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bevor ich alt und einsam an gebrochenem Herzen sterbe.« Dabei machte er ein so komisch verzweifeltes Gesicht, daß sie laut lachen mußte.

      »Mei, Maxl, du bist schon recht. Aber was das Heiraten betrifft, damit hab ich es net so eilig. Wir sind doch auch so glücklich zusammen. Warum was ändern?«

      »Vielleicht bin ich ja hoffnungslos altmodisch. Aber ich würde dir eben gerne einen Ring an den Finger stecken.« Er betrachtete sie liebevoll. »Ich weiß, du magst deine Freiheit nicht so leicht aufgeben. Und wenn ich dir verspreche, daß du das gar nicht mußt? Es ändert sich ja nichts zwischen uns.«

      Sie schaute ihn nachdenklich an. Julia liebte Max von Herzen, und sie wußte, daß er ihr die gleichen tiefen Gefühle entgegenbrachte. Was lag also näher, als sich endlich das Jawort zu geben? Eigentlich nichts. Außer der Tatsache, daß Julia ein Scheidungskind gewesen war und das große Unglück, das ihrer Mutter zeitlebens nachgegangen war, nicht so leicht vergessen konnte. Sie legte die Gabel hin, stand auf und trat hinter das Fenster. Mittägliche Stille lag über dem Dorf, nur im nahen Urwald spielte das Konzert des Lebens munter weiter. Ein bunter Falter, fast handtellergroß, ließ sich auf die exotischen Blüten nieder, die in handgemachten Gefäßen auf der Terrasse standen.

      »Ich hab dich lieb, Julia«, sagte Max da neben ihr und zog sie in seine Arme. »Laß uns heiraten.«

      Sie schaute in seine klaren Augen, in denen die Zuneigung schimmerte, die ihre Herzen fest miteinander verbunden hatte, und empfand das tiefe Glück der wahren Liebe. Wenn Max ihr so nah war, dann gab es kein Zögern, keine Unsicherheit. Dann wollte Julia nur die Innigkeit spüren, das warme Gefühl der Geborgenheit, das sie so intensiv nicht gekannt hatte, bevor er in ihr Leben gekommen war. Sie bot ihm die Lippen zum Kuß, und sie versanken für eine Weile in einer innigen Berührung voller Zärtlichkeit. Eine sanfte Brise wehte von draußen her, brachte die schweren exotischen Düfte der Wildnis mit sich und umschmeichelte das liebende Paar mit flüsternden Geheimnissen. Julia seufzte leise. Sie barg den Kopf an Max’ Schulter, schloß die Augen und wünschte sich, dieser süße Moment möge niemals vorübergehen. Aber sie dachte auch an seine Worte und daran, daß er irgendwann eine Antwort verlangen würde.

      Ein leises Klopfen an der Tür machte der zärtlichen Harmonie ein Ende. Es war Schwester Mary mit der Post. »Tut mir leid, ich wollte nicht stören«, erklärte sie verschämt und entfernte sich dann rasch wieder. Max nahm die Briefe und setzte sich damit an den Tisch. Eine Weile herrschte Schweigen, schließlich fragte Julia: »Was Wichtiges dabei?«

      Max schüttelte den Kopf. Er wollte eben seine unterbrochene Mahlzeit wieder aufnehmen, als er stutzte. »Wart mal, ein Brief von Christel Brenner. Was hat denn das zu bedeuten?«

      Dr. Bruckner riet ihm: »Lies ihn, dann weißt du es.« Sie war nicht so gut auf den alten Brinkmeier zu sprechen, denn dieser hatte es seinerzeit durchaus fraglich gemacht, ob Julia und Max ihren gemeinsamen Traum von der Arbeit in der Entwicklungshilfe verwirklichen konnten. Max war hin und her gerissen gewesen zwischen dem Wunsch, mit Julia nach Afrika zu gehen, und dem Pflichtgefühl seinem Vater gegenüber. Der hatte erwartet, daß sein Sohn die Landarztpraxis übernahm. Und Julia hatte gespürt, daß Max auch diese Aufgabe reizte, daß er sich durchaus mit diesem Gedanken hätte anfreunden können. Wäre der Alte nicht so autoritär und stur gewesen, hätte Julia vermutlich allein in den Flieger nach Kigali steigen müssen. Und so betrachtete sie jede Nachricht, die Max aus Wildenberg erreichte, noch immer als eine Art Bedrohung für ihr gemeinsames Leben.

      Der Mediziner las das Schreiben gründlich, bevor er feststellte: »Das hat mir gerade noch gefehlt. Da, lies.« Er reichte Julia den Brief, diese überflog die Zeilen. Was sie da erfuhr, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen noch. Der alte Brinkmeier war herzkrank, konnte die Praxis nicht mehr allein führen. Christel Brenner bat Max im Namen des Vaters, der momentan im Spital lag, heimzukommen und die Landpraxis zu übernehmen. Ihr Herz begann, schmerzhaft fest gegen die Rippen zu pochen. Kurz schloß sie die Augen. Ein feiner Schmerz fuhr ihr ins Innerste, und Julia ahnte, daß sie Max verlieren würde. Es gab gar keine andere Möglichkeit, oder...

      »Ich werde net zurück nach Wildenberg gehen«, hörte sie ihn da entschlossen sagen. »Mein Leben findet hier statt.« Er erhob sich. »Ich rufe die Christel an und sage es ihr.«

      Noch ehe Julia etwas einwenden konnte, hatte Max den Raum verlassen. Sie fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut. Obwohl seine Worte sie hätten beruhigen sollen, war doch eher das Gegenteil der Fall.

      Und die junge Ärztin spürte zudem die Notwendigkeit, Max zur Besonnenheit zu mahnen. Er durfte keinen vorschnellen Entschluß treffen, den er dann für immer zu bereuen hatte. Der wie ein schleichendes Gift ihre Beziehung zerstörte.

      Sie verließ den Wohnraum, fand Max in seinem kleinen Arbeitszimmer. Er stand neben dem Schreibtisch, hielt den Hörer in der Hand und schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Sie trat neben ihn, nahm den Hörer, um ihn aufzulegen, und bat: »Laß uns mal in Ruhe über alles nachdenken. So eine wichtige Entscheidung darfst du nicht übers Knie brechen.«

      Er schaute sie nachdenklich an, gestand ihr schließlich zu: »Du hast recht. Aber ich möchte Christel trotzdem anrufen und hören, wie es meinem Vater geht. Bleib bitte hier, ich habe keine Geheimnisse vor dir, Liebes.«

      Es dauerte eine Weile, bis Max die Sprechstundenhilfe seines Vaters an der Strippe hatte. Er stellte den Lautsprecher am Telefon an, damit Julia zuhören konnte. Christel freute sich offensichtlich sehr, seine Stimme zu hören. Ohne den Mediziner zu Wort kommen zu lassen, sprudelte sie hervor: »Ach, es ist aber auch ein Elend. Du kannst dir net vorstellen, was für Zustände hier herrschen, Max! Dein Vater ist schon länger nimmer auf der Höh, hat aber einfach nicht kürzertreten wollen. Der Doktor im Spital sagt, es war kein Infarkt aber ein Warnschuß. Das hab ich dir ja geschrieben. Er ist jetzt in der Reha. Und wenn er heimkommt, dann muß er kürzertreten. Mei, das wird ihm net leicht werden. Der Haselbeck aus Schlehbusch macht die Vertretung, dieser Schludri! Die Patienten laufen uns weg. Und wenn du net bald kommst, dann wird es die Praxis Brinkmeier nimmer lang geben, das verspreche ich dir!«

      »Christel, reg dich net so auf«, bat Max sie beschwichtigend. »Nachher kriegst auch noch ein Herzkaschperl.«

      »Schmarrn! Wennst heimkommst, wird alles gut, dann reg ich mich sofort ab«, versprach sie lachend. »Gelt, Max, du kommst doch? Dein Vater wartet so sehr darauf. Er vermißt dich.«

      »Ich... glaube net, daß das geht«, erklärte Max da zögernd. »Schau, Christel, schließlich hab ich mir mein Leben hier eingerichtet. Ich kann net einfach alles im Stich lassen und fortgehen. Hier gibt es Menschen, die verlassen sich auf mich. Und die will ich net enttäuschen, verstehst?«

      »Und was ist mit deinem Vater?« mahnte Christel leise.

      Da drehte Julia sich um und verließ den Raum. Max versprach: »Ich werde nach Wildenberg kommen, ihn besuchen. Freilich liegt mir auch daran, daß wir uns aussprechen und wieder vertragen. Aber meine Heimat ist jetzt hier, in Ruanda. Das müßt ihr akzeptieren, hörst?«

      Kurz herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann meinte Christel zutiefst enttäuscht: »Wenn es so ist, kannst dir den Besuch getrost sparen. Dein Vater braucht Hilfe, net einen, der mal eben vorbeischaut und ihn dann ein zweites Mal im Stich läßt. Das hat der Doktor nämlich net verdient!«

      *

      Christel verschwieg zwar den Ausgang des Telefonats, aber Josef Brinkmeier sah ihr bereits an der Nasenspitze an, was los war. Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet, auch wenn er sich im tiefsten Herzen gewünscht hatte, Max käme heim. Doch er sprach nicht mehr von dieser Möglichkeit, tat so, als ließe sich schon eine Lösung finden. Christel schimpfte und beschwerte sich über Dr. Haselbeck, doch Josef hob nur die Schultern und meinte mit der gleichen stoischen Ruhe, die auch seinen Sohn Lukas auszeichnete: »Wir finden schon eine Lösung.« Daß ihm ganz anders ums Herz war, verschwieg er sogar vor Christel.

      Währenddessen ging das Leben in der Missionsstation Holy Spirit von außen betrachtet seinen wohlbekannten Gang. Doch etwas hatte sich geändert, und Dr. Julia Bruckner spürte es mit jedem Tag, der verging. Max war verschlossener als früher, oft schien er in tiefe Gedanken versunken

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