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bedeutet?! Über derartiges ist unsereiner erhaben.« –

      Holger Jörnsen, der Besitzer des Kutters, hatte uns vorhin auch eine halbe Kiste Zigarren und ein Päckchen Zigaretten auf das Tischchen gestellt. Mein Gefährte blickte mich an. »Du gestattest wohl, daß ich rauche …« und seine schmale, sehnige Hand, die schmutzig und ungepflegt wie die eines einfachen Matrosen war, nahm zierlich eine der Zigaretten.

      Ich nahm eine Zigarre. Höflich rieb er ein Zündholz an … »Bitte …«

      »Nach dir …«

      Er nickte, zündete seine Zigarette an und reichte mir das Zündholz … Dieses leichte Kopfnicken war abermals eine Bestätigung dessen, was mir seine dünne, gekrümmte Oberlippe verraten hatte: Er war’s gewöhnt, seine Person als bevorzugt behandelt zu sehen! – Ich hatte ja ihm und Jörnsen nur erklärt, ich sei Chauffeur und durch einen unglücklichen Zufall von der »Drottning Viktoria« in die See gestürzt. Ob sie mir’s geglaubt hatten, erschien mir vorläufig ohne Belang. –

      Polternde Schritte über uns, und dann kam Holger Jörnsen in seinen schweren Seestiefeln die schmale Treppe hinabgestampft, – Jörnsen mit seinem grauen Kinnbart und der von Wind und Wetter gegerbten faltigen Gesichtshaut, ein echter Jan Maat alten Schlages. Breitbeinig pflanzte er sich vor dem Tischchen auf. In Rücksicht auf Boche Boche, der des Schwedischen nicht mächtig war, fragte er in seinem holperigen Deutsch: »Na – satt jetzt, die Herren? – Und nun?«

      Unter seinen dicken Augenbrauen, die ihm bis auf die Oberlider hinabhingen, blitzten ein Paar junge Augen, deren nadelscharfer Blick jetzt auf mir haften blieb.

      »Und nun, Herr Gunnar Aalfström? – Nicht viel Worte, denke ich … Ehrlich Spiel! Als ich heute früh Trelleborg mit meinem Kutter verließ, schnüffelte ein Polizeiboot nach einem gewissen Ingenieur Olaf Karl Abelsen … Der war nachts aus dem Zuchthaus M… entflohen … – Geht mich nichts an, die Sache, zumal der Herr Abelsen die zwei Jahre Zuchthaus nicht verdient haben soll …«

      Sein Blick ruhte unverwandt auf mir …

      »… Und einer, der von dem Trajekt ins Wasser fällt, hat nicht Zeit, zwei Korkwesten mitzunehmen … Auch das geht mich nichts an.«

      Da lachte Boche Boche leise auf … »Hast recht, Holger Jörnsen: ehrlich Spiel!! Besonders wenn einem der blonde Kopf so kurz geschoren ist wie dir, Kamerad! Und die zwei Korkwesten, stimmt, die passen nicht recht in deine Geschichte hinein, das merkte ich gleich. Du hast mir das Leben gerettet, Kamerad … Und das ist ein Kitt zwischen zwei Menschen, fester als Bande des Blutes. – Was soll in deinem Interesse geschehen?«

      »Bringt mich bei Nacht in die Nähe von Saßnitz auf Rügen, und – dann helfe ich mir schon weiter,« erwiderte ich.

      »Wird gemacht …« – und Jörnsen begab sich wieder an Deck.

      Der Namenlose fragte nach einer Weile:

      »Weshalb?!«

      Ich verstand ihn. »Weil meine Braut hinter meinem Rücken ein Liebesverhältnis mit einem englischen Kollegen unterhielt, den ich dann in ihrer Gegenwart mit der Faust niederschlug. Der Bursche hatte leider eine sehr dünne Hirnschale. Und meine Braut sagte nachher aus, ich hätte ohne vorherigen Wortwechsel die kantige Krücke meiner dicken Weinrebe als Waffe benutzt. Es war mein Pech, daß meine Faust zu hart ist …«

      »Ich glaube dir … – – Wie denkst du über Jörnsen und sein Weib?«

      Diese Frage überraschte mich.

      »Jörnsen ist niemals das, wofür er gelten will,« fügte Boche Boche leiser hinzu. »Er behauptet, Fischer zu sein … Sahst du seine Hände? Es sind die Hände eines Gelehrten. Und – bitte, dort das Wandbrett mit den Büchern … Hast du die Titel gelesen? – Schließlich noch: Jörnsen spricht perfekt deutsch wie du und ich. Sein scheinbares Suchen nach dem passenden deutschen Ausdruck ist beabsichtigt.«

      Ich war aufgestanden und hatte mich umgewandt. Auf dem Bücherbrett fand ich: »Professor Dr. Mieke, Künstliches Gold.« – »Oskar Branden, Die Goldlager Klondykes.« – »Dr. James Garder, Der Goldgehalt der Ozeane.« – »Professor Jörn Hebecly, Edelmetalle und Wünschelrute.« – »Major a. D. v. Blocknitz, Als Rutengänger in Südwest.« – »Edler Freiherr von Graewe, Die Wünschelrute und ihre Erfolge.« – »Samuel Gelling, Professor, Die Strahlung der Edelmetalle.« Und als letztes ein uralter in Schweinsleder gebundener Schmöker aus dem fünfzehnten Jahrhundert: »Von der wunderbahren Hystorie des Gottlieb Scharffer, Kapitän des Dreimasters Britannia, und von der Insel Arbusa, allwo die Reichtümer im Innern ruhen.« – Dieses Buch hatte ich aufgeschlagen, um mir über den Titel Aufschluß zu verschaffen. Hinter dem Titelblatt ragte ein Stück Papier fingerbreit hervor, das ich sofort als feinstes Büttenpapier erkannte. Neugierig zog ich den Zettel heraus. Er war mit lila Schriftzügen, einer sehr schmucklosen, energischen Schrift, auf der einen Seite bedeckt. Ich las – deutsche Worte, deutsche Sätze, las nochmals …

      Dann reichte ich Boche Boche den Zettel.

      Der überflog ihn …

      Meines Gefährten Gesicht war genauso grenzenlos erstaunt wie das meine.

      »Rufe Jörnsen!« meinte er und gab mir den Zettel zurück.

      Ich stellte die alte Scharteke an ihren Platz auf das Wandbrett zurück. Der Zettel lag wieder zwischen den ersten Seiten.

      Ich hatte es am nächsten zur Treppe, schob oben den Türdeckel zurück. Vor mir stand der alte Schiffer.

      »Gilt das Papier in dem alten Buche Boche Boche und mir?« fragte ich kurz.

      »Fragen sind verboten, Herr Abelsen. Das wissen Sie. – Wollen Sie?«

      »Ich – Ja!!«

      »Und Boche Boche?«

      »Ohne Zweifel auch …«

      »Dann ist alles in Ordnung, Herr Abelsen …« Und er brüllte seinem Weibe zu: »Helga – wenden!! Die Sache ist abgemacht!«

      Um mich kümmerte er sich nicht mehr. Er hatte mit den Segeln zu tun. Ich kehrte zu meinem neuen Freunde zurück.

      »Nun?« fragte er gespannt.

      »Es stimmt schon … Nur … Fragen stellen dürfen wir nicht – auch das stimmt!«

      Er lächelte fast freudig. »Schadet nichts! Ich habe doch wohl einen starken Schuß Abenteuerblut in den Adern … Diese Sache reizt mich.«

      5. Kapitel

       Jörnsen lüftet ein wenig die Maske

       Inhaltsverzeichnis

      »Ein Saufraß, den die dreckige Vettel zusammenkocht,« sagte mein Kamerad drei Tage später, als der Torstensen bereits auf den langen Wogen des Atlantik schaukelte, Kurs Nordwest. »Keine Ahnung hat sie vom Kochen! Der Raum unter uns ist vollgepfropft mit bestem Proviant, und das Weib pantscht uns hier etwas zurecht, das ich nicht mal meinem Hunde vorgesetzt hätte.«

      Wir waren schon am ersten Tage in die vordere, noch kleinere Kajüte umquartiert worden. Achtern hauste das Ehepaar Jörnsen.

      Boche Boche saß auf seinem schmalen Bett, löffelte trotz seiner gereizten Reden den allerdings undefinierbaren Saufraß mit bestem Appetit. »Hattest du denn einmal einen Hund?« fragte ich, an seine letzte Bemerkung anknüpfend. Es geschah häufiger, daß ihm derartige Andeutungen über seine Vergangenheit unbewußt über die Lippen kamen. Wenn ich dann näher nachforschte, ob sich diese Andeutungen nicht vielleicht zu einem klaren Erinnerungsbild umformen ließen, versagte sein Gedächtnis regelmäßig. Solche Bemerkungen waren lediglich wie ein schwaches Wetterleuchten ferner dunkler Eindrücke von einst. Auch jetzt schaute er mit zusammengekniffenen Augen vor sich hin und spannte die Haut über den Backenknochen straff, so sehr mühte er sich ab, die Fesseln zu sprengen, die ein gewisses Zentrum seines Hirns eingeengt hielten. »Einen Hund … einen Hund …«

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