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Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Год выпуска 0
isbn 9788075835246
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es goß ohne Unterlaß. Ich hatte eine der Hirschkeulen am zugespitzten Ast über die Glut gehalten, um das bereits gare Fleisch nicht kalt genießen zu müssen. Kaum hatte ich meinen Hunger dann gestillt und den Aluminiumnapf zum Teekochen an die Glut gerückt, als aus den Regenschleiern vor dem Eingang ein Reiter sich herauslöste: Coy!
Er führte ein zweites triefendes Pferd am Lasso mit sich, rief mir nur zu: »Feuer mehr zur Seite, Mistre … Platz für Pferde« – und versorgte dann stumm und schnell die beiden Gäule, rieb sie trocken, gab ihnen zu fressen und meinte auf meine Frage hin, wo denn die Leute der Farm seien:
»Farm?! Weshalb Farm, wo jetzt Regen?! Regen von Osten kommen … Coy umkehren … Spuren weg …«
Meines Freundes Coy Cala mitunter recht gedrängte Ausdrucksweise hier häufiger wortgetreu wiederzugeben, muß ich im Interesse derer, die vielleicht einmal auch dies gedruckt lesen, leider vermeiden. Ich sage leider, denn Coys lakonische Kürze ist an sich überaus treffend. In wenigen Worten hatte er soeben seine plötzliche Rückkehr hinlänglich begründet. Nur eins hatte ich an diesen Gründen auszusetzen: Weshalb hatte er so unvermittelt darauf verzichtet, auf Sennor Mastilos Farm den Fund der Köpfe der beiden Kinder des Chilenen zu melden, und zweitens: Wo hatte er das zweite Pferd her – und der Gaul war tadellos!
Coy hatte sich am Feuer niedergelassen und langte mit vorbildlicher Gemütsruhe nach der Hirschkeule, aß, trank Tee und starrte mit scharfen Falten auf der hohen, eckigen Stirn ins Feuer. Seinen zerlöcherten breitrandigen Filzhut, der offenbar mal vor Jahren einem Missionar das feiste Antlitz beschattet hatte, schob er ganz weit ins Genick. – Woran dachte er?
Ich saß neben ihm. Ich hatte meine letzte Zigarre angezündet. Draußen hagelte es, und die weißen Schlossen schlugen unbarmherzig auf den Kopf meines im Sande noch halb vergrabenen Fuchses herab, trafen die erloschenen Augen. Es tat mir weh. Monate hatte mir der brave Fuchs seine Kräfte geliehen, hatte mir Stunden, Tage reinster harmloser Freude auf endlosen Ritten geschenkt. Armes Tier!
»Coy, wo hast du das Pferd her?« brach ich dann das ungemütlich werdende Schweigen.
»He – Mistre es nicht kennen?!«
»Kennen?«
Ich schaute hin … Es war ein Rotfuchs mit Stirnblässe.
»Wie, Chuburs Gaul?«
»Ja. Chubur und Chico treffen bei große Gallegos-Biegung. Lagerten, drei Hirsche geschossen. Chubur gab für El Gento Pferd – gab natürlich. Nicht so nötig brauchen wie wir. Können anderes fangen. Farm viele Pferde.«
»Du wolltest doch auf der Farm den Fund der Köpfe melden …«
»Wollen viel, anders überlegen. Chubur nie viel reden. Wenn reden, gut sein. Er meinen, wenn melden Köpfe, nicht gut für El Gento. Verstehen – he?«
»Du denkst an meinen Steckbrief, Coy … Oder besser, Chubur dachte daran. Nun, hier in Patagonien hat solche eine Anzeige kaum irgendeine Wichtigkeit.«
»Irren, Mistre Karl Olaf, sehr irren … Viele wissen, daß Mistre wohnen bei Araukaner an Gallegos-Bucht. Wissen auch Namen von Mistre viele … zu viele. Und Sennor Mastilo leben in Valdivia, Valparaiso, Paris – – sehr reich sein, sehr klug, sehr stark und roh wie wilder Rinderhirt. – Verstehen …! Vorsichtig sein! Wenn Coy reiten nach Farm, Mastilo kommen sicher mit, sagen Chubur.«
»Ganz recht … – Das Charakterbild dieses Schafkönigs ist nicht gerade berauschend, mein lieber Coy. Roh wie ein wilder Rinderhirt – das ist hier gleichbedeutend mit Rowdy. Stimmt das wirklich? Mastilo ist doch …« – ich wollte sagen … »ein gebildeter Mann …« aber ich verschluckte es.
»Sennor Manuel Mastilo sein hier unten liebe Gott,« erklärte Coy achselzuckend. »Können tun, was wollen … Erschießen zwei, drei Knechte … Nachher Notwehr. Wo Zeugen?! – Sein jähzornig wie Klapperschlange … Sein schnell mit Pistole, schießen, treffen … Sein Mann!«
»Mann, der hierher paßt – vielleicht,« nickte ich ihm zu.
Coy stierte in die Flammen, nahm seine Pfeife, öffnete den wasserdichten Tabaksbeutel und stopfte eine gehörige Menge des billigen Knasters in den Buchenkopf. Nach den ersten Zügen sagte er mit mäßiger Ironie:
»Also beide Kisten doch weg! – Mistre haben nicht gedacht, daß Braanken und Tehus dreckige kommen durch gebogene Regenschlucht. Nun Köpfe nicht da … Gut sein das. Was gehen Köpfe Mistre an?! Reiten nachher zu Chubur und Chico, Mistre, dann nach Hütten an Gallegos-Bucht. Dort vergessen alles.«
»Und die Belohnung, die dich so lockte?!«
Coy lachte. »Geld?! Nicht brauchen … Haben noch fünfzig Robbenfelle, haben Pumafell … Was Geld?! Leben bisher ruhig. Wozu anderes leben?!«
Im Grunde hatte er nicht ganz unrecht. Was ging mich Braanken an?! Was die Kinder eines Mannes, der vielleicht nur meinen Frieden störte?
»Wann wird der Regen aufhören, Coy?«
»Mittags. Dann immer Wind umspringen, wenn Gezeiten (Ebbe und Flut) wie jetzt. Schlafen – am besten sein …«
»Halt … Braanken hat dies hier zurückgelassen …« Ich holte den Orden aus der Tasche hervor. Ich beobachtete Coy. Er hatte den Orden bisher nicht zu Gesicht bekommen.
Er streckte die Hand danach aus. In seinen schwarzen Augen glomm ein stilles Feuer auf. Er drehte den Orden um, betrachtete die Rückseite, und seine Augen weiteten sich noch mehr. Wortlos schob er dann den silbernen Stern in die Innentasche seines Jagdwamses. Seine Züge veränderten sich allmählich. Etwas Verträumtes, fast Wehmütiges verdrängte alle Härte und brutale Energie und listige Schlauheit von diesem seltsam zuckenden Antlitz.
»Gehören mir …« sagte er leise. »Coy ihn verloren haben vor halbe Jahr in Pampas – als Braanken trafen …«
»Du trugst ihn stets?«
Er tippte auf seine Brust …
»Tragen dort, wo Vater und Großvater ihn tragen … Nicht fragen mehr. Sein genug dies. Sein alles tot, Mistre Olaf Karl. Vergessen alles – am besten …«
Und er holte den Orden wieder hervor, löste die Hornknöpfe seines hochgeschlossenen Lederrockes, öffnete auch das dunkle Guanaco-Hemd und befestigte den Orden an einem dünnen Lederriemen, der ihm um den Hals hing.
Brauchte ich noch zu fragen, wer Coy war?
Er war ein Nachkomme jenes französischen Advokaten, der jahrelang, ein königlicher genialer Abenteurer, Chile bekämpfte und beinahe gesiegt hätte, wenn nicht das Weltenschicksal eingegriffen hätte: Krieg 70/71.
Coy schloß seinen Wams, nahm eine Decke und streckte sich neben dem Feuer aus. In kurzem war er eingeschlafen.
Und ich?! Schlafen?!
Millionen und Abermillionen von Menschen wandern von Jugend zum Alter, sterben friedlich, erleben nichts – nichts, was ich Erleben nenne. Und ich?! Mir hat das Geschick das Glück der Abenteuer abseits vom Alltag beschert. Mir glüht das Blut in den frischen Adern auf, wenn ich an jene Nacht zurückdenke, die über meine Zukunft entschied …
Kein Alltagsweg: hinaus in die Freiheit auf zwei schwankenden Drähten einer Starkstromleitung … Und dann Kamerad Boche Boche … Der Magelhaens-Archipel, nachher Santa Ines und Joachim Näsler …
Und jetzt: der dritte – Peter van Braanken, der dritte, den mir der Zufall in den Weg geweht hatte … Der dritte Europäer, den der unnennbare Reiz des Geheimnisvollen umgab. Ein Mörder?! Blind?!
Meine Zigarre war ausgegangen. – Die Verfolgung aufgeben – niemals!! Braanken sollte Farbe bekennen! Und Angst vor diesem Mastilo – ich?! Angst?! Was hatte ich denn zu verlieren: das Leben! Gut – das Leben! Einmal mußte ich ohnedies dran glauben. Auch mein Pfad führt schließlich in den Orkus hinab!
Frei und glücklich fühlte ich mich, denn