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ver­lie­hen wor­den. Ganz ent­ge­gen dem Ver­hal­ten mei­ner Mut­ter, die eine Frei­herrn­kro­ne ab­leg­te und sich Bür­ge­rin Brun­now nann­te, be­hielt Mal­wi­da den neu­ver­lie­he­nen Adel bei, auch als ihre Fa­mi­lie sie bei ih­rer re­vo­lu­tio­nären Pro­pa­gan­da er­such­te, sich für die­se, ihre An­ge­hö­ri­gen schä­di­gen­de Tä­tig­keit ih­res ehe­ma­li­gen bür­ger­li­chen Na­mens zu be­die­nen. Der Fall lag also um­ge­kehrt, und ich muss­te dem Ge­währs­mann ver­spre­chen, den Irr­tum zu be­rich­ti­gen, da­mit die große Na­tur mei­ner Mut­ter durch die falsche par­al­le­le nichts von ih­rer Ein­zig­ar­tig­keit ein­bü­ße. Doch ist ge­wiss Mal­wi­da durch Wei­ter­füh­rung ei­nes Adelsprä­di­kats, das zu je­ner Zeit noch mehr Glanz ver­lieh als heu­te, ih­rer Sa­che nütz­li­cher ge­we­sen, als wenn sie ihr als schlich­tes Fräu­lein Ri­va­lier ge­dient hät­te, und das mag ihr Ver­hal­ten mit er­klä­ren. <<<

      3 Zu­erst bei Her­mann See­mann, Leip­zig, er­schie­nen, dann von Cot­ta Nach­fol­ger über­nom­men, 1928 un­ter dem Ti­tel »Aus frü­hen Ta­gen« in der Va­ter­län­di­schen Ver­lags- und Kunst­an­stalt, Ber­lin, ver­mehrt her­aus­ge­ge­ben. <<<

      4 Spä­ter dem Bänd­chen »Aus frü­hen Ta­gen« er­gän­zend ein­ver­leibt. <<<

      Zu An­fang des Jah­res, das auf die­sen be­weg­ten Herbst folg­te, starb Alt­ho­fen. Die Nach­richt er­reich­te mich völ­lig un­vor­be­rei­tet bei ei­nem Auf­ent­halt in Rom.

      Wie viel auch ein Mensch von To­de­sah­nun­gen spre­chen möge – so­lan­ge er in der Fül­le des Le­bens da­steht, glaubt man ihm nicht, denn das Le­ben muss ewig den Tod ver­nei­nen. Dass ich den­noch tief in­nen die­ses frü­he Ende vor­aus­ge­wusst hat­te, stand auf ei­nem an­de­ren Blatt, es ge­hör­te nicht in das wa­che Ta­ges­be­wusst­sein. Jetzt ver­stand ich, dass die im­mer wie­der­hol­ten düs­te­ren Pro­phe­zei­un­gen kei­ne blo­ßen Gril­len ge­we­sen wa­ren, son­dern dass der Tod sel­ber aus dem ver­mes­se­nen Zei­chen­stift neck­te und scherz­te, als er das fre­vel­haf­te Spiel mit dem To­ten­kopf, sei­nem ei­ge­nen, spiel­te. Auch dass er die ge­fühls­mä­ßi­ge Über­zeu­gung von der Kür­ze sei­nes Le­bens nur in Frau­en­ge­sell­schaft äu­ßer­te, am meis­ten da, wo er sich am un­be­denk­lichs­ten gab, wur­de klar, weil der Mann sein In­ne­res nicht leicht vor dem Ge­schlechts­ge­nos­sen ent­hüllt, von dem er nur in den sel­tens­ten Fäl­len ein Ein­füh­len in so schwe­ben­de Zu­stän­de er­war­ten kann. Zu­gleich lös­ten sich noch an­de­re Rät­sel, mit de­nen die­se pro­ble­ma­ti­sche Na­tur sich um­ge­ben hat­te, und was Ed­gar spä­ter von dem be­han­deln­den Arzt über den Fall er­fuhr, leg­te den Ge­dan­ken nahe, dass der Tod viel­leicht nicht das schlimms­te der Übel war, die ihn be­droh­ten. Aber wie sinn­los al­les Vor­aus­den­ken, Ab­wen­den­wol­len, Plä­ne­ma­chen, wo doch je­den Au­gen­blick die schwar­ze Ku­gel her­an­rol­len kann, die al­les ins Nicht­ge­we­se­ne ver­kehrt.

      Wenn sich in ein Freun­des­zer­würf­nis das Ster­ben mischt, so hat im­mer der Ab­ge­schie­de­ne das bes­se­re Recht. Der Über­le­ben­de ist ja noch im Be­sitz und sieht den an­de­ren um das ver­kürzt, was im­mer al­les neu­ge­stal­ten und gut­ma­chen kann: das Le­ben. Und gern ver­gisst er nun, was von der an­de­ren Sei­te ge­fehlt wur­de. Wie vie­le Stö­run­gen der Ver­stor­be­ne auch in das freu­di­ge Ein­ver­ständ­nis des Zu­sam­men­schaf­fens ge­bracht, er war doch das Werk­zeug ge­we­sen, des­sen das Schick­sal sich be­dien­te, um mich zu mir selbst zu füh­ren und mein fla­ckern­des Stre­ben zur Ste­tig­keit zu ge­wöh­nen. War er auch nur wie eine star­ke Wel­le in mei­nem Le­ben an­ge­rauscht und schnell zer­ron­nen, so hat­te die Be­geg­nung doch ge­nügt, mein Schiff von der Sand­bank, wo es fest­ge­fah­ren war, zu lö­sen. Es war auch ein tie­fes Er­bar­men um Schö­nes und Wert­vol­les, was zu­grun­de ging, und um einen Ehr­geiz, der jetzt nicht die kleins­te Be­frie­di­gung mehr fin­den konn­te. Ich habe mich nach­mals lan­ge be­müht – und die ein­fluss­reichs­ten mei­ner Freun­de in Deutsch­land mit mir, vor­an mein al­ter Gön­ner Fried­rich Theo­dor Vi­scher, der da­mals in Kunst­sa­chen das ers­te Wort hat­te, und eben­so sein kunst­phi­lo­so­phi­scher An­ti­po­de Lud­wig Pfau –, für das Aqua­rel­len­werk, an dem der Ver­stor­be­ne mit so­viel Ei­fer ge­ar­bei­tet hat­te, einen Ver­le­ger zu fin­den, was er sel­ber zu mei­nem Er­stau­nen ver­säumt hat­te. Es ge­lang nicht, weil die far­bi­ge Ver­viel­fäl­ti­gung zu kost­spie­lig ge­we­sen wäre, und als gar die fo­to­gra­fi­sche Wie­der­ga­be der Ori­gi­na­le mög­lich wur­de, war an eine Her­aus­ga­be nicht mehr zu den­ken. So blieb dem Gren­zen­lo­ses Wol­len­den so­gar der kleins­te post­hu­me Er­folg ver­sagt! Mit dem Tode Alt­ho­fens brach auch das Werk in Stücke, das ich mit so­viel Lie­be und Aus­dau­er un­ter­mau­ert hat­te. Stö­ße von Ma­nu­skript war­te­ten auf die Fort­set­zung, aber die Hand, die den bild­ne­ri­schen Teil zu ge­stal­ten hat­te, mo­der­te im Grab. Ich klopf­te bei Er­win an, ob er da­für zu ha­ben wäre, an die Stel­le des Ver­stor­be­nen zu tre­ten. Als gu­ter Bru­der, der er war, sag­te er zu, aber mit Seuf­zen, denn der Vor­schlag war ihm fremd und er­weck­te kei­nen in­ne­ren An­teil. Er hat­te recht, er war ja kein Gra­fi­ker, er war Bild­hau­er, au­ßer­dem hat­te er für Ge­schicht­li­ches so we­nig Sinn wie sein Leh­rer Hil­de­brand, we­nigs­tens zu je­ner Zeit; spä­ter hat er die Lücken auf die­sem Ge­biet durch un­er­müd­li­ches Le­sen aus­ge­füllt. Nein, das Un­ter­neh­men, auf dem mei­ne Hoff­nung durch drit­t­halb Jah­re ge­stan­den, war nicht zu ret­ten. Ob es nicht auch ohne das Zeich­ne­ri­sche gin­ge, die­se Fra­ge warf sich mir gar nicht auf, so fest war mir von An­be­ginn der Ge­dan­ke an den Bild­schmuck ein­ge­brannt. Ne­ben dem Gra­be, das so­viel Be­ga­bung und Ehr­geiz ver­schlun­gen hat­te, lag ein zwei­tes, un­sicht­ba­res, in das ich hilf­los hin­un­ter­starr­te. Der Tod war jetzt über­all, denn er war in mei­nem Werk.

      Aber die Hil­fe kam; sie kam aus mei­nem ei­ge­nen In­ne­ren. Schon bei den bio­gra­fi­schen Ent­wür­fen wa­ren mir un­ge­ru­fen no­vel­lis­ti­sche Ein­ge­bun­gen durch den Sinn ge­gan­gen, die zu­rück­ge­drängt wer­den muss­ten. Jetzt mel­de­ten sie sich stär­ker; aus dem Trüm­mer­hau­fen drang es wie lei­ses Glo­cken­läu­ten, aber es wa­ren kei­ne Trau­er­glo­cken mehr: die »Flo­ren­ti­ner No­vel­len« bra­chen ins Le­ben.

      Hier zeig­te sich’s nun so­gleich, dass er­fun­de­ne Vor­gän­ge und Ge­stal­ten mei­ne Fe­der ganz an­ders be­schwing­ten als das Wei­ter­tas­ten im Er­forsch­ten, dem ich nichts Ei­ge­nes hin­zu­brin­gen durf­te; ge­schicht­li­che und kul­tur­ge­schicht­li­che Ge­ge­ben­hei­ten wa­ren jetzt nur das hoch­wer­ti­ge Plas­ma, um Men­schen­ge­schick dar­aus zu for­men; Zeit und Ort ga­ben einen Rah­men, der wir­kungs­vol­ler nicht zu den­ken war. Und die Mo­del­le samt ih­rer Re­de­wei­se und ih­ren Ges­ten fand ich un­ter den le­ben­den Flo­ren­ti­nern, die mir je­weils Züge ih­res We­sens las­sen muss­ten um die Züge ih­rer Vor­fah­ren zu bil­den, denn es war das Reiz­vol­le die­ser al­ten, nicht ab­ge­ris­se­nen Kul­tur, dass die mensch­li­chen Ty­pen sich er­hal­ten hat­ten.

      Die Ge­schich­te der le­ben­dig be­stat­te­ten und wie­der auf­er­stan­de­nen Gi­nevra deg­li

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