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       Arthur Schoenflies

      Einführung in die Hauptgesetze der Zeichnerischen Darstellungsmethoden

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2021

       [email protected]

      EAN 4064066117306

      Inhaltsverzeichnis

       Cover

       Titelblatt

       Text

      § 1. Die Grundgesetze.

Fig 1

      1. Alle von einem Punkt P in das Auge eintretenden Lichtstrahlen vereinigen sich, nachdem sie durch die lichtbrechenden Medien hindurchgegangen sind, in einem Punkt Pn der Netzhaut (Fig. 1)2, und zwar geht der Strahl PPn ungebrochen durch das Auge hindurch. Dieser Strahl kann daher als geometrischer Repräsentant aller übrigen Strahlen gelten; seine Richtung ist es, die das Auge empfindet. Man bezeichnet ihn auch als den von P kommenden Sehstrahl.

Fig 2

      2. Alle Sehstrahlen, die von irgendwelchen Punkten P,Q,R... eines Körpers Σ ins Auge gelangen, gehen durch einen festen Punkt K des Auges, der auf seiner optischen Achse liegt und Knotenpunkt heißt (Fig. 2). Sie bilden also einen Teil eines Strahlenbündels mit dem Mittelpunkt K.3 Das auf der Netzhaut erzeugte, aus den Punkten Pn,Qn,Rn,... bestehende Netzhautbild Σn des Körpers Σ ist daher geometrisch als Schnitt der Netzhaut mit den Strahlen dieses Bündels zu bezeichnen.

      Hieraus ergibt sich bereits diejenige grundlegende geometrische Tatsache, der jede zeichnerische oder räumliche Abbildung Σ' eines Gegenstandes Σ zu genügen hat, wenn sie im Auge dasselbe Netzhautbild entstehen lassen soll, wie der Körper Σ selbst. Aus 1. folgt nämlich (Fig. 2), daß wenn P' ein lichtaussendender Punkt auf dem Sehstrahl PPn ist, der zu P' gehörige Sehstrahl mit PPn identisch ist. Um also ein Abbild Σ' herzustellen, das im Auge die gleichen Lichtempfindungen erzeugt, wie der Gegenstand Σ selbst, würde es an sich genügen, jeden Punkt P von Σ durch irgend einen Punkt P' des von P ausgehenden Sehstrahls PPn zu ersetzen. Handelt es sich insbesondere um ein ebenes Bild, was hier zunächst allein in Frage kommt, so ist der Bildpunkt P' als Schnittpunkt des Sehstrahles PPn mit der Bildebene zu wählen. Da nun gemäß 2. alle Sehstrahlen einem Strahlenbündel mit dem Mittelpunkt K angehören, so ist das in der Bildebene entstehende Abbild Σ' genauer als ihr Schnitt mit den Strahlen des ebengenannten Strahlenbündels zu definieren. Also folgt:

      I. Das Netzhautbild Σn und das ebene Bild Σ' sind als Schnitte eines und desselben Strahlenbündels mit der Netzhaut und der Bildebene anzusehen; der Mittelpunkt dieses Strahlenbündels liegt im Knotenpunkt des Auges.

      Die ebengenannten physiologischen Tatsachen stellen allerdings nur eine Annäherung an den wirklichen Sachverhalt dar; überdies sind sie für die Beurteilung und die richtige Deutung der Gesichtseindrücke nicht allein maßgebend.4 Die zeichnerischen Abbilder werden daher nur solche Sinneswahrnehmungen auslösen können, die den durch die Gegenstände selbst vermittelten mehr oder weniger nahe kommen. Das Auge ist aber ein höchst akkommodationsfähiges Organ. Wenn es auch den Unterschied zwischen Bild und Gegenstand jederzeit erkennt, ist doch seine Kunst, aus einem Bild die wirklichen Eigenschaften des dargestellten Gegenstandes zu entnehmen, erstaunlich.5 Andererseits ist das Auge für gewisse Dinge auch ein strenger Richter. Abweichungen von der Symmetrie und der Gesetzmäßigkeit einfacher Formen wie Kreis, Ellipse usw. wird es sofort störend empfinden. überhaupt soll man das Auge als den obersten Richter für die Beurteilung eines Bildes ansehen, und Korrekturen, die von ihm verlangt werden, auch dann ausführen, wenn man eine den geometrischen Vorschriften entsprechende Zeichnung hergestellt hat.

      Das Auge stellt sich besonders leicht auf unendliche Sehweite ein, also so, als ob sich der Gegenstand in unendlicher Entfernung befindet. Physiologisch beruht dies darauf, daß diese Einstellung der Ruhelage des Auges entspricht. Andererseits nähern sich die von einem Gegenstand Σ ausgehenden Lichtstrahlen um so mehr dem Parallelismus, je weiter er vom Auge entfernt ist. Dies bewirkt, daß Bilder, die man auf Grund der Annahme paralleler Sehstrahlen herstellt, vom Auge ebenfalls leicht aufgefaßt werden. Diese Darstellung zeichnet sich überdies durch Einfachheit aus und ist daher von besonderer Wichtigkeit.

Fig 3

      II. Das geometrische Grundgesetz. Wir nehmen jetzt an, daß auf einer Ebene β, die wir uns vertikal denken wollen, auf die vorstehend genannte Art ein Bild hergestellt werden soll. Wir haben dazu jeden Sehstrahl, der von einem Punkt P des Körpers Σ ins Auge eintritt, mit der Bildebene β zum Schnitt zu bringen, und wollen den so entstehenden Schnittpunkt wieder durch P' bezeichnen. Das geometrische Grundgesetz besagt nun, daßjeder Geraden g des Gegenstandes Σ eine Bildgerade g' des Bildes Σ' entspricht; genauer allen Punkten A,B,C... von Σ, die auf einer Geraden g enthalten sind, solche Bildpunkte A',B',C'..., die auf einer Geraden g' enthalten sind (Fig. 3). Die Sehstrahlen, die von den Punkten A,B,C... der Geraden g ins Auge gelangen, liegen nämlich sämtlich in einer Ebene, und zwar in derjenigen, die g mit dem Punkt K verbindet; ihr Schnitt mit der Ebene β liefert die Bildgerade g'. Auf ihr liegen also auch die Punkte A',B',C'....

      Wir treffen noch einige Festsetzungen. Zunächst kann die Tatsache außer Betracht bleiben, daß wir es mit Sehstrahlen zu tun haben; wir fassen also diese Strahlen in ihrer geometrischen Bedeutung als gerade Linien auf und stellen sie uns überdies als unbegrenzt vor. Ebenso ersetzen wir auch die Bildebene β für die Ableitung der weiteren geometrischen Gesetze durch eine unbegrenzte Ebene. Den im Auge liegenden Knotenpunkt K, also den Scheitel unseres Strahlenbündels, nennen wir von nun an S0, bezeichnen die auf der Ebene β entstehende Figur Σ' auch als Projektion des Gegenstandes Σ auf β, und nennen den Strahl PS0, der durch seinen Schnitt mit β die Projektion P' des Punktes P liefert, den projizierenden Strahl des Punktes P. Der Punkt S0, durch den alle projizierenden Strahlen gehen, heißt Zentrum der Projektion, und Σ' deshalb auch Zentralprojektion.6

      Wird die Zeichnung insbesondere so angefertigt, als ob sich das Auge in unendlicher Entfernung befindet, so daß also alle Sehstrahlen einander parallel werden, so sprechen wir von einer Parallelprojektion. Sie heißt orthogonal, wenn die projizierenden Strahlen auf der Bildebene senkrecht

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