Скачать книгу

Dingen auf Weckung und Schärfung der eigenen Beobachtung in der umgebenden Natur, auf Bildung und Übung des Verstandes und somit auf die Selbständigkeit des Urteils abgesehen.

      Fast dreißig Jahre wirkte Salzmann selbst an seiner Anstalt, die er als ein Vater leitete. Im Jahre 1809 nach langem Genusse ungestörter Gesundheit ward er von der Gicht befallen, welche die Kraft seines Lebens allmählich erschöpfte. Er starb am 31. Oktober 1811, nachdem ihm seine Gattin, mit der er vierzig Jahre in glücklicher und kinderreicher Ehe gelebt hatte, und die ihm eine treue Gehilfin seines Lebenswerkes gewesen, bereits 1810 vorangegangen war. Einer seiner Zeitgenossen widmete ihm bei seinem Hinscheiden folgende Worte: „Die Anstalt zu Schnepfenthal hat einen großen Verlust zu beklagen. Den sie verloren, halten wir für der Besten Einen, denn gleich sehr war er ausgezeichnet durch Eigenschaften des Geistes und des Herzens. Eindringend und scharf war sein Blick, ruhig und besonnen sein unermüdliches Wirken, schnell sein Entschluß und groß seine Selbstbeherrschung. Wohlthätigkeit und Milde hat er stets geübt, dabei aber nie der Eitelkeit und der Ruhmsucht Raum gegeben. Sein Auftreten war einfach, aber würdig; es kennzeichnete den Vater und Regierer eines großen Hauswesens. Die ihm Untergebenen leitete er durch Blicke und Worte; Strafen, um seine Autorität zu stützen, bedurfte er nie.“ Nach dem Willen des bescheidenen Mannes schmückt nur ein Fliederbusch sein Grab. Der Dichter Welker rief ihm nach:

      „Nicht eingeengt in dumpfumschlossnen Räumen,

       Nein frei, wie einst dich die Natur erzog,

       Schläfst du hier, Deutschlands edler Pädagog,

       Im grünen Hain bei deinen Lieblingsbäumen.

      Und was du früh gesehn in holden Träumen,

       Es war kein Wahn der schmeichelnd dich betrog;

       Denn als dein Geist dem Irdischen entflog,

       Stand's herrlich da mit Frucht und Blütenkeimen.

      Hier liegt dein Staub. — Doch lebt unsterblich fort,

       Was deine Kraft erschuf durch That und Wort.

       Wenn Marmormonumente längst zerfallen,

      Dein Denkmal blüht auf jenem Hügel dort,

       Wo Kinder wie zum Vaterhause wallen,

       Und segnend ruht dein Geist auf jenen Hallen!“

      Neben seiner praktischen Thätigkeit als Erzieher war Salzmann auch als Schriftsteller für die Hebung der Volks- und Jugendbildung thätig. Seine schriftstellerische Thätigkeit war eine sehr umfassende. Er begann dieselbe schon kurz nach seiner Versetzung nach Erfurt. Hier lernte er als Seelsorger manches Elend in den Familien kennen, das er durch zwei Mittel zu steuern glaubte. Er sagt darüber: 1) müssen die Eltern über die Quelle ihres Elends belehrt werden; 2) müssen die Kinder eine bessere Erziehung erhalten. Er suchte dieses nun durch seine Schriften zu erreichen. Seine erste pädagogische Schrift war: „Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde“, in der er das wiedergab, was er in den Abendstunden mit seinen Kindern getrieben hatte. Ihr folgte 1780 das „Krebsbüchlein oder Anweisung zu unvernünftiger Erziehung der Kinder“, eine ironische Anweisung, die Kinder schlecht zu erziehen, in der die vorhandenen Übelstände der Erziehung lächerlich gemacht werden. Grund zu den Anfeindungen von orthodoxer Seite gab das Buch: „Über die wirksamsten Mittel, den Kindern Religion beizubringen.“

      Während Salzmanns Aufenthalt am Dessauer Philanthropin entstanden: „Vorträge bei den Gottesverehrungen“ 4 Bände, „Moralisches Elementarbuch“ I. Teil, der pädagogische Roman: „Karl von Karlsberg oder über das menschliche Elend“. Der sechste und letzte Band erschien erst 1788. Ferner: das erste Bändchen der „Reisen der Salzmannschen Zöglinge“.

      In Schnepfenthal schrieb Salzmann: „Konrad Kiefer oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung der Kinder“, in der uns die Erziehung eines Bauernsohnes durch seinen Vater unter Mitwirkung des Pfarrers geschildert wird. Die Schrift bildet ein Gegenstück zu Rousseaus „Emil“, deshalb auch wohl „der deutsche Emil“ genannt. Das bedeutendste pädagogische Werk Salzmanns ist aber unstreitig sein „Ameisenbüchlein“, das zugleich die schönste Darstellung seiner Pädagogik enthält und die rechte Frucht seiner pädagogischen Arbeit und Erfahrung ist. Da dasselbe im Nachfolgenden selbst gebracht wird, so wird noch ausführlicher davon demnächst zu reden sein. Ferner schrieb Salzmann: „Noch etwas über Erziehung“. In dieser Schrift führt er fünf Hauptmängel an, an welchen die Erziehung noch leide, und welche einer raschen Abstellung bedürften. Diese fünf Hauptmängel sind: a) Vernachlässigung der körperlichen Erziehung, b) daß man die Jugend zu wenig mit der Natur bekannt mache, c) daß der ganze Unterricht dahin abziele, die Aufmerksamkeit der Kinder von dem Gegenwärtigen abzuziehen und auf das Abwesende zu lenken, d) daß die Kinder beim Lernen mehr fremde als eigene Kräfte gebrauchen, e) daß die jugendliche Arbeit nicht unmittelbar belohnt werde. In Schnepfenthal entstanden ferner: „Über die heimlichen Sünden der Jugend“, „Der Himmel auf Erden“, „Reisen der Salzmannschen Zöglinge, neue Folge“, „Die Familie Ehrenfried oder erster Unterricht in der Sittenlehre für Kinder von 8 bis 10 Jahren“. Als Fortsetzung dazu erschien: „Heinrich Gottschalk in seiner Familie oder erster Religionsunterricht für Kinder von 10-12 Jahren“, als weitere Fortsetzung: „Unterricht in der christlichen Religion“. Weiter seien noch genannt: „Nachrichten für Kinder aus Schnepfenthal“, „Über die Erlösung des Menschen vom Elend durch Jesum“ und „Christliche Hauspostille“ (67 Predigten). Als Volksschrift erschien 1791: „Auserlesene Gespräche des Boten aus Thüringen“ (1886 neu herausgegeben vom städtischen Schulinspektor Dr. Fritz Jonas in Berlin, Verlag von L. Oehmigke ebenda). Von Salzmanns Volks- und Jugendschriften seien genannt: „Sebastian Kluge“, „Konstants kuriose Lebensgeschichte“, „Ernst Haberfeld“, „Josef Schwarzmantel“, „Heinrich Glaskopf“. Von Salzmanns Jugendschriften heißt es in Schmids „Encyklopädie der Pädagogik“: „Im Triumvirate der ersten Kinderbuchperiode (Weiße, Campe, Salzmann) ist Salzmann vielleicht der Schwächste, aber gewiß nicht der Schlechteste. Neben dem realistischen Campe, dem civilisierenden Weiße steht er am bescheidensten, aber am reinsten da.“

      Basedow, der „Herold unter den Philanthropen“, erkannte wohl die Schäden des Erziehungswesens, war auch durch Wort und That bemüht, sie zu bessern. Da aber seine Grundsätze viel Irriges und Unpraktisches enthielten, so vermochten sie einen dauernden Erfolg nicht auszuüben; dazu kam noch sein prahlerisches, aller Gewissenhaftigkeit, Umsicht und Besonnenheit bares Wesen, sodaß Herder über ihn äußerte: „Ihm möchte ich keine Kälber zu erziehen geben, geschweige Menschen.“ Campe dagegen wirkte hauptsächlich nur durch seine litterarische Thätigkeit auf die Erziehung ein. Fassen wir nun kurz Salzmanns Stellung unter den Philanthropen zusammen, so ist er der Praktiker unter ihnen, der die lebensfähigen Grundgedanken des Philanthropinismus festhielt, der die neuen Ideen am sichersten und am besonnensten durchführte in ruhiger und unverdrossener Arbeit. Dittes sagt von ihm: „Salzmann ist ohne Zweifel der bedeutendste Praktiker unter den Philanthropen, ausgezeichnet durch Besonnenheit, Mäßigung, Ausdauer, stille Heiterkeit und hausväterlichen Sinn.“ Von all den vielen Philanthropinen, die entstanden, ist die Anstalt zu Schnepfenthal das einzigste, das noch besteht. Schuldirektor Moritz Kleinert in Dresden widmete der Anstalt zu ihrer Jubelfeier 1884 folgendes Sonett:

      „Viel Ritter edlen Geistes seh' ich schreiten

       Durch ein Idyll, mit Namen Schnepfenthal, Den Geist voll Feuer, Körper wie von Stahl, Zu bessern die beschränkten, zopf'gen Zeiten,

      Die Unnatur hin zur Natur zu leiten

       In Freud' und Arbeit, Kleidung und im Mahl;

       Zu heben trocknen Lernens bittre Qual,

       Den ‚Himmel hier auf Erden‘ zu bereiten.

      So seh' ich Salzmann in dem Kreis der Seinen Ein Patriarch, geliebt und hochbewundert; Ich sehe Guts-Muths sich mit ihm vereinen;

      Es steht vor mir ein herrliches Jahrhundert,

      

Скачать книгу