftig sein, er wollte einmal nur an sich denken. »Warum wagen wir es net einfach? Laß die Alten doch toben. Sie werden sich auch wieder beruhigen. Komm mit mir, wir wollen es ihnen sagen, heut noch!«

      »Nein, das kann ich net.« Sie senkte den Blick. »Ich hab zu große Angst. Du weißt doch selbst, was passieren wird. Sie werden uns auseinander bringen, auf die eine oder andere Weise. Und das könnte ich net ertragen. Du mußt mir versprechen, noch zu schweigen, Tobias. Es wird anders werden, wir müssen nur abwarten!«

      Kurz schwankte er zwischen Unmut und Versöhnlichkeit, dann seufzte er leise und gestand ihr zu: »Wahrscheinlich hast recht. Ich will dir ja keinen Kummer machen. Nur das Herz ist mir arg schwer.« Er küßte sie zum Abschied und murmelte: »Und jetzt geh, sonst wird es uns einfach zu schwer.«

      Als Lisa wenig später heimkam, war ihr Vater schon zu Bett gegangen, die Mutter saß noch in der guten Stube, sie hatte auf das Madl gewartet. Ihrer Miene entnahm Lisa, daß sie keine guten Neuigkeiten hatte. »Der Vater ist unversöhnlich. Ich hab ihn ein wengerl ausgehorcht, da ist nix zu machen. Daß der Burgmüller sich so stur stellt, hat ihn hart getroffen. Weißt doch, die zwei waren immer Spezln. Und er nimmt es dem Bürgermeister anscheinend sehr übel, daß der jetzt gegen ihn arbeitet.«

      »Ach, Mutterl, dann weiß ich net, was werden soll«, seufzte Lisa zutiefst kummervoll.

      Die Berghofbäuerin nahm ihre Tochter in den Arm, drückte sie leicht und versicherte: »Es wird sich schon eine Lösung finden. Ihr dürft nur net den Mut verlieren. Der Tobias steht doch fest zu dir, net wahr?«

      »Ja, gewiß. Aber es wird ihm immer schwerer, unsere Liebe zu verheimlichen. Und mir macht es auch sehr zu schaffen.«

      »Ich versteh euch. Doch ihr müßt da jetzt durch. Und wenn es hart auf hart geht, ich steh zu euch. Ihr werdet das schon schaffen, keine Angst.«

      Das Madl lächelte traurig. »Ich hoff, du hast recht, Mutterl. Wenn der Tobias bei mir ist, dann hab ich keine Angst, aber wenn ich allein bin, denk ich manchmal, ich werde ihn verlieren. Und dann fürchte ich mich schrecklich vor dem, was kommt. Ich hab ihn doch so lieb...«

      »Keine Angst, Tschapperl, es wird schon werden«, sprach Maria Fellner beruhigend auf ihre Tochter ein.

      Zugleich empfand sie eine ohnmächtige Wut auf die beiden alten Sturschädel, die es einer jungen Liebe durch ihr uneinsichtiges Verhalten so unendlich schwer machten.

      *

      »Der Nächste bitte! Bürgermeister, du bist dran.« Christel Brenner winkte den Burgmüller ins Behandlungszimmer. Bevor sie die Tür hinter sich schloß, warf sie dem Doktor noch einen abwägenden Blick zu. Josef Brinkmeier hatte schon den ganzen Tag unter Beschwerden zu leiden. Am Morgen war ein Gewitter übers Tal gezogen, nun hing die Luft schwer und feucht über Wildenberg und setzte auch den Gesunden zu. Um wieviel mehr den Kranken. Das Wartezimmer war voll, Dr. Brinkmeier hatte ein großes Pensum abzuarbeiten, dabei sah er aus, als könne er jeden Moment umfallen.

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