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künst­le­ri­schen Vor­bild in die Sphä­re des großen Gestir­nes Hil­de­brand ge­zo­gen und trug seit­dem das »Pro­blem der Form« wie eine Fah­ne vor sich her. Eine große Rund­fi­gur im Hil­de­brand­schen Sin­ne zu schaf­fen war sein glü­hends­tes Ver­lan­gen. Al­lein er hat­te mit dem Meis­ter nur das Ge­setz­mä­ßig ge­mein; die Un­mit­tel­bar­keit der Be­we­gung, worin je­ner so ein­zig groß war, weil sie aus der Sin­nen­haf­tig­keit der An­la­ge floss, fehl­te dem Jün­ger oder ging doch leicht in dem Be­mü­hen, sie mit der Leh­re der Re­lief­wir­kung in der Rund­plas­tik in Ein­klang zu brin­gen, ver­lo­ren, wo­bei dann häu­fig am Ende eine in der An­ord­nung rich­ti­ge, aber in der Be­we­gung nicht über­zeu­gen­de Fi­gur da­stand, der es in ih­rer Haut nicht ganz wohl zu sein schi­en. Mit im­mer er­neu­ten feu­ri­gen An­läu­fen, de­nen nie der Adel der Kunst­ge­sin­nung aber oft ge­nug die glück­li­che Hand des Voll­brin­gens fehl­te, rang er um die­sen im­mer wie­der ent­schwin­den­den Kranz, und die mit­er­le­ben­den Freun­de teil­ten im­mer aufs neue Hoff­nung und Ent­täu­schung. Die eine Kunst aber, in der ihn nie­mand über­traf, die des Sti­chels, den er nach Art der Al­ten meis­ter­lich hand­hab­te, be­frie­dig­te ihn nicht; sei­ne Me­dail­len, an die er einen un­er­müd­li­chen Fleiß wand­te, dar­un­ter ein Zy­klus der Jah­res­zei­ten, in Sil­ber ge­ar­bei­tet, von sel­te­ner Poe­sie der Er­fin­dung bei größ­ter Fein­heit der Aus­füh­rung, be­deu­te­te ihm kei­nen Er­satz für das sich ver­sa­gen­de Grö­ße­re, wenn sich auch dar­über strei­ten lässt, was das äu­ße­re Maß mit der in­ne­ren Grö­ße zu tun hat.

      In den Zei­ten, wo es so in ihm wühl­te, ver­lor er die Herr­schaft über sich, und dann wur­de, wer in sei­ne Nähe kam, ge­kränkt und ver­letzt. Aber wenn die schwar­zen Ra­ben von ihm ablie­ßen, hat­te man wie­der den ein­ge­hends­ten, hilf­reichs­ten Freund, der nie mit Zeit und Kraft karg­te, wo es den Freun­den zu die­nen galt. Vor al­lem gab es kei­nen bes­se­ren Wan­der­ka­me­ra­den; bei sei­nem star­ken Orts­sinn und großen prak­ti­schen Ge­schick war man völ­lig si­cher, sich we­der in dich­ten Wäl­dern noch in pfad­lo­ser Berg­wild­nis zu ver­ir­ren, und kei­ne kah­le Berg­flan­ke war so aus­ge­brannt, er fand noch, wenn auch kei­nen Was­ser­lauf, so doch ir­gend­ei­ne tie­fe Fels­kluft, aus der sich ein Klum­pen feuch­ter Wal­der­de zur Küh­lung der Hand­ge­len­ke her­auf­ho­len ließ. Denn er war im Wohl­tun er­fin­de­ri­scher als ir­gend­wer. Nur durf­te er sich nicht über­mü­den, sonst ga­ben sei­ne Ner­ven nach; dann verd­arb er aus bö­ser Lau­ne sich und an­de­ren den Tag. Was ich ihm ne­ben der per­sön­li­chen Be­reit­schaft am höchs­ten an­rech­ne­te, war sei­ne in­ne­re Ver­bun­den­heit mit dem Grie­chen­tum, in dem auch er die nur ein­mal voll er­blüh­te Blu­me der Mensch­heit sah. Man muss­te sich an sei­ner Er­grif­fen­heit freu­en, wenn man mit ihm vor dem Del­phi­schen Wa­gen­len­ker im Archäo­lo­gi­schen Mu­se­um stand oder wenn man ge­mein­sam auf ei­ner Berg­spit­ze der Apua­ni­schen Al­pen den Aga­mem­non des Äschy­los las und da­bei im Geis­te die Feu­er­bot­schaft vom Bran­de Tro­jas von Gip­fel zu Gip­fel flam­men sah. Un­ter dem jün­ge­ren Künst­ler­volk, das über die bil­den­de Kunst nicht hin­aus­dach­te, war er der ein­zi­ge, dem die Er­kennt­nis auf­ging, dass es eine äl­te­re, hö­he­re Schwes­ter­kunst gab, die ma­kel­los und voll­kom­men aus dem Haup­te des Got­tes ge­stie­gen war, als die an­de­ren noch in der Un­form ge­bun­den la­gen. Er nahm auch mit auf­ge­schlos­se­nem Sinn an mei­nen Ar­bei­ten teil und ging mir bei Lö­sung mei­ner Auf­ga­ben zur Hand, in­dem er, wie es spä­ter un­ser Tho­le tat, sach­li­che Zwei­fel be­hob, mir die Land­schafts­stu­di­en er­leich­ter­te und nach Be­darf auch er­fun­de­ne Ört­lich­kei­ten na­tur­ge­mäß auf­bau­en half. Auf der Su­che nach land­schaft­li­chen und bau­li­chen Be­son­der­hei­ten, die sich zu et­wai­ger Ver­wer­tung im Skiz­zen­buch fest­hal­ten lie­ßen, wur­de man­che selt­sa­me Ent­de­ckung ge­macht, so ei­nes Ta­ges der ver­steck­te Wohn­sitz ei­nes Ti­mon, der in Stein die er­bau­li­che In­schrift trug:

      Ami­ci - ne­mi­ci (Freun­de sind Fein­de)

      Fra­tel­li - col­tel­li (Brü­der sind Mes­ser)

      Pa­ren ti - ser­pen­ti (Ver­wand­te sind Schlan­gen)

      Cu­gi­ni - as­sas­si­ni (Vet­tern sind Meu­chel­mör­der)

      Ein treff­li­ches The­ma für Ei­nen, der oh­ne­hin den Men­schen nicht zu viel Gu­tes nach­sag­te.

      So­mit bin ich auch die­sem Freun­de für sei­nen tä­ti­gen An­teil an mei­nem Schaf­fen Dank schul­dig ge­wor­den, weil er mit dem schar­fen Blick und der Lie­be des Sil­ber­ste­chers in al­les Klei­ne und Kleins­te der künst­le­ri­schen Ge­stal­tung ein­drang, so­dass es für die Ein­zel­hei­ten kei­nen spür­sa­me­ren Be­ra­ter ge­ben konn­te als ihn, wo­ge­gen ihm frei­lich in der Dicht­kunst wie im Le­ben die Über­schau über ein Gan­zes schwer­fiel. Zu­vor war mein ers­ter Ab­neh­mer mei­ne Mut­ter ge­we­sen. Sie be­fand sich im um­ge­kehr­ten Fall. Zwei­fel­spunk­te konn­te ich mit ihr nicht be­spre­chen, ihr nur das ent­schie­den Fer­ti­ge vor­le­gen, denn ihr wei­ter Sinn sah nur Gan­zes, die Tei­le gin­gen in der Ge­samt­wir­kung un­ter, und dass die Kunst im­mer wie­der von der Na­tur her be­rich­tigt und be­rei­chert wer­den will, war ihr, der nicht Aus­üben­den, kei­ne per­sön­li­che Er­fah­rung. Die bei­den Geis­ter wa­ren ge­bo­re­ne An­ti­po­den und konn­ten sich dar­um auch mit den Jah­ren im­mer we­ni­ger ver­ste­hen. Dem su­chen­den Jüng­ling war sie mit ih­rer gan­zen müt­ter­li­chen Wär­me ent­ge­gen­ge­kom­men, dass aber der wer­den­de Mann noch im­mer nicht zu sich sel­ber fand, das ent­frem­de­te ihm ihr Herz. Sei­ne un­be­herrsch­ten Stim­mun­gen und das dau­ern­de Auf und Nie­der mach­ten sie see­krank. Sie sah zwar ein, dass ei­ner, der mit sich selbst und sei­nem Schaf­fen un­zu­frie­den ist, kein gleich­mä­ßig lie­bens­wür­di­ger Ge­sell­schaf­ter sein kann, aber sie fand, dass ein sol­cher kein Recht habe, an­de­re, glück­li­cher Ver­an­lag­te mit sei­nen Zu­stän­den in Schre­cken zu set­zen. Wer ihm für so­viel Lie­bes­diens­te zu dan­ken hat­te wie ich, ur­teil­te nach­sich­ti­ger, und vor al­lem hieß es auf der Hut sein mit ei­ner Na­tur, die see­lisch im­mer­zu auf der Kip­pe stand und bei der die Fol­gen ei­nes un­be­dach­ten Wor­tes nicht ab­zu­se­hen wa­ren.

      In be­son­ders ängst­li­chen Kri­sen war es das Si­chers­te, wenn man den über­be­schäf­tig­ten Ed­gar zu ei­nem un­ver­fäng­li­chen Be­such in der Werk­statt des Ge­fähr­de­ten ver­an­las­sen konn­te. Der fein­ner­vi­ge Arzt, der sel­ber in sei­ner Dich­ter­brust alle Mond­wech­sel trug, ver­stand es am bes­ten, mit dem schwan­ken­den Gleich­ge­wicht um­zu­ge­hen. Aber es war klar, dass nie­mand auf die Dau­er hel­fen konn­te, auch Hil­de­brand nicht, der gleich­falls auf­ge­bo­ten wur­de, bis der Rin­gen­de sich mit sei­nen For­de­run­gen an sich selbst in Ein­klang ge­setzt ha­ben wür­de. Man konn­te nur die Fol­gen sei­nes Tuns von ihm ab­wen­den, Freun­de, die er ver­letzt hat­te, ihm in der Stil­le ver­söh­nen und ab­ge­sto­ße­ne Gön­ner zu­rück­ge­win­nen, wozu auch mei­ne gute Mut­ter, wenn ihr sei­ne Art noch so sehr wi­der­streb­te, doch im­mer wil­lig die Hand bot.

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      »Willst du zur Koh­le ver­glühn, so rat ich im Som­mer Flo­renz dir«, hat­te Pla­ten sei­ner­zeit ge­sun­gen, und die­se War­nung be­stand in den Jah­ren, von de­nen ich er­zäh­le, noch zu Recht. Die da­ma­li­gen end­los glü­hen­den, re­gen­lo­sen Som­mer in der Stadt stell­ten mich vor eine im­mer schwie­ri­ger zu lö­sen­de Fra­ge. Wenn Ed­gar

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