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Bescheid, in manchem vielleicht besser als er selbst. Seit Max fort war, hatte er an der Enttäuschung zu knabbern, die ihn stur und unbelehrbar gemacht hatte. Statt sich mit den Gegebenheiten abzufinden, wollte er offenbar dem Schicksal trotzen. Und daß er dadurch über kurz oder lang in eine Katastrophe schlittern mußte, schien leider unabwendbar...

      *

      Alois Burgmüller klagte über Schmerzen in allen Gelenken. »Ich glaube, es ist das Reißen. Das hat auch meinen Vater selig erwischt, als er in meinen Jahren war«, erklärte er mit einer ausgesprochenen Leidensmiene. »Gelt, Doktor, kannst mir helfen?«

      »Wir werden sehen. Erst muß ich mal feststellen, ob du wirklich unter Rheuma leidest, Alois. Ich schicke eine Blutprobe ein, hernach wissen wir Bescheid. Bis dahin schreib ich dir eine pflanzliche Salbe auf. Die Stadlerin wird die vorrätig haben. Und wegen dem Testergebnis kommst dann übermorgen wieder her.«

      »Ist schon recht.« Der Bürgermeister gab sich Mühe, nicht zu vergnügt zu wirken. »Für die Gesundheit ist schließlich nix zu mühsam, gelt?«

      »Ja, freilich«, seufzte Dr. Brinkmeier und reichte seinem Patienten das heiß begehrte Rezept.

      Wenig später verließ Alois das Doktorhaus und machte sich auf den kurzen Weg zur Rosenapotheke. Voller Vorfreude auf ein Wiedersehen mit Anna Stadler zwirbelte er seinen Schnauz und trat dann mit Schwung ein. Doch er wurde enttäuscht; nur Susi Angerer, die Aushilfe, stand hinter dem Tresen. Das Madl war nett aber schwatzhaft. Fragte er jetzt nach Anna, würde er damit gleich wieder Stoff zum Tratschen liefern. Er reichte Susi das Rezept und schaute sich in der Apotheke um. Hinter dem Tresen reihten sich alte, bemalte Apothekerschränke bis zur Decke hinauf. Der Laden bestand bereits seit hundert Jahren. Vor einiger Zeit hatte Anna ihn von ihren Eltern übernommen, die ihren Lebensabend im sonnigen Süden verbrachten.

      Es dauerte nicht lange, bis Susi Angerer mit der Salbe zurückkehrte. Bevor Alois zahlte, fiel ihm zum Glück noch etwas ein. »Ich hab die Chefin nach einem Schlafmittel für die Franziska, unsere Hauserin, gefragt. Was Pflanzliches soll es sein, was ganz Bestimmtes. Weißt vielleicht, ob sie was bestellt hat? Die Franziska wartet noch drauf.«

      »Da muß ich die Chefin fragen. Wart halt einen Moment, Bürgermeister«, bat sie ihn und verschwand dann für eine Weile. Der Burgmüller trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tresen. Anna Stadler machte es spannend. Aber er konnte warten. Wenn es sich rentierte, zeigte Alois auch mal Langmut.

      Endlich erschien die Apothekerin. Adrett wie immer schaute sie aus, gleich geriet der Burgmüller wieder ins Schwärmen. Die blonde Anna mit den rehbraunen Augen war eine schöne Frau von Anfang Dreißig. Daß sie noch einschichtig war, schrieb manch einer in Wildenberg ihren allzu hohen Ansprüchen ans andere Geschlecht zu. Das waren aber meistens die, die sich bereits einen Korb eingefangen hatten. Anna war eine selbstbewußte junge Frau, sie hatte gelernt, sich auch allein zu behaupten. Und das schmeckte manchem Mannsbild eben nicht so recht. Alois fand es im Gegenteil überaus anziehend. Er liebte schöne Frauen, und er liebte die Herausforderung, die Anna für ihn zweifellos darstellte. Denn sie erwiderte seine übertrieben freundliche Begrüßung nur knapp und erklärte dann sachlich: »Es tut mir leid, Alois, aber ich hab das Schlafmittel net bekommen können. Schaut so aus, als gäbe es das nimmer auf dem Markt. Hier hab ich pflanzliche Tropfen, hauptsächlich mit Baldrian und Hopfen. Die Franziska soll das mal ausprobieren, die Wirkung ist sehr ähnlich. Wenn es net hilft, versuchen wir halt was anderes.«

      »Ist schon recht.« Alois lächelte ihr charmant zu.

      »Ich denk, es wird passen. Schließlich weißt, wovon du redest, net wahr? Eine so versierte Apothekerin hat es hier in Wildenberg fei noch nie gegeben.«

      »Mag dran liegen, daß wir bisher nur Apotheker hatten«, scherzte sie trocken und kassierte. »Dann noch gute Besserung.«

      »Ach, ich... Ja, eigentlich wollte ich dich fragen, ob wir net einmal zusammen einen Spaziergang machen wollen. Net, daß du mir romantische Motive unterstellst. Schließlich bin ich kein Schulbub mehr. Aber ich mag dich sehr, Anna Stadler. Das weißt ja schon. Und ich würde es schön finden...«

      »Tut mir leid, Alois, dazu hab ich keine Zeit. Wir sehen uns ja nächste Woche wieder im Gemeinderat.«

      »Das reicht mir aber nicht«, begehrte er da auf. »Anna, sei halt net herzlos. Schau, ich hab dir schon oft gesagt, wie ich zu dir steh. Gewiß bin ich net dein Traummann, aber ich kann dir viel bieten. Ein Mann wie ich kann eine Frau verwöhnen. Und ich möchte dich glücklich sehen, Annerl.«

      In diesem Moment erschien Milli Reiter, die Hauserin von Hochwürden Dominik Hirtner in der Apotheke. Alois ärgerte sich, denn das alte Weibel war in ganz Wildenberg als schlimmes Klatschmaul bekannt und trug nicht umsonst den Spitznamen »Landpostille«. Während Anna Stadler die Kundin freundlich bediente, ließ der Burgmüller sich von Susi Angerer den Blutdruck messen. »Der ist aber zu hoch«, bemängelte das Madl. Alois ging nicht darauf ein. Kaum war die Hauserin fort, trat er wieder an den Tresen und bat: »Denk halt nur einmal vernünftig über alles nach, Annerl. Du weißt, was du mir bedeutest...«

      Die junge Frau seufzte leise. Sie bereute nun, freundlich zum Bürgermeister gewesen zu sein, denn dieser schien das gründlich mißverstanden zu haben. Nachdem ihre Eltern Wildenberg Richtung Lanzarote verlassen hatten, war es an Anna gewesen, den Sitz im Gemeinderat einzunehmen, den ihre Familie schon seit Generationen inne hatte. Die anderen Mannsbilder hatten sie dabei ein wenig belächelt. Alle, außer Hochwürden und dem Burgmüller. Dessen Freundlichkeit hatte allerdings, wie sich bald herausstellte, andere Gründe. Noch bevor Anna wieder auf Distanz hatte gehen können, war der Bürgermeister für ihre Schönheit entflammt und machte ihr seither ausdauernd und oft enervierend den Hof. Sie konnte tun und sagen, was sie wollte, sie wurde ihn einfach nicht mehr los.

      »Gehen wir mal kurz nach hinten«, schlug sie vor, womit der Burgmüller sofort einverstanden war. Er sah seine Chancen schon wieder steigen und meinte: »Du hast so viel gearbeitet in den letzten Monaten, Anna, hast hier alles renoviert. Ich finde, du solltest dir mal Ferien gönnen. Was hältst von zwei Wochen auf den Seychellen, nur wir beide?«

      Die junge Apothekerin lächelte schmal. »Alois, ich muß dir was sagen: Ich finde es schmeichelhaft, daß ich dir gefalle und du dir so große Mühe gibst, mich zu umgarnen. Aber ich will gar net umgarnt werden, verstehst? Und vor allem net von dir!«

      Er stutzte kurz, dann lachte er nachsichtig. »Freilich willst das. Jede Frau will, daß der Mann sich um sie bemüht. Das ist ja auch recht so. Aber jetzt möcht ich dich net länger aufhalten. Ich seh heut abend wieder rein. Wenn das Wetter so schön bleibt, könnten wir zum Hintersee spazieren und in der Waldschänken einkehren. Ich hab mir sagen lassen, daß das sehr romantisch sein soll.« Er drückte ein Busserl auf ihre Rechte. »Bis dann!«

      »Aber ich...« Anna blieb verdutzt zurück. Wieder einmal hatte der Burgmüller sie kaum zu Wort kommen lassen. Und was sie sagte, nahm er nicht ernst. Es war kaum zu fassen!

      »Mittagspause, ich hab abgesperrt«, ließ sich da Susi Angerer von der Tür her vernehmen. »Was hast, Chefin? Stimmt was net? Du schaust so komisch.«

      »Das kann man sagen. Der Burgmüller bildet sich ein, er könnte mich mit seinem Dampfwalzencharme einfangen. Da hat er sich aber getäuscht«, stellte Anna erbost fest.

      »Und was willst machen? Der Bürgermeister nimmt sich, was er will. Kennst ihn doch.« Sie biß herzhaft in ihr Brot. »Meiner Tante ist er auch nachgestiegen. Aber als die vom Heiraten angefangen hat, war er schneller weg wie das Freibier auf Kirchweih. Vielleicht solltest ihm auch damit kommen.«

      Die junge Apothekerin schüttelte vehement den Kopf. »Na, das ist mir zu gefährlich. Am End nimmt er mich noch beim Wort... Ich werde ihm mal offen die Meinung sagen, damit er endlich aufhört, mir nachzusteigen. Die Leut reden ja schon.«

      »Und wie willst das anfangen? Er hört doch nie zu«, gab Susi zu bedenken, doch ihre Chefin wußte sich zu helfen.

      »Dann rede ich halt im Rat mit ihm, da muß er mir zuhören!«

      Susi Angerer verdrehte die Augen. »Auweh! Und unter welchem Tagesordnungspunkt?«

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