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hielten auf die Klippen zu, die wie Mauern halb eingestürzter Paläste aus dem silbernen Gefunkel der ruhelosen Wassermassen sich hochreckten … Steinpfeiler, Steinsäulen, düstere Wände …

      Mit halber Kraft tummelte das Boot sich zwischen den gefährlichen engen Kanälen dieses Granitwalles umher.

      Bis Leon Turido den Kopf wandte und mir zurief:

      »Wenn Sie unsere Jacht suchen – weiter links! Aber Sie werden nur noch ein versunkenes Wrack finden.«

      Er hatte nicht gelogen. Inmitten eines Beckens, das wie von einem Steinzaun umgeben war, ragten lediglich noch die Masten, der Schornstein und das Heck aus dem Wasser hervor. Jetzt bei Flut. Bei Ebbe mochte noch ein Teil des Decks freiliegen. Aber trotzdem: dieses Wrack konnte unmöglich einen Menschen beherbergen.

      Dennoch kreuzten wir noch volle zwei Stunden zwischen Klippen und Riffen …

      Fahrt ohne Ziel, Fahrt in den Tod vielleicht, Fahrt ohne Zweck …

      Wir kehrten um. Legten neben dem Wal wieder an. Coy kam und meldete, daß alles in Ordnung.

      Drei Uhr morgens war’s. Ich übernahm die Wache.

      Und der Wind, der bisher genau von West geweht, drehte nach Süden. Ich merkte es zuerst daran, daß der Verwesungsgestank nachließ, daß die Brandung draußen schwächer wurde und der Himmel sich mit feinen Dunstschleiern überzog. Das Wetter würde umschlagen. Vielleicht hatten wir nach einer Stunde schon Regen, Schnee, Kälte. Im Magelhaens ist alles möglich. –

      Nächtliche einsame Wache … Vielleicht sind in all jenen Stunden, wenn ich für die Gefährten die Augen und Ohren, alle Sinne in steter Bereitschaft halte, wenn der Zauber der Einsamkeit und der Reiz der unberührten, in dunkle Schleier gehüllten Natur zu mir redeten in Versen, die nur mein Ohr empfand – köstlicher als die lieblichsten Gesänge begnadeter Dichter, – vielleicht ist damals, und es war ja ein häufiges, wechselndes Damals, in meinen nüchternen Ingenieurverstand das Samenkorn der Phantasie gefallen, das mich nun als blühendes Gewächs mit lockenden Zweigen in Bann hält. Für mich schreibe ich nur – nur für mich. Und ich könnte, wenn ich wollte, hier noch zahllose Einzelheiten einflechten, die in meiner Erinnerung greifbar deutlich erstehen, sobald ich mit geschlossenen Augen an die großen Umrisse des Selbsterlebten zurückdenke. Ich weiß zum Beispiel genau, daß damals nachts an der Turido-Bucht zwei Wildhunde geschickt wie die Gemsen die Steilhänge herabkamen und auf den Wal zuliefen, angelockt durch den Hauch der Verwesung. Sie kniffen wieder aus – vor den drei menschlichen Köpfen, und im Nu waren sie wieder verschwunden.

      Das Fernrohr lag neben mir, und ich benutzte es fleißig. Ich sah, wie die Gezeiten der Bucht wiederkehrten, wie die Flutmarken hervortraten, wie die Ebbe allmählich die Riffe hervorzauberte und der Schwanz des Wales wieder trocken wurde.

      Abermals hatte ich das Fernrohr am Auge. Jetzt lag auch das Riffviereck draußen frei …

      Sinnestäuschung?

      Was war das soeben gewesen?

      Ein Lichtschein …?

      Da – wieder …

      Die Augen tränten mir, so angestrengt schaute ich hin.

      Lichtschein über dem Riffviereck, ganz schwach, als käme das Leuchten aus den Tiefen hervor.

      Nichts mehr jetzt …

      War’s wirklich nur Augenblendwerk gewesen?!

      Ein Geräusch hinter mir …: Achim!!

      »Sie schlafen nicht?!«

      Er gähnte herzhaft.

      »Kann nicht, Abelsen, kann nicht!«

      Merkwürdig sein Ton …

      Setzt sich neben mich, bläst in die glimmende Spitze seiner Zigarre.

      »Abelsen …«

      »Ja – ich höre …«

      »Abelsen, ich … ich möchte Sie was fragen.«

      »Bitte …« – Merkwürdig ist er. So ganz anders als sonst.

      »Ehrliche Antwort, Abelsen … – Meinen Sie, daß Allans Mutter mit ihren beiden Begleitern bei dem Anden-Wirbel umgekommen ist?«

      Also doch – – also doch!! Meine Vermutung ist richtig gewesen: Er sorgt sich um Ellinor!

      Und ich antworte – ehrlich: »Wenn der Wirbelsturm die drei auf offener Steppe überrascht hat, dann …«

      »… Danke …! – – Abelsen, vielleicht ist es zweckdienlich, Ihnen nun den Schleier zu lüften. Sehen Sie, ich war vorhin eingeschlafen, träumte, daß ich … ertrank … Erwachte … Und da dachte ich: Du kannst wirklich plötzlich sterben, dann wird der Mann, den du schätzen gelernt hast, das sind Sie, Olaf, – dann wird er sich ja fraglos meines Kindes annehmen. Aber mein Sohn soll einst die Wahrheit erfahren. – Hören Sie nur zu … Nicht viele Worte, ganz kurz. Mein wahrer Name ist Joachim Graf zu ……burg, zweiter Sohn des Fürsten zu ……burg auf …… in Ostpreußen.« (Sollten diese Zeilen je gedruckt werden, so habe ich durch die Punkte, die die Namen nur andeuten, jede allzu krasse Indiskretion vermieden. Achims nähere Bekannte werden ja freilich sofort wissen, wer hier mit »zu ……burg« gemeint ist. Das dürfte jedoch meinen Freunden in keiner Weise Abbruch tun, denn so, wie ich ihn hier mit seinen guten Seiten, seinen Schwächen und Eigentümlichkeiten geschildert habe, so ist er: ein Mann!! Und was seine »Lumperei« betrifft, da war er ebenfalls in einem ganzen groben Irrtum befangen, was ich stets schon geahnt hatte.) – »Ich war Offizier, Abelsen, – natürlich, und natürlich Garde. Mein Geschlecht ist im Mannesstamm mit wenigen Ausnahmen nicht im friedlichen Bett gestorben. Die Gebeine meiner Vorfahren ruhen in der Erde, über die ganze Welt verstreut: in Frankreich, China, Ostafrika, Polen, Rußland. Wir waren Landsknechte. Das lag uns im Blute. Nur mir behagte der Soldatenberuf nicht. War mir zu öde, Olaf … Vier Jahre Leutnant, dann wurde ich Weltreisender. Geld hatte ich genug, wenn auch nicht im Übermaß. 1912 lernte ich Ellinor Mangrove in Monte kennen. Liebe auf den ersten Blick. Ihre zehn Millionen Mitgift waren mir schnuppe. Wir heirateten, siedelten auf die Großfarm in Texas über. Ich wollte arbeiten. Die großzügigen Verhältnisse drüben gefielen mir. Unsere Ehe war ein betäubender Rausch, ewige Flitterwochen. Wir lebten für uns allein, unser Kind und wir selbst genügten uns. So kam der Sommer 1914 heran. Mit einem Male begann Ellinor nervös zu werden. Sie bestellte alle Zeitungen ab, sie vermied jede Reise. Wir lebten vollkommen als Einsiedler. Sie … schloß mich mit raffiniertester Schlauheit von der Außenwelt ab, bestach unsere Leute, und ich – ahnte nichts von dem, was in Europa sich vorbereitete. Sie wußte genau, daß der Krieg mich aus ihren Armen gerissen hätte. Sie brachte es fertig, mich ein volles Jahr gleichsam einzusperren. Und ich – und das ist meine Schuld, Abelsen, ich blieb blinder, verliebter Gatte und Vater, ich merkte nichts! Schon daraus können Sie ersehen, wie schlau sie es angefangen hat, mich für sich zu … retten, wie sie sich später entschuldigte. Dann kam eines Tages der Krach … Ich ritt zu einem Vorwerk, unterwegs begegnete mir in der Steppe ein Nachbar, was man so Nachbar nennt, wo die Farmen acht Quadratmeilen messen. Er, Amerikaner, bereits verhetzt durch die Lügenpropaganda, wollte ohne Gruß vorüber. Ich stellte ihn. So erfuhr ich die Wahrheit. Nun wollte ich weg, in den Krieg, in die Heimat. Ellinor flehte, weinte. Ich war wie ein Rasender. Und ging nach New Orleans, wollte als Heizer hinüber. Doch Ellinors Geld vereitelte alles. Ellinor kämpfte gegen mich. All meine Versuche, den Atlantik zu überqueren, schlugen fehl. – Einzelheiten könnte ich Ihnen geben – – ein Buch würden sie füllen. Ich haßte mein Weib, mein Kind. Jedenfalls: Amerika trat auf die Seite der Entente, und ich wurde interniert. Als der Krieg vorüber, schrieb ich den Meinen, weshalb ich nicht meine Pflicht hatte tun können. Damals arbeitete ich in Neuyork als Stauer. Jede Verbindung mit den Mangroves hatte ich abgebrochen. – Mein erster Brief nach daheim blieb ohne Antwort. Mein zweiter wurde durch ein paar Zeilen beantwortet: Ich sei aus dem Stammbaum der Meinen gestrichen, denn wer als Deutscher den Lüsten eines Weibes erlegen in jener Zeit, wo jeder an die Front gehörte, sei unseres Namens nicht mehr wert. – So etwa lautete meines Vaters Schreiben. Von da an blieb ich Joachim Näsler, ein Lump vor

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