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      »Sie schien in ihm irgendwelche unklaren Erinnerungen zu wecken …«

      Jörnsen sog an seiner unvermeidlichen Pfeife und qualmte dicke, schnell zerflatternde Wölkchen. Mir kam es vor, als ob er, an den kaum eine Erregung heranreichte, geradezu nervös war. Seine Finger trommelten auf dem mit Zinkblech benagelten Dach, dessen grüner Ölfarbenanstrich erst letztens erneuert war und doch infolge der Hitze bereits wieder abblätterte.

      Ich wartete voller Spannung auf seine nächste Äußerung. Inzwischen war er jedoch wohl selbst zu der Einsicht gelangt, daß er sein Verhalten anders einrichten müsse, wollte er mich nicht argwöhnisch machen. Er zuckte in übertriebener Weise die Achseln und meinte: »Wenn meine Frau aus Langeweile mal auf der Gitarre klimpert, – wie sollte das den armen Boche Boche beeinflussen?!«

      Er wollte mir also ausweichen. Mein anfänglich nur schwacher Verdacht hatte nun ganz bestimmte Formen angenommen.

      »So, Käpten?! So?!« Meine Stimme klang ungewollt drohend und scharf. »Vielleicht hat deine Frau auch absichtlich die Gitarre hervorgeholt … Vielleicht wißt ihr beide weit mehr über meinen bedauernswerten Kameraden als ihr zugeben wollt …!«

      Narr ich!! Das sollte Diplomatie sein?!

      Jörnsen hatte plötzlich die rechte Hand in der Tasche seiner blauen Jacke verschwinden lassen …

      Das schwarze Mündungsloch seiner Pistole war keine drei Meter von meinem Kopfe entfernt …

      »Abelsen,« sagte er mit unheimlicher Entschlossenheit, »du hast gelogen … Der Klüver knallte … Ein Spritzer kam über Bord. Du hast durch das Oberlicht geschaut. Ich hatte gerade das Bild in der Hand. Wenn du mir jetzt nicht sofort dein Ehrenwort gibst, dieses Bild und diese Unterhaltung aus deinem Gedächtnis zu streichen, schieße ich dich nieder und werfe dich über Bord. Hier geht es um Dinge, die durch deine Einmischung eine ungünstige Wendung nehmen könnten, hier ist dein Leben … ein Dreck, Abelsen, den man mit dem Fuße in die Gosse scharrt … Du kennst mich, Abelsen. Also …!«

      Sein Arm reckte sich noch weiter vor …

      Er zielte auf meine Stirn … Sein Gesicht war bleich. Das sah ich. Und in diesem Gesicht leuchteten die jungen Augen in demselben Glanze wie damals, als er Boche Boche die Pistole aus der Hand schlug.

      Daß er mich tatsächlich niederknallen würde, wußte ich. Hätte es Sinn gehabt, mein Leben hier lediglich deshalb wegzuwerfen, um nicht feige zu erscheinen, um Jörnsen zu beweisen, daß dieses Leben mir nichts wert war?!

      »Ich gebe mein Wort, Käpten …« erklärte ich fest. »Aber diese Szene hat auch den zwischen uns geschlossenen Kontrakt aufgehoben … Ich werde mit Boche Boche in Punta Garras den Kutter verlassen.«

      Er schien zu überlegen … Die Waffe behielt dieselbe Richtung bei. Ich beobachtete den Zeigefinger, der am Abzug der Pistole lag. Dieser Finger krümmte sich mehr und mehr. Wie hypnotisiert starrte ich in das schwarze Mündungsloch, aus dem jede Sekunde der kleine Feuerstrahl hervorschießen konnte.

      So dicht wie damals hatte Gevatter Tod doch noch nicht neben mir gestanden.

      Ein kühles Rieseln lief mir über den Rücken.

      »Wenn er doch nur Schluß machen wollte!« dachte ich …

      Und mein Blick flog zum Sternenhimmel empor. Ich nahm Abschied von den blinkenden Lämpchen Gottes …

      Jörnsens Stimme drang wie aus endloser Ferne an mein Ohr …

      »Gut, ihr könnt in Punta Garras an Land … Aber – vergiß dein Ehrenwort nicht, Olaf Karl Abelsen! Glaube mir, du könntest deinem Freunde keinen schlechteren Dienst erweisen, als durch ein unüberlegtes Wort … Vergiß das nicht … – Gute Nacht, Abelsen …«

      Er wollte die Treppe hinab. Machte wieder halt. Drehte den Kopf … »Wie gedenkst du es Boche Boche zu erklären, daß ihr uns verlaßt?«

      »Ich bin heut’ hier am Steuer eingeschlafen, Käpten, und du hast mich angeschnauzt … Das genügt …«

      »Vielleicht!« nickte er und schritt weiter die Treppe hinab. –

      Vormittags zehn Uhr beim Frühstück nahm ich Gelegenheit, Boche Boche zu belügen …

      »… Ich lasse mir diese Behandlung nicht länger gefallen … Und Jörnsen scheint auch nichts mehr daran zu liegen, daß wir hier noch länger Matrosen spielen … Ich jedenfalls bleibe nicht auf dem Torstensen …«

      Wir saßen in unserer Kajüte am Tisch. Mein Kamerad tauchte den dick mit Butter bestrichenen Zwieback in den Kaffeetopf und biß dann ein Stück ab, kaute und blickte mich nachdenklich an. Zuweilen verfiel er bei Tisch in gewisse Unmanieren, die so gar nicht zu ihm paßten. Wo mochte er sich nur dieses scheußliche Eintunken des Zwiebacks angewöhnt haben?! Er, der doch sonst in allem eine so zwanglose Sicherheit, so viel Kultur besaß?!

      »Eigentlich schade …« meinte er. »Ist es dir denn wirklich so gleichgültig, Olaf, diese abenteuerliche Fahrt aufzugeben?«

      Ich lachte … »Sind wir unmündige Kinder?! Sollen wir uns mit verbundenen Augen irgendwohin schleppen lassen?! Ich mache nicht mehr mit …«

      »Und wenn der Alte sich entschuldigt …?«

      »Auch dann nicht!« Und das war ehrlich. Ich hatte Jörnsen jetzt kennengelernt. Ein Verbrecher war er nicht, aber ein Mann, der auf der messerscharfen Grenze zwischen rücksichtsloser Energie und gewissenlosester Brutalität dahinwandelte. Ich traute ihm alles zu … Und so, wie mein Kamerad und ich veranlagt waren, mußte es früher oder später auf dem Kutter zum Blutvergießen kommen. Wir drei Männer hier an Bord waren die gleichen Eisenköpfe, waren verwandte Naturen, und mein Kamerad dazu noch völlig unberechenbar. Nein – – ich war entschlossen, diesem Geheimnis Jörnsens auf andere Weise auf den Leib zu rücken. In Trelleborg gedachte ich mit meinen Nachforschungen zu beginnen. Dann würde sich schon herausstellen, wie der Alte zu dem Bilde gekommen war. Und nach Trelleborg, – nun, wir brauchten nur Heuer auf einem Salpetersegler zu nehmen. Wir würden schon wieder irgendwie nach Schweden gelangen.

      Boche Boche hatte sich plötzlich erhoben …

      »Da!!« brüllte er …

      Brüllte …

      Seine Hand deutete auf die Rückwand, wo er schon im Atlantik die beiden Löcher mit einem Stück Blech und unterlegter Leinwand übernagelt und mit Ölfarbe überpinselt hatte.

      Das Blech fehlte – fehlte fraglos erst seit heute morgen …

      »Die Drecksau hat wieder gehorcht!« kreischte Boche Boche in jäher Wut … »Da – jetzt erst wird der Pfropfen in das eine Loch geschoben!«

      Blitzschnell griff er nach einer Gabel, stieß zu, traf den Kork, trieb ihn drüben aus dem Loche heraus …

      Dann raste er an Deck … Mit der Gabel. Ich hinterdrein, um ein Unglück zu verhüten.

      Aber die Schiebeluke des Kombüsenniedergangs war verschlossen …

      Ich packte Boche Boche, der mit den Füßen die kleine Flügeltür eintreten wollte …

      Vom Heck Jörnsens metallne Stimme:

      »Weg da mit euch – – weg da!!«

      Boche Boches wilde Augen stierten hin …

      »Warte, Käpten … warte – – deine Pistole – – warte!«

      Er riß sich los … Stürmte wieder hinab … Ich ahnte: seine Büchse wollte er holen …

      Und wieder war ich hinter ihm drein … Er stand vor seinem Wandschrank …

      »Nicht mehr da … weggenommen …« murmelte er …

      Es stimmte: unsere Büchsen waren verschwunden.

      Boche Boche lachte schrill …

      »Der Schuft – – der Schuft!!«

      Dann

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