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El Gento war und blieb, beschuldigt, es auf ein … Lösegeld abgesehen gehabt zu haben! Lösegeld – – ich?! Geld – – ich?! Wo ich, meine ehrenwerten Schwätzer vom Redaktionsstab der Times, einen Ort kenne, der mehr Gold birgt, als ihr je beieinander vermutet habt, – – ich und Lösegeld! In der Nummer vom 25. Februar 1922 eures Weltblattes habt ihr El Gento in der Einleitung zu Edith Gordons Artikelserie über »Geheimnisse der Anden« mit dem stinkenden Dreck eurer geistreichen Anpöbelungen beworfen: Sensationsmache, Lockmittel, Nervenkitzel! Ihr versteht das Geschäft eben. Ihr habt da von einem verkommenen namenlosen Abenteurer geschwatzt, der … – – aber wozu das alles?! Mich verteidigen – euch gegenüber?! Nein, nein, meine Herren …! Anständiger wäre es gewesen, wenn ihr auf Edith Gordon gehört hättet! Denn die ist mit der Einleitung niemals einverstanden gewesen, wird sie wohl erst gedruckt zu Gesicht bekommen haben – auch eure Fälschungen in ihrem Manuskript, das ihr nach eurem Geschmack »gepfeffert« habt … Ekelhaft gefälscht! Denn Edith Gordon dürfte ehrlich zugegeben haben, daß sie selbst die Schuld trug, wenn die Dinge schließlich eine etwas aufregende Wendung nahmen. Ich kenne Edith. Ihr habt gefälscht. Ihr habt aus einer poetischen Romanze eine abstoßende Räubergeschichte zurechtgestutzt. El Gento als Anführer einer Verbrecherhorde – – ich muß lachen, – aber es ist ein trübes Lachen, denn gestern ist Coy sanft entschlafen. Und wenn ich trotzdem zur Feder gegriffen habe: Ablenken, zerstreuen will ich mich! Coy ist nicht mehr …

      11. Kapitel

       Der Mann im Condorhorst

       Inhaltsverzeichnis

      Aber damals lebte er noch in all seiner prachtvollen Männlichkeit – damals, als wir aus der Hölle zum Lichte emporstiegen und als wir unserer Mooshütte zustrebten, dabei auch an der Steinsäule vorbeikamen, an dem Condorhorst.

      Coy schritt noch immer still und rasch voran. Gerade jetzt hatte er es noch eiliger. Aber ich dachte an meinen schönen Filzhut, der mir verloren gegangen war und für den ich vorläufig nur als Ersatz einen »Chaprone« tragen mußte, falls eben Coy so lieb war, mir ein solches Monstrum aus gespaltenen Wurzelfasern zu flechten. Chaprone sind nämlich die Riesenhüte, die von den araukanischen Frauen an der Gallegos-Bucht getragen werden.

      Wie gesagt, Coy hatte es gerade hier am Condor-Horst mächtig eilig, konnte aber doch nicht verhindern, daß ich einen sehnsüchtigen Blick zu dem Nest, dem so liederlich gebauten, emporwarf. Mein schöner Hut – vielleicht ruhte schon ein Condor-Baby auf dem weichen Filz und benutzte ihn als Töpfchen – schauderhafter Gedanke.

      Wirklich – so wie ich dies hier schreibe, mit dem Versuch, Humorist zu sein (obwohl mir doch gerade heute das Herz schwer wie Blei ist), – so war meine damalige Stimmung, denn wer dunkle Stunden in der dunklen Schlucht zugebracht hat, der freut sich des Sonnenlichtes zehnfach und wird übermütig wie ein junges Füllen auf grüner Weide.

      Mein Filzhut?!

      Ach nein …

      Aber trotzdem stand ich wie angewurzelt …

      Schaute nochmals nach oben …

      Das Blut schoß mir zum Herzen, flutete wieder zurück …

      »Coy!«

      Widerwillig dreht er sich um …

      »Coy, was bedeutet das …?! Ich … ich sehe da oben ein Paar Reitgamaschen und braune Schnürschuhe über den Rand des Nestes hinwegragen, und wenn ich mich recht besinne, hat mir Chico so die untere Bekleidung Sennor Mastilos beschrieben!«

      Mein Humor war dahin. Meine Stimme scharf und drohend.

      Coy zuckte kalt die Achseln …

      »Mistre alles hören werden … Kommen, kommen … Große Versammlung … Dreckige Tehus dreckige, aber Männer … Blut um Blut … Coy das kennen, und auch Mistre das wissen …«

      Weiß Gott – mir wurde schwül zumute …

      Mastilo dort oben – sicherlich angebunden …!! Blut um Blut …! Ja, die Blutrache besteht noch heute bei dem Mischvolk der Tehuelchen, und diese braunen Kerle mit den Eimerschädeln und den Stiernacken und den unverhältnismäßig kleinen Händen und Füßen halten an dieser Überlieferung zähe fest, obwohl sie ja längst keine reinblütige Nation mehr sind, sondern sich mit Flüchtlingen nördlicherer Stämme vermischt haben.

      »Das dulde ich niemals!« brüllte ich Coy an. »Und wie kannst du selbst ruhig mit ansehen, daß …«

      Ein merkwürdiger Blick traf mich … Das war wieder der freche, ironisch-überlegene Coy.

      »Dulden, Mistre?! Sein vierzig Tehus von Thoneca-Abteilung. Die Thoneca sind reinblütige Tschultschen (gleich Südvolk). Thoneca sein von Tehus, was wir Araukaner an Gallegos-Bucht von große Araukanervolk. Thoneca beste Tehus. Waffen wie chilenische Kavallerie – alles gestohlen. Vierzig, Mistre, und wir sein drei gewesen. Wunder, daß noch leben, wir drei und Ihr, Mistre … Wunder, daß Kapike Tuluma von Thonecas uns schonte. Und da reden von Dulden, Mistre?! – Kommen … Kapike Tuluma warten. Versammlung wartet. Sennor Mastilo leben … Später sehen, was tun können. Jetzt schweigen. So am besten. Thoneca viel gut reden von El Gento … Zeigen ihnen, wie sein, Mistre …! – Kommen …!« Die letzten Sätze sprach er in anderem Tone. Da war er wieder Coy, der treue, erprobte Freund und Gefährte. Wenn er etwas zusagte, hielt er es auch. Wenn er erklärte, man müsse später sehen, was man für Mastilo tun könnte, so meinte er’s ehrlich.

      Ich warf noch einen kurzen Blick zu dem Chilenen im Condornest nach oben und folgte Coy.

      Da ich hier keine Indianergeschichte schreibe, sondern lediglich Erinnerungen, die noch so frisch in meinem Hirn sind, daß ich mit tausend geringfügigen Einzelheiten aufwarten könnte, will ich über das feierliche Palawer mit den Thonecas (übrigens nennen sich alle Tehuelchen so, womit sie zu unrecht auf ihre Reinblütigkeit anspielen wollen) nur das berichten, was mir selbst interessant war.

      Über die Tehuelchen vorher noch ein paar wichtige Bemerkungen. In dem Buche des argentinischen Verfassers Dr. Ramon Sibla habe ich die Kopfzahl der Tehuelchen (1921) auf rund dreitausend angegeben gefunden. Davon sollen etwa tausend in kleinen Horden noch als freie wilde Nomaden leben, während die übrigen seßhaft geworden und zumeist als Jäger, Fischer und Farmarbeiter für die »Zivilisation« gewonnen seien. Gewiß, gerade der unfruchtbarste Teil Südpatagoniens, baumlose Sandsteppe von traurigster Dürftigkeit, mag diese Zahlenangaben rechtfertigen. Meinen Erfahrungen und Coys Mitteilungen nach beträgt die Menge der wilden Tschultschen zumindest zweitausend, und in dem fruchtbareren Südwestteil nahe den Andenausläufern mit ihren dichten Waldungen stieß ich auf wandernde Abteilungen von hundert bis zweihundert Menschen, deren Pferdereichtum, Reitfertigkeit und Bewaffnung diese unvermischten Thonecas als ein ausgesprochenes Nomaden- und Reitervolk hinstellt. Das Guanaco und eine Bastardrasse von mittelgroßen, zähen und sehr bissigen Hunden, die fraglos Blut vom patagonischen Steppenwolf in sich tragen, bilden ihre Haustiere. –

      Als wir die flachen Terrassen nun abwärtsschritten, sah ich schon von weitem auf der Blöße vor unserem Mooszelt eine eigenartige Ratsversammlung beieinander. Diese in Leder, zum Teil auch in derbe, europäische Anzüge gekleideten Halbwilden hatten Kiefern gefällt und als Sitze hergerichtet. In sechs Reihen saßen sie hintereinander, und nicht einer war unter ihnen, der nicht rauchte. Vor diesen »Bänken« einer »Waldschule« hockte ein greiser Thoneca auf einem mit Decken belegten Stein.

      Coy ließ mir jetzt den Vortritt, lehnte sich abseits an eine Kiefer und spielte den Unbeteiligten. Der greise Kapike Tuluma erhob sich und reichte mir die Hand. In einem schauderhaften Mischmasch von Englisch, Spanisch und Französisch hieß er mich, El Gento, willkommen und bot mir einen Sitz an seiner Seite an.

      Die übrigen Tschultschen, von denen die meisten Kavalleriekarabiner besaßen, betrachteten mich neugierig. Ihre Blicke waren nicht eben freundlich. Der Frieden, den Coy mit ihnen geschlossen, schien nicht gerade dauerhaft und ehrlich gemeint zu sein. Ich begriff jetzt vollkommen, daß meine drei Araukaner hier eine ihnen selbst recht peinliche Nachgiebigkeit

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