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stark ironisch. »Davon weiß ich nichts. Drei hast du niedergeschlagen, drei. Leon Turido gehört mir, schätze ich. Aber darüber reden wir später … Gut, mag Allan die Wache übernehmen. Auf ihn ist Verlaß. Er hat so manches gelernt in diesen Tagen, unser Junge …«

      Und wenn er auch »unser Junge« sagte, so galt die warme Zärtlichkeit, mit der er dies Wort aussprach, doch seinem Jungen, seinem Sohne, für den er noch immer »Onkel Joachim« und die Hauptperson war.

      Allan bezog seinen Posten, erhielt genaue Anweisungen und als Waffe eine Mauserpistole. Achim und Coy zogen das Motorboot vollends aufs Trockene und ketteten es an einer Felsnase fest. Ich verband Leons Stirnwunde. Die Gefangenen wurden dann in die Nebenhöhle gebracht, wo die Karbidlaterne die Krankenlager der beiden Araukaner beschien. Sie saßen halb aufrecht, Graspolster im Rücken. Als sie die vier erkannten, lief ein unbeschreiblicher Ausdruck über ihre verfallenen Gesichter hin. Ich gab für das Leben der drei, die Coy gehörten, keinen lumpigen Pfennig. Und wie es mit Leon Turido werden würde, ob es uns gelingen würde, Coy von einer vorschnellen Justiz abzuhalten, erschien mir recht fraglich. Coys unheimliches Schweigen, – man konnte es geradezu als feierliche Mordgier bezeichnen, würde sich durch unsere Einmischung kaum besänftigen lassen. Wenn ich ehrlich sein soll: Die noch so frische Erinnerung an die gräßlichen Szenen am Walkadaver würden mir kaum die nötige Energie geben, ernsthaft einzugreifen.

      Coy setzte sich neben Chubur, der ebenso wie Chico vorhin von Allan abermals gefüttert worden war. Die Gefangenen lagen nebeneinander am Fußende der Graslager der Kranken.

      »Chubur,« begann Coy, »du nun erzählen, was auf Mörderjacht erleben … Nicht viel Worte. Weshalb Schufte euch in Walbauch stecken?«

      Chubur eines Auge starrte Leon Turido wie hypnotisiert an.

      »Fuhren mit uns hier nach Bucht, verbrannten Haus, wollten wissen von uns, ob Mister Abelsen kennen Goldader …«

      Achim und ich, die wir nebeneinander an einem Felsblock lehnten, hielten den Atem an …

      Goldader! Also das!!

      Chubur sprach weiter … »Ich merkten, Coy, daß Turidos fürchteten, Mister Abelsen hierher kommen … Ich schweigen und hoffen, auch Chico so … Der da« – er zeigte auf Leon – »uns Pulver schütten auf nackte Brust und abbrennen … Wir schweigen immer, lächeln verächtlich … Der da nehmen Lunten, wickeln uns um Leib und anstecken … Lunten brennen, fressen Haut weg … Wir schweigen immer, lachen … Dann vor drei Tagen uns bringen von Jacht zu toten Wal … Binden uns fest in stinkenden Bauch … Möwen kommen. Möwen und Hunger und Durst und Gestank. Er fragen jeden Morgen, ob wollen reden. Das sein alles, Coy, sein genug. Mir geben Messer, Coy … Müssen sterben …«

      Ich fühlte kalte Schweißperlen auf der Stirn …

      Coy dann: »Nachher sterben … Nicht Messer, Chubur. Messer zu wenig. – Wo sein Jacht, wo stecken andere Turidos?«

      »Nichts wissen. Meist Augen verbunden, Coy. Ich denken, Jacht draußen in den Klippen. Nur denken …«

      Da mischte sich Achim ein.

      »Bekamst du mal die Frauen zu Gesicht, Chubur?«

      »Nein … Waren nur immer der da bei uns und der da …« Er zeigte auf den ältesten der drei anderen Gefangenen. »Sind die schlimmsten, Mistre Näsler, die beiden … Waren vielleicht im ganzen zwölf Männer, keine Spanier, Lüge das, auch Turidos nicht Spanier …«

      »Russen sind’s,« meinte Achim sehr bestimmt. »Die Gesichtsbildung sagt genug. Als ich auf dem »Starost« war, ließ ich mich täuschen. Die Namen Tatjana und Olga hätten mich schon stutzig machen müssen.«

      »Sein gleich, ob Russen, ob anderes,« sprach Coy und beobachtete seine drei Opfer, von denen zwei bereits die Augen offen hatten. »Mistre Näsler,« fügte er ebenso kalt hinzu, »Coy sein gerecht … Ihnen der da, uns die drei, denn Coy sie fangen. Sie machen mit Leon Turido, was wollen, Mistre Näsler. Ich mit drei, was gerecht sein. Da – sind wach die drei …«

      Die Leute hatten etwas die Köpfe gehoben. Die trüben Blicke wurden lebendiger, irrten umher, und langsam trat ein Ausdruck wilder Angst in diese ruhelosen, schuldvollen Augen.

      »Mich hören!« sagte Coy sehr laut zu ihnen. »Ihr sein Weiße, Europäer … Ihr auch ausdenken für meine Freunde, braune Araukaner, viele Qualen … Kein Araukaner so etwas tun, niemals … Sein friedliche Fischer und Jäger wir. Ihr Weiße sein Ungeheuer …«

      Ich schämte mich … Tatsächlich, ich schämte mich damals, weil auch ich ein Weißer war.

      »Araukaner friedlich … Chico und Chubur auch nichts tun …« Seine Stimme wurde so schrill, daß meine Nerven vibrierten. »Ihr drei werden fühlen, wie sein in Walfischbauch … Gleich fühlen … Schon dunkel draußen … Du zuerst!« Und ein Haßblick traf den Ältesten mit den verwitterten Zügen.

      Dieser war’s, der sich nun mit einem Ruck aufrecht setzte. Ich schätzte sein Alter auf fünfzig. Er trug das ergraute Haar ganz kurz geschnitten, und die slawische Stirnbildung und Backenpartie traten bei ihm außerordentlich stark hervor.

      Coy beachtete er nicht weiter. Aus seinen Augen war die Angst geschwunden. Der Blick, der Achim und mich suchte, war unendlich geringschätzig und hohnvoll.

      »Geben Sie uns sofort frei!« – Ein Befehl einer herrischen Stimme … »Sofort! Wenn Ihnen an Ihrem Leben etwas liegt! Und dann – verschwinden Sie von hier auf Nimmerwiedersehen! Sie scheinen uns zu unterschätzen. Das Blättchen wird sich wenden!«

      Näsler, unentwegt mit dem Monokel im Auge, erwiderte mit einer übertriebenen Verbeugung:

      »Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen, Sir … Lege freilich auch keinen Wert auf Ihren Namen. Weiß nur, daß Sie mit mir und meinem Abelsen nichts zu schaffen haben. Ihre Drohungen sind Gerede. Wenden Sie sich an Coy. Wir greifen nicht ein. Sie haben sich nicht als Tier, sondern als Mensch benommen. Tiere hätten die beiden Araukaner kaum so gefoltert wie Sie es taten.«

      Der Mann wurde durch Achims verächtlichen Ton doch beunruhigt.

      »Sir,« rief er abermals in flüssigem, nur hart akzentiertem Englisch, »Sie werden als Europäer uns nicht …«

      Achim hatte eine wegwerfende Handbewegung gemacht.

      »Sie – – Europäer – – leider!! – Was Ihnen geschehen wird, ist gerecht. Einen Mörder köpft man, einen Verbrecher wie Sie läßt man am eigenen Leibe erfahren, was ein Walfischbauch bedeutet.«

      Coy hatte sich erhoben. »Still sein …!« meinte er mit derselben unheimlichen Entschlossenheit wie bisher. Auch seine abgeklärte Würde behielt er bei. Es ist überhaupt so äußerst kennzeichnend für die Naturvölker, auch für die mit Halbzivilisation, daß sie bei bestimmten Anlässen ihre spielerische Leichtlebigkeit vollkommen ablegen und die streng-abgezirkelte Würde altrömischer Senatoren oder moderner Volksvertreter annehmen, die zum ersten Male mit der gewichtigen Aktentasche im Arm den Saal betreten, in dem der große Parteischacher um die Geschicke eines Volkes stattfindet. Man sollte als Europäer dieses Gebahren der Naturkinder bei Religionsfesten, bei Beratungen und so weiter nicht von oben herab belächeln. Diese primitiven farbigen Menschen haben nie das Bewußtsein oder die Absicht, eine bestimmte Rolle zu spielen und unterscheiden sich auch dadurch wohltuend von den Kulturgentlemen. So war auch Coy jetzt als Richter und Rächer lediglich vollständig von dem seelisch ausgefüllt, was ihn selbstverständliche Pflicht dünkte. Auch ohne unser Beisein hätte er sich genau so benommen.

      Wortlos trat er jetzt auf den Mann zu, den ihm Chubur als die nächstgrößte Bestie neben Leon Turido bezeichnet hatte.

      Wortlos hob er ihn wie eine Feder empor, legte den Gefesselten wie ein Bündel über den Nacken und wollte so mit ihm davonschreiten. Da begann der Mensch zu brüllen. Ein erbärmliches Angstgeheul hallte in der Grotte in mehrfachem Echo wider. Coy warf ihn brutal auf den Felsboden zurück, stellte aus einem blutigen Lappen, einem bereits benutzten Verband für Chuburs leere Augenhöhle, einen Knebel her und zwang den Mann mit dem Messer, den Mund zu öffnen.

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