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nicht sonderbar finden, wenn ich ihnen auch eine Formel zur Annehmung als Symbolum vorlege. Ein jeder, der Neigung hat, in die Gesellschaft der Erzieher zu treten, beherzige sie und prüfe sich selbst, ob er wohl von ganzem Herzen sie glauben und annehmen könne. Wer dies nicht kann, wer darin Widerspruch findet, der lasse mein Buch lieber ungelesen, weil er unfähig ist, das Erziehungsgeschäft mit Vergnügen, mit Eifer und Wirksamkeit zu betreiben.

      Mein Symbolum ist kurz und lautet folgendermaßen: Von allen Fehlern und Untugenden seiner Zöglinge muß der Erzieher den Grund in sich selbst suchen.[6]

      Dies ist eine harte Rede, werden viele denken; sie ist aber wirklich nicht so hart, als sie es bei dem ersten Anblicke scheint. Man verstehe sie nur recht, so wird die scheinbare Härte sich bald verlieren.

      Meine Meinung ist gar nicht, als wenn der Grund von allen Fehlern und Untugenden seiner Zöglinge in dem Erzieher wirklich läge; sondern ich will nur, daß er ihn in sich suchen soll.

      Sobald er Kraft und Unparteilichkeit genug fühlt, dieses zu thun, ist er auf dem Wege, ein guter Erzieher zu werden.

      Es liegt freilich in der Natur des Menschen, den Grund von allen Unannehmlichkeiten, ja von seinen eigenen Fehltritten außer sich zu suchen; man findet Spuren davon schon in der Geschichte des ersten Sündenfalls; es ist also kein Wunder, wenn auch der Erzieher geneigt ist, die Schuld von der Unfolgsamkeit, Ungeschicklichkeit und dem Mangel an Fortschritten seiner Zöglinge lieber diesen, als sich selbst beizumessen; allein diese Neigung gehört zu denen, die durch die Vernunft nicht nur geleitet, sondern, wie Neid und Schadenfreude unterdrückt werden müssen.

      Ich setze es als bekannt voraus, daß der Grund von den Fehlern der Zöglinge wirklich oft in den Erziehern liege. Wäre dies nicht, müßte man die Ursache derselben schlechterdings allemal den Kindern oder der Lage zuschreiben, in welcher sich die Erzieher befinden, so wäre es freilich eine ungerechte und thörichte Forderung, dem Erzieher zuzumuten, sie in sich selbst zu suchen. Welcher vernünftige Erzieher wird dies aber wohl glauben?

      Bist du nun überzeugt, daß der Grund von den Fehlern der Zöglinge wirklich oft in den Erziehern liege, so wünsche ich, dir es glaublich zu machen, daß dies auch bei dir oft der Fall sei, der du es liesest.

      Hast du nicht vielleicht bemerkt, daß die Zöglinge, die gegen dich unfolgsam sind, anderen willig gehorchen? oder daß die nämlichen Zöglinge, die bei deinem Vortrage flatterhaft sind und nichts lernen, wenn sie in die Lehrstunden anderer kommen, Aufmerksamkeit zeigen und gute Fortschritte machen?

      Solltest du diese Bemerkung wirklich gemacht haben, so täusche dich nicht, sei aufrichtig gegen dich selbst, und gestehe dir ein, daß du selbst an dem schuld sein kannst, was du an deinen Zöglingen tadelst. Sage nicht, ich bin mir doch bewußt, daß ich meine Pflichten redlich erfülle. Dies kann wohl sein, aber vielleicht verstehst du noch nicht recht, die Kinder zu behandeln.

      Vielleicht hast du in deinem Betragen etwas Zurückstoßendes, das die Kinder mißtrauisch und abgeneigt macht. Vielleicht fehlt dir die Lehrgabe. Du bist zu schläfrig, oder dein Vortrag ist zu trocken und zu abstrakt. Hast du ferner nicht wahrgenommen, daß die nämlichen Zöglinge, die zu gewissen Zeiten auf deinen Vortrag merken und deine Winke befolgen, zu anderen Zeiten flatterhaft und unfolgsam sind? Kann dich dies nicht auch belehren, daß der Grund von ihren Fehlern in dir zu suchen sei?

      Ich begreife nicht, antwortest du, wie dies daraus folge. Bin ich nicht der nämliche, der ich gestern war? Wenn meine Zöglinge nun nicht die nämlichen mehr sind, muß der Grund von diesen Veränderungen nicht in ihnen liegen?

      Es kann sein. Ehe du dies aber annimmst, so untersuche nur erst, ob du wirklich noch der nämliche seiest, der du gestern warest. Gar oft wirst du finden, daß du ein ganz anderer Mann geworden bist. Vielleicht leidest du an Unverdaulichkeit, oder hast dir durch Erkältung den Schnupfen zugezogen, oder ein unangenehmer Vorfall hat deine Seele verstimmt, oder du hast etwas gelesen, was dich noch beschäftigt und hindert, deine ganze Aufmerksamkeit auf dein Geschäft zu wenden u. s. w. Ein einziger von diesen Zufällen kann dich zu einem ganz andern Manne gemacht haben. Gestern tratest du mit heiterer Seele und feurigem Blicke unter deine Kleinen; dein Vortrag war lebhaft, mit Scherz gewürzt, deine Erinnerungen waren sanft und liebevoll, die Lebhaftigkeit deiner Zöglinge machte dir Freude. Und heute? Ach, du bist der Mann nicht mehr, der du gestern warst. Deine Seele ist trübe, dein Blick finster und zurückstoßend, deine Erinnerungen sind herbe, jeder jugendliche Mutwille reizt dich zum Zorne. Hast du dies nicht zuweilen an dir wahrgenommen? Nun so sei aufrichtig und gestehe dir, daß der Grund, warum deine Zöglinge heute nicht so gut sind, als sie gestern waren, in dir liege.

      Ich erwarte noch vielerlei Einwendungen gegen mein Symbolum, davon ich einige anführen und beantworten will. Derjenige, dem diese Beantwortungen genügen, wird sich leicht die übrigen Einwendungen selbst widerlegen können; wer sich aber dabei nicht beruhigen kann, bei dem werde ich auch nichts ausrichten, wenn ich alle möglichen Einwendungen anführen und widerlegen wollte. Er ist ein durch die Eigenliebe geblendeter Mensch, der schlechterdings nicht Unrecht haben will, der eher alle seine Zöglinge für Dummköpfe und Bösewichte erklärt, als daß er an seine Brust schlüge und sich eingestünde, daß er gefehlt habe; er ist — zur Erziehung unfähig.

      Lasset uns also die Einwendungen hören!

      Mein Zögling hat alle die Fehler, über die ich Klage führe, gehabt, ehe ich ihn bekam, wie kann ich denn die Schuld davon mir beimessen?

      Zugestanden, daß dein Zögling diese Fehler hatte, ehe du ihn bekamest. Warum hat er sie noch? Ist nicht die Abgewöhnung von Fehlern ein Hauptstück der Erziehung? Wenn diese nun nicht erfolgt, ist es denn nicht wenigstens möglich, daß der Grund davon in dir liege?

      Du bekamst z. E. deinen Zögling als ein schwächliches Kind, mit dem wenig anzufangen war, warum ist er denn noch nicht stärker? Hast du nicht von schwächlichen Kindern gehört, die durch eine vernünftige Behandlung gestärkt wurden? Kennst du die Mittel, schwächliche Kinder zu stärken? Hast du davon Gebrauch gemacht? Dein Zögling ist zuvor verzogen worden — er ist eigensinnig, widerspenstig, lügenhaft; warum ist er dies aber noch, nachdem er so lange unter deiner Leitung war? Hast du ihn auch die Folgen seines Eigensinns fühlen lassen, um ihn dadurch zum Nachdenken zu bringen? Hast du es ihm gehörig fühlbar gemacht, daß du ein Mann, er ein Kind ist, daß du ihm an Kraft, Erfahrungen und Einsichten überlegen bist, und ihn so zur Überzeugung zu bringen gesucht, daß er von dir abhänge und deine Vorschriften befolgen müsse? Hast du dir auch immer die gehörige Mühe gegeben, zu untersuchen, ob das, was er dir sagte, wahr sei, und ihn durch Aufdeckung seiner Lügen zu beschämen? Du erzählst, wie du deine Zöglinge behandelst, welche Ermahnungen du ihnen giebst, durch welche Vorstellungen du sie zu leiten suchst, und klagst, daß du mit alle dem doch nichts ausrichtetest.

      Dies kann wohl sein; es kann auch sein, daß ich an der Vorstellung deiner Behandlungsart gar nichts auszusetzen finde; sollte ich dich aber handeln sehen, so würde ich vielleicht doch bemerken, daß die Ursache von dem schlechten Erfolge deiner Bemühungen in dir liege.

      Es ist nicht genug, daß man etwas Gutes sagt und vernünftig handelt, sondern es kommt auch noch darauf an, wie man spricht, und wie man handelt. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

      Der Ton, in dem man mit jungen Leuten spricht, ist von großer Wichtigkeit. Sie sind geneigt, mehr durch das Gefühl, als durch die Vernunft sich leiten zu lassen. Wer also den rechten Ton treffen kann, der der jugendlichen Natur am angemessensten ist, und auf sie den meisten Eindruck macht, der richtet bei ihr mit wenigen Worten weit mehr aus, als ein anderer, der sich nicht in den rechten Ton stimmen kann, mit einer langen Rede.

      So ist der Ton, in welchem manche Erzieher mit ihren Zöglingen, zumal wenn diese von vornehmer Herkunft sind, sprechen, zu schüchtern, zu blöde, es fehlt ihnen das Durchgreifende. So wie nun das Roß an dem Beben der Schenkel seines Reiters bald die Furchtsamkeit desselben merkt und ihm den Gehorsam versagt, so fühlen junge Leute an dem schüchternen Tone, in welchem der Erzieher mit ihnen spricht, bald, daß er ihnen nicht gewachsen sei, und achten nicht viel auf ihn.

      Bei anderen Erziehern ist der Ton, in welchem sie reden, zu trocken, zu einförmig.

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