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feierte. Jedenfalls waren eine Madame Weber und ein junger sowie ein älterer Herr Weber 1790/91 zeitweise mit der Rechenmacherschen Schauspiel-Gesellschaft in der Stadt an der Donau engagiert6. Freilich ohne »von« und ohne Vornamen, sodass bei der Häufigkeit dieses Nachnamens Zweifel erlaubt sind.

      Fridolin ist auch dabei, wenn sich die Spuren der Webers ganz verlässlich wiederfinden: als Mitglieder der Theatertruppe von Friedrich Häußler. Mit ihr kamen sie Anfang Mai 1791 in die freie Reichsstadt Nürnberg, wo sich nun auch Franz Antons ältere Schwester Adelheid zu der reisenden Familie gesellte. Sie lebte schon lange Zeit von dem Freiburger Kaufmann Krebs getrennt, dessen Namen sie eigentlich trug. Ganz Schwester ihres Bruders nannte sie sich gern Baronesse von Weber, aber wohl nur in Situationen, wo dies widerspruchslos hingenommen zu werden versprach. Als sie sich in Prag einmal im Stammbuch Mozarts verewigte, tat sie das als »Tante Webern«7.

      Im Frühherbst des Vorjahres war Wolfgang Amadé Mozart selbst erst nach Regensburg und dann durch Nürnberg gekommen. Er war auf dem Weg nach Frankfurt am Main zur Krönung des neuen Kaisers, Leopold II., und schrieb an Constanze: »zu Nürnberg haben wir gefrühstücket – eine häßliche Stadt.«8 Vielleicht hatte Franz Anton nichts von seinen aktuellen Aktivitäten nach Wien berichtet, weil sie so bescheiden waren? Sonst hätte man sich möglicherweise getroffen, denn auch Mozarts Reisebegleiter war ein Weber-Verwandter: Franz de Paula Hofer, mittlerweile mit Josepha verheiratet, also auch ein Nichten-Gatte Franz Antons. Das bischöflich-glänzende Würzburg auf dem weiteren Weg gefiel Mozart schon viel besser, aber der Besuch in Frankfurt wurde eine Enttäuschung. Er hatte auf einträgliche Konzerte im Umfeld der Krönung gehofft, denn er war ein prominenter Künstler und war von reichen Leuten eingeladen worden, die ihm dann auch Geld pumpten, als es doch nur zu einer einzigen und wenig einträglichen vormittäglichen Akademie kam. Die Theatertruppe des Trierer Fürstbischofs gastierte in den Krönungswochen zwar mit der Entführung, die Mainzer sagten ihren angekündigten Don Giovanni allerdings ab und gingen mit Dittersdorfs Die Liebe im Narrenhause lieber auf Nummer sicher. Zum Abschluss der Feierlichkeiten wurde Paul Wranitzkys Oberon gegeben, in dessen Wiener Uraufführung Josepha Hofer die Titelpartie gesungen hatte.

      In der freien Reichsstadt Frankfurt wurden die Kaiser gekrönt, und die Bürger leisteten sich Repräsentatives, Theater und Konzerte. Im biederen Nürnberg gab es nur ein in seiner Bausubstanz marodes Theater. Nach der Sommerpause 1791 zog die Häußlersche Truppe, die auch einige Male in Erlangen gespielt hatte, weiter und mit ihr Fridolin. Vater und Stiefmutter blieben, und aufs Neue gründete Franz Anton eine eigene Truppe, nachdem er zwischenzeitlich versucht hatte, etwas Geld als Lehrer für Gesang und Italienisch zu verdienen. Eine Sprache, die Genovefa sicherlich viel besser konnte als er, war sie doch seinerzeit von keinem geringeren als Kaiser Joseph II. in Neapel entdeckt und nach Wien geschickt worden, »als ein armes Ding, das nicht einmal das tägliche Brot zu essen hat. Doch soll sie Stimme und Talent haben und den Vorzug, das Italienische vollkommen zu beherrschen und könnte also in beiden Sprachen Dienste leisten.«9 Wie sie aus dem Allgäu dorthin gelangt war, weiß man nicht; es hatte sicherlich mit zwei Tanten von ihr zu tun, die nach Italien ausgewandert waren. Allerdings hatte Franz Antons erste Frau Maria Anna, eine geborene von Fumetti, italienische Vorfahren gehabt, sodass er möglicherweise auch durch sie mit dieser Sprache vertraut war. Sie war übrigens eine echte Adlige, und so mag die Eheschließung mit ihr vielleicht ein Motiv für Franz Antons Titelschwindel gewesen sein, der erstmals in den Hildesheimer Geburtsdokumenten der gemeinsamen Kinder nachzuweisen ist.

      Ganz bestimmt konnte Franz Anton ein wenig Französisch, denn Laurent Chellart, sein Großvater mütterlicherseits, war aus der Bretagne nach Freiburg gekommen. Franz Antons Mutter schrieb sich allerdings schon eingedeutscht Maria Eva Schlar. In Freiburg, das dieser Tage auch zu Vorderösterreich gehörte, gab es viele Franzosen. Auch waren Stadt und Umgebung oft Austragungsort politischer Spannungen zwischen dem Haus Habsburg und Frankreich gewesen. Solche Auseinandersetzungen schienen jetzt wieder bevorzustehen, wenn auch unter anderen Vorzeichen als früher. Ende August 1791 hatten sich im gerade erst aufwendig erweiterten Schloss Pillnitz am Elbufer oberhalb von Dresden Leopold II. und der preußische König Friedrich Wilhelm II. getroffen, um über die polnische Frage und den Türkenkrieg zu verhandeln. Nicht zuletzt auf Druck französischer Emigranten kam es dabei zur Pillnitzer Erklärung, in der die beiden führenden mitteleuropäischen Monarchen versicherten, dem König von Frankreich, Leopolds Schwager, die Rechte wieder erstreiten zu wollen, die er durch die Revolution verloren hatte.

      Das neue Ensemble Franz Antons spielte ab November 1791 im baufälligen »Reichsstädtischen Opernhaus«, das die Nürnberger »Nachtkomödienhaus« nannten, weil es immerhin Beleuchtungsvorrichtungen hatte. Der kleine Carl Maria war nun fast fünf Jahre alt, und die Frage, ob das Kind ein Instrument lernen solle, wurde nicht gestellt, sie war von vornherein beantwortet. Eine angebliche Neigung zum Malen und Zeichnen, durchaus auch theatertaugliche Fertigkeiten, musste in den Hintergrund treten. Selbstverständlich sollte das familiäre Metier – so etwas wie Schulpflicht gab es ohnehin noch nicht – auch die Zukunft des kleinen Sohnes sein. Geigen- und Klavierstunden bekam er vom Vater und von Halbbruder Fridolin, der sich wieder von Häußler getrennt hatte. Sicher lernte er auch andere Instrumente kennen, selbstverständlich die Gitarre, mit der sich Darsteller bei Liedeinlagen auf der Bühne selbst begleiten konnten. Jenseits der Musik dürfte den jüngsten Weber vor allem die Illusion der Bühne fasziniert haben, wenn auch die väterlichen Aufführungen im Hinblick auf Maschinerie, Prospekt- oder Kostümpracht und Theatereffekte vermutlich recht bescheiden waren. Seit der Gründung der »Gesellschaft deutscher Schauspieler«, wie sich die neue Webersche Kompanie nannte, wirkte Carl Maria in Kinderrollen mit. Auf dem Theaterzettel stand »der kleine Carl Weber«, wenn er in August von Kotzebues vielgespieltem Rührstück Menschenhaß und Reue auftrat, in dem eigentlich sogar »zwei Kinder von vier bis fünf Jahren« vorgesehen waren, oder als »Fritz, ein kleiner Knabe« in Der schwarze Mann, einer Posse von Friedrich Wilhelm Gotter.

      Irgendwann vor Weihnachten 1791 erfuhr man auch in Nürnberg, dass Mozart am 5. Dezember in Wien gestorben war. In den letzten Stunden hatte meistens Sophie, die jüngste seiner Weber-Schwägerinnen, am Krankenbett gesessen; sie war 29 Jahre alt und ledig. Josepha Hofer, die älteste, hatte Ende September in der Partie der Königin der Nacht nicht geringen Anteil am Erfolg der Uraufführung von Mozarts Zauberflöte gehabt, einer »Deutschen Oper in zwei Aufzügen«. Das Werk war festlich und volkstümlich, singspielhaft und virtuos und im Begriff dauerhaft populär zu werden wie kein deutsches Musiktheaterwerk zuvor.

      Zu Beginn des neuen Jahres stießen Jeanette und Vincent Weyrauch wieder zur väterlichen Truppe, etwas später auch Edmund und Josepha Weber, sodass aufwendigere Stücke gegeben werden konnten. Weyrauch sang auch komische Basspartien und konnte die Titelpartie von Dittersdorfs beliebtem Hieronymus Knicker übernehmen. Auch Nicholas-Marie Dalayracs Nina und deutsche Fassungen anderer französischer Werke waren Säulen des Repertoires. Allerdings ließ die obligatorische Spielpause nach dem plötzlichen Tod Leopolds II. im März das ohnehin knappe Geld noch knapper werden.

      Im Sommer spielten die Weberschen auch in Erlangen. Die Stadt, nicht weit von Nürnberg und umgeben von reichsstädtischem Territorium, war eine Exklave des Bayreuther Fürstentums, das Markgraf Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach erst vor kurzem an Preußen verkauft hatte. Er hatte in zweiter Ehe die englische Schriftstellerin Elizabeth Craven geheiratet, die unter anderem auch Theaterstücke schrieb. Als Tochter des Earl of Berkeley war sie durchaus eine standesgemäße Partie. Die für die deutsche Kleinstaaterei bedrohlichen Zeichen der Zeit erkennend, war er mit ihr nach Benham Park in Berkshire gezogen, einem für alt-fränkische Verhältnisse hochmodernen Landsitz. In Erlangen hinterließ er ein schönes barockes Theater, dort spielten die Webers Ende August 1792 Nicht mehr als sechs Schüsseln, ein »Familiengemälde« in fünf Aufzügen von Gustav F. Großmann, eine höchst erfolgreiche gesellschaftskritische Komödie. Großmann war ein norddeutscher Theaterunternehmer, bei dem auch Jeanette und ihr Mann einige Zeit engagiert gewesen waren; nun war er Hofschauspieler in Hannover, wo er als Sympathisant der französischen Revolutionäre eines Tages Berufsverbot bekommen sollte.

      In

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<p>6</p>

Vgl. Frank Ziegler: Die Webers in Regensburg?, in: Weberiana 20 (2010) S. 196-200.

<p>7</p>

Otto Erich Deutsch/Joseph Heinz Eibl (Hg.): Mozart – Dokumente seines Lebens, Kassel 1981(2), S. 153.

<p>8</p>

Wolfgang Hildesheimer (Hg.): Mozart. Briefe, Frankfurt 1975, S. 155.

<p>9</p>

Kaiser Joseph II. an Graf Orsini Rosenberg, zit. nach Ernst Rocholl: Carl Maria von Weber und seine Mutter Genovefa von Weber geb. Brenner. Lebensstationen (Ausstellungsdokumentation), Marktoberdorf 1999, S. 18.