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wei­ter un­ten:

       Nie­mals sagst du dem, was in dir ist,

       Wer auf dir weint.

      Eben­so in »Blu­men­kind« der Find­ling, der nicht sa­gen will: »Mein Müt­ter­lein ist tot«, son­dern: »Ich bin der Sohn der Erde«, weil ein we­nig Erde das Grab zu­deckt. Es ist, als müss­te durch sol­che Aus­wei­chun­gen der Schmerz ein­ge­schlä­fert wer­den, eine Re­gung, die nach­zu­füh­len nur den zar­te­ren und tiefe­ren See­len ge­ge­ben ist.

      Ein Lied von sü­ßes­ter Schön­heit ist das »Heu«. In die­sem Lied hat die un­be­wuss­te Kunst einen ih­rer höchs­ten Gip­fel er­reicht. Zwei ver­wand­te Leit­ge­dan­ken: das Wel­ken der ge­mäh­ten Blu­men und das Wel­ken der Ju­gend, spie­len schil­lernd um­ein­an­der, und über dem Gan­zen liegt die won­ne­vol­le Weh­mut des schei­den­den Hoch­som­mers. Das Heu singt, nach­dem es sei­nen letz­ten Tau ge­trun­ken hat und von den Mäd­chen in Schlaf ge­sun­gen wur­de:

       Blu­men, die noch in mir sind von ges­tern,

       Ha­ben Raum ge­macht den Blu­men

       Mor­gen,

       Und die Mäd­chen, die zu mei­nem Tod ge­sun­gen,

       Weil sie Ju­gend ha­ben,

       Wer­den wei­chen all den Mäd­chen,

       Die da kom­men.

       Ihre See­le wird wie mei­ne See­le

       Voll von Düf­ten blei­ben,

       Und die Mägd­lein, die erst mor­gen kom­men,

       Wis­sen nim­mer, dass auch ich ge­blüht.

       And­re Blu­men wer­den sie er­bli­cken – –

      Und so fort bis zu dem in tie­fen Moll­tö­nen ver­klin­gen­den Schluss, der das ge­trös­te­te Auf­ge­hen in die ver­nich­ten­de und neu­ge­bä­ren­de Na­tur aus­spricht. Ein Duft steigt aus die­sem Ge­dicht her­vor, süß und be­rau­schend wie aus son­ne­durch­tränk­tem Heu.

      Am ge­wal­tigs­ten wird die Un­mit­tel­bar­keit, wo das In­ners­te der weib­li­chen See­le sich of­fen­bart; auch sind die Lie­der in der Mehr­zahl Frau­en in den Mund ge­legt, ja noch mehr, sie sind alle in ih­rer Grund­hal­tung weib­lich emp­fun­den. Aber nicht die Lie­be zum Mann er­scheint als Mit­tel­punkt des Frau­en­le­bens, son­dern wie in mei­ner »Car­lot­ta« der Ur­trieb nach Mut­ter­schaft. Uner­schöpf­lich und mit ent­zücken­der Nai­vi­tät kehrt die­ses The­ma wie­der, so in dem Ge­dicht »Fra­gen«, wo die Tote nach al­lem fragt, was auf Er­den ge­schieht, und end­lich:

       Schwes­ter, hast du groß Ver­lan­gen

       Nach des Gat­ten Kuss?

      Und das Mäd­chen ant­wor­tet:

       Ja, von sel­ber lan­gen mei­ne Arme

       Nach den klei­nen Kin­dern.

      Da wen­det sich die Tote ab:

       Schwes­ter, Schwes­ter, du hast nicht mehr mein ge­dacht.

       Von der Erde nichts er­zäh­le mir,

       Denn man denkt nur an die Zu­kunft dort.

      Noch hin­rei­ßen­der tritt die­ses Ele­ment her­aus in der Kla­ge der Un­frucht­ba­ren, mit der die Nes­ter Mit­leid ha­ben. Ihr ist der Un­ge­bo­re­ne im­mer ge­gen­wär­tig:

       Den­noch lebt er in mir, wird mir nur nim­mer ge­bo­ren,

       Nichts darf von ihm ich be­ses­sen ha­ben als Seh­nen.

      Eben­so, aber mit ganz neu­en Bil­dern in »Kin­der­los« und am stärks­ten in »Fehl­ge­burt«, dem über­ra­schends­ten Ge­dicht der gan­zen Samm­lung, von des­sen Grö­ße und Ur­sprüng­lich­keit ein ein­zel­ner her­aus­ge­ho­be­ner Vers gar kei­nen Be­griff ge­ben könn­te.

      Wenn der Trieb zur Mut­ter­schaft ganz un­ver­hüllt in der Ma­je­stät und Un­schuld der Na­tur her­vor­tritt, so birgt sich da­ge­gen die Lie­be der Ge­schlech­ter un­ter dem Schein zar­tes­ter Zu­rück­hal­tung:

       Der, von dem ich zu dir rede, wenn ich schwei­ge,

       Der ist’s, den ich lie­be.

      Doch die­se Scheu ist kei­ne über­sitt­li­che, das Na­tur­recht der Lie­be be­steht da­ne­ben. Die Ge­fal­le­ne wird zwar von al­len Le­ben­den ver­ur­teilt, aber die Grä­ber spre­chen sie frei:

       Die Grä­ber spre­chen zu der Lie­be: Sei ge­seg­net

       Ob all der Früch­te die du trägst,

       Und fra­gen nicht: Wie trägst du die­se Früch­te?

      Die Na­tur al­lein hat in die­sen Lie­dern das Wort, sie wan­delt in un­er­müd­li­chem Wech­sel das Wer­den und das Ver­ge­hen, den Tod und die Lie­be ab. Urei­ge­ner und er­grei­fen­der ist nie der Sol­da­ten­tod be­sun­gen wor­den als in dem Ge­dicht »Ich bin zu­frie­den«. Ein Ein­gangs­vers, der am Schluss wie­der­holt wird und schein­bar in kei­nem Zu­sam­men­hang mit dem In­halt steht, lei­tet die­ses Ge­dicht wie die an­de­ren ein. Er stellt gleich­sam das Ele­ment dar, wor­aus das Ge­dicht ge­bo­ren ist:

       Ich hat­t’ eine Spin­del von Ha­sel­holz,

       Die Spin­del die fiel bei der Müh­le ins Was­ser,

       Und nim­mer­mehr brin­gen die Was­ser sie wie­der.

      Hier drückt die da­von­ge­tra­ge­ne Spin­del, die mit dem Sol­da­ten nichts zu tun hat, nur die Un­wie­der­bring­bar­keit des Ein­zel­lo­ses aus, das der große Strom hin­un­ter­nimmt. Von höchs­ter Schön­heit ist der Kern des Ge­dichts, das er­füll­te Ge­setz in der Brust des Tap­fe­ren, der im Grab zu­frie­den ist und dem rei­chen Le­ben, das über sei­nem Haup­te wei­ter­geht, nicht nach­trau­ert. Es ist eine an­ti­ke Grö­ße und Sch­licht­heit wie in der Grab­schrift der drei­hun­dert Spar­ta­ner; ohne Groß­han­se­rei, ohne den min­des­ten pa­the­ti­schen Schwung geht die Poe­sie ih­ren ru­hi­gen Gang bis zu dem über­wäl­ti­gen­den Schluss, wo dem für sei­ne Hei­mat Ge­fal­le­nen auch noch der Wunsch­traum des lan­gen An­den­kens ge­nom­men wird:

       Denn der Früh­ling ist da, es lä­chelt die Erde,

       Wir müs­sen die To­ten ver­ges­sen.

       Da sprach der Sol­dat aus des Gra­bes Grund:

       Ich bin zu­frie­den.

      Von ge­ra­de­zu über­wäl­ti­gen­der Neu­heit ist das Ge­dicht »Der Mör­der«. Hier sieht man das Ge­sicht, das die voll­brach­te Tat an­nimmt, nach­dem der Um­schlag in der See­le des Tä­ters ein­ge­tre­ten ist. Es blickt mit den Au­gen des Ge­mor­de­ten und um so grau­en­vol­ler, als die­se Au­gen freund­lich bli­cken, denn die bei­den, der Mör­der und sein Op­fer, ge­hö­ren jetzt auf ewig zu­sam­men und wan­deln alle Wege ge­mein­sam, nur sie bei­de wis­sen von­ein­an­der. Nie­mand klagt ihn an, aber er sel­ber muss je­den Be­geg­nen­den fra­gen: Hast du ihn ge­kannt? Und die an­de­ren fra­gen zu­rück: Von wem willst du denn re­den? Wun­der­bar ist das kran­ke Ge­wis­sen ge­malt in den We­gen die sich wun­dern, dass er noch nicht müde ist, in dem Brun­nen, der ihn gern trän­ken möch­te, in der Nacht die ihn frägt, warum er nicht schla­fen kann, und in all den freund­li­chen ah­nungs­lo­sen Din­gen, de­nen er un­wirsch zur Ant­wort gibt: Lasst mich. – Die Fu­ri­en mit der Schlan­gen­gei­ßel sind eine harm­lo­se Er­fin­dung ge­gen den im­mer­ge­gen­wär­ti­gen sanft­bli­cken­den An­de­ren.

      Die ge­wähl­ten Bei­spie­le lie­ßen sich be­lie­big fort­set­zen,

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