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Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Год выпуска 0
isbn 9788075835246
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Noch eine also. Und ich hätte doch so gern festgestellt, in welcher Tiefe ich als blutiger Haufen Knochen und Fleisch gelandet wäre, wenn die gütige Mutter Natur in ihrer Vielgestaltigkeit nicht diese grüngelben Sprungtücher hier ausgespannt gehabt hätte.
Die Mondsichel verschwand hinter dem weißen Strich des Andenkammes, zauberte dort in weißer Höhe noch wunderbarere Beleuchtungseffekte hervor und verabschiedete sich endgültig. Es war hier unten nun wirklich finster. Ich begann zu frieren. Meine Wolldecke lag irgendwo weiter oben. Auch der aus dem Abgrund emporsteigende Gestank belästigte mich.
Wenn ich noch Kognak gehabt hätte! Aber eins hatte ich: Tabak und Pfeife! Ich rauchte, und ich horchte … Über mir blieb alles still. Kein Coy – nichts! Der Wind fauchte, sang und pfiff und säuselte. Das war alles. Ich fror damals so entsetzlich, daß ich zitterte. Ich konnte mich ja nicht rühren, mußte still liegen. Nur die Zehen und die Hände bewegte ich dauernd. Mein Atemhauch war deutlich sichtbar. Es mußten etwa zwei Grad Kälte sein, vielleicht auch mehr. Und dazu die feuchte Moderluft des Abgrundes …! Sollte ich mir hier etwa eine Lungenentzündung holen?!
Die Kälte spornte mich an, ein weiteres zu unternehmen.
Über mir hingen einzelne Hopfenranken. Ich begann, nachdem ich mich sehr langsam aufrecht gesetzt hatte, diese Ranken zu mir herabzuziehen. Ein guter Gedanke. Mir wurde warm dabei. Die Arbeit, aus den Ranken ein Tau zu drehen, hatte ich zwar persönlich noch nicht versucht, aber oft genug zugeschaut. Leider stand mir hier kein Bottich mit heißem Tran wie daheim an der Gallegos-Bucht meinen braunen Freunden zur Verfügung, – Tran, in den die Ranken »eigentlich« vier Tage lang vor der Seilerei eingeweicht werden sollen. Nun, es mußte auch so gehen. Und es ging. Natürlich nicht ohne Geräusch und nicht ohne stärkere Bewegungen. Die Ranken sollten nicht geknickt werden, und bei manchen mußte ich mit aller Kraft ziehen, um ein möglichst langes Stück zu erobern. Viele saßen oben in meinem »Schirm« fest, und der Schirm schwankte dann hin und her wie eine richtige schaukelnde Hängematte, in der eine Zigaretten rauchende Sennorita ruhte – ruhen könnte. Die Sennorita war wo anders, nicht über, sondern tief unter mir in der Schlucht. Zum mindesten war sie dort gewesen. Coy hatte sie deutlich gesehen. Und Coy schwindelte nur bei nichtigen Anlässen, genau wie er kleine Diebstähle als amüsanten Sport betrachtete, besonders wenn es um Sprit ging. Er war kein Säufer. Dazu fehlte es ihm an dem nötigen Quantum Whisky, Kognak, Rum oder … Brennspiritus, denn auch letzteren rechnete der mutmaßliche Enkel des ersten und einzigen Königs von Araukanien zu den Genußmitteln.
Ich spielte Seiler. Man lernt alles. Wer nicht alles sich an Fertigkeiten anzueignen vermag, die er anderen ablauscht, ist kein Mann. Und ich führe den Ehrentitel El Gento. Ich prahle damit, denn der Titel wurde mir von anderer Seite verliehen – von meinen braunen Freunden, die den Menschen lediglich nach Mannestüchtigkeit einschätzten.
Das Hopfentau wuchs und gedieh, obwohl mir die zerkratzten und zerstochenen Finger verdammt wehtaten. Immer neue Ranken mußte ich mir erobern. Das Material war immer schnell verbraucht.
Ich maß nun die Länge. Recht anständig: acht Meter! Ich flickte noch drei Meter an, und ich war stolz auf mein Werk. Von Kälte und Modergestank spürte ich nichts mehr. Ich war so eifrig bei der Arbeit, daß ich geradezu erstaunt war, als ich meine Taschenuhr befragend, an den Leuchtpünktchen erkannte, wie spät oder besser früh es geworden: halb vier!
Und da wurde mir klar, daß droben, wo unsere Hütte stand, inzwischen unfehlbar sich Dinge ereignet haben müßten, die es meinen Freunden unmöglich machten, nach mir Ausschau zu halten. Meine Wache hatte ja nur bis drei dauern sollen. Und wenn meine Uhr auch nicht mehr zur allgemeinen Benutzung an der Zeltstange hing, so hatten meine Freunde doch einen so unfehlbaren Zeitsinn, daß sie längst bemerkt haben mußten, daß ich nicht rechtzeitig meinen Nachfolger Chubur geweckt hatte. Mein Fehlen war ihnen unbedingt schon aufgefallen, unbedingt, – wenn sie eben noch … lebten!
Mit einem Schlage erwachte da in mir die ernsteste Sorge um das Wohlergehen derer, die schon mehr als einmal für mich Kopf und Kragen drangesetzt hatten.
Was zögerte ich noch?! Ich hatte ein Tau, ich konnte bequem auf die unter mir hängende Pandasara gelangen, brauchte nur das Guckloch meiner Hängematte erweitern und mein Tau sicher hier am zähen Gewebe zu verankern.
Los also …!
Ach nein – ich fror nicht mehr … Frau Sorge heizte mir ein …
Abwärts jetzt mit Büchse und Messer … Hinab auf Sprungtuch Nummer drei. Es war kleiner und schmäler und schwankte bedenklich.
Narr ich!! Was hatte ich dadurch gewonnen, daß ich nun hier hockte?! Nichts! Ich war an meinem Seil hinabgeklettert, war zehn Meter tiefer gelangt – – und saß wieder auf einer solchen Hängematte fest! Von dem Boden der Schlucht, von dem, was unter mir, war ja auch von hier nichts zu erkennen. Im Gegenteil, die Finsternis war nur noch größer geworden, und die feuchte Kälte und der Modergeruch wahrhaft abschreckend!
Narr ich! So ergeht’s einem, wenn man nicht vorher überlegt! Was nützte mir mein schönes Tau, wo es doch mit dem einen Ende noch an der Pandasara Nummer zwei, über mir, angebunden war?! Ja, wenn ich ein indischer Fakir gewesen wäre! Die werfen Taue in die freie Luft und klettern daran empor und herab ohne jeden Befestigungspunkt für das obere Tauende! Ich bin kein Fakir, und mein Rankenseil war niederträchtiger Weise im Grunde für mich wertlos! Ich konnte allerdings wieder Pandasara Nummer zwei als Sitz wählen – das ja, – und wenn’s mir Spaß machte oder ich warm werden wollte, konnte ich hier zwischen zwei und drei Tauklettern üben …!!
Spaß machte …!
Nein, Spaß beiseite! Ich war wütend, enttäuscht, ergrimmt, belegte mich mit allerlei Kosenamen, die für eine Beleidigungsklage ausgereicht hätten. Meine Pandasara, dritte Etage von oben gerechnet, schaukelte ganz leicht, und vor meiner Nase, die ich im Gesicht als förmlichen Eisklumpen fühlte, pendelte das verdammte Tau hin und her … her und hin …
Ich gab ihm einen Fußtritt … Ich haßte es. Ich hatte mir die wunden Hände noch wunder gearbeitet – für nichts! Und hatte doch dem Abgrund – Sennorita und der Karbidlaterne so gern einen Besuch abstatten wollen.
Fußtritt …
Das lose schwebende Tauende verschwand aus meinem Sehbereich, kehrte zurück und klatschte mir rauh gegen die Backe.
Aber – man soll nie verzagen. Man soll getrost, wenn man kindlich-gläubigen frommen Gemütes ist, auf ein Wunder rechnen, hoffen – auf plötzlich erwachte geheimnisvolle Fakirfähigkeiten …
Das Wunder kam. Das Tauende versetzte mir als Gegengabe für den Fußtritt eine Maulschelle, und dann prasselte etwas auf meinen Kopf herab …
Nicht mein schöner Filzhut. Nein. Der war wirklich endgültig dahin. Es war mein Tau, das mich derart beglückte und mich gehörig zusammenschrecken ließ, – mein ganzes langes dickes rauhes Hopfentau!
Fürwahr ein Wunder!! Mein Fuß mußte in der Tat magnetische oder sonstige besondere Kräfte besitzen. Das Tau lag um mich herum wie eine Schlange. Es war da. Nichts dagegen zu sagen: es war da und blieb.
Merkwürdig!
Ich starrte mit zurückgebeugtem Kopf nach oben …
Dunkelheit … Die Unterseite des Sprungtuches Nummer zwei – eine verschwommene Fläche …
Ich dachte an Sennor Manuel Mastilo, der so unzweideutig die Absicht vorhin kundgetan, aus meinem unwerten Kadaver einen Haufen Brei zu machen. Und vorsichtig nahm ich für alle Fälle die Büchse und richtete den Lauf empor.
Ausgeschlossen, daß Mastilo mich sehen konnte. Falls er es eben gewesen, der mein Tau oben losgebunden hatte.
Immerhin – er konnte trotzdem schießen oder mir einen Stein auf meine Hängematte schleudern, diese konnte reißen und dann …
Nichts geschah. Kein Stein, kein Schuß.
Wirklich Mastilo? Wenn’s nun vielleicht Coy war, mein lieber braver Coy …?!
Aber