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wahrscheinlich ist irgend wie etwas Schmutz an den Spazierstock gespritzt. Daß die Stiche von keinem Schlangenbiß herrührten, sah ich sofort. Sie lagen viel zu weit auseinander. Die Giftzähne einer ausgewachsenen Kobra, der größten Giftschlange Indiens, liegen allerhöchstens 2 Zentimeter auseinander. Die Stiche im Oberarm des Lords hatten einen Zwischenraum von 21/2 Zentimeter. – Ich fand das Geheimfach im Rauchtisch, weil Sie aus Unachtsamkeit ein Blättchen Zigarettenpapier in die Verschlußplatte eingeklemmt hatten, als Sie die Diamanten aus dem Zimmer holten, in dem der tote Lord saß. Er hatte zu niemandem über dies Versteck gesprochen. Ich überlegte mir, daß man ihm als Opiumraucher dies Geheimnis dort entlockt haben könnte, wo er diesem Laster frönte. Deshalb besuchte ich Tschodris Opiumhöhle, deshalb fragte ich die Chinesin aus. Und als Sie, Kasimir Stoschra, dann hier erschienen und mit Tokaru allerhand zu flüstern hatten, erkannte ich in Ihnen Tokarus Spießgesellen.“

      Harald ging jetzt in eine Ecke des Zimmers. Dort stand ein reichgeschnitzter, sehr dicker Spazierstock aus Bambusrohr. Er hielt Marlan das untere Ende des Stockes hin. „Bitte, – dort sind noch die Löcher zu sehen, in denen die vergifteten Nadeln saßen!“ sagte er nur. Dann winkte er mir zu. „Gehen wir, mein Alter. Wir haben noch anderswo etwas zu erledigen.“

      In demselben Moment trat ein indischer Dienstmann ein. „Hier – ein Brief für Sahib Harald Harst!“

      Harald steckte den Brief in die Tasche. Wir beide gingen in Tschodris Garten. Harst öffnete den Brief und ließ mich mitlesen. Da stand in Lady Broogs großer Schrift: „Master Harst! Ich weiß, Sie haben mich durchschaut. Ich habe Tokaru und den Blonden bei Tschodri belauscht. Ich konnte nicht alles hören. Ich wollte Albemarle vor diesem Anschlag schützen. Aber ich kam zu spät. Als ich durch das Fenster einstieg, war er schon tot. Ich holte den einen Spangenschuh und legte ihn dem Toten zwischen die Füße. Ich wollte dieses Mordes wegen verhaftet werden – von Ihnen! Und Sie wollte ich später dadurch blamieren, daß ich die wahren Mörder nannte. Diese Rache ist mir nicht geglückt. – Leben Sie wohl. Ich bin fortan Ihre begeisterte Verehrerin. – Anna Broog.“

      „So, mein Alter,“ meinte Harst, „nun weißt Du alles. Dieser Fall war ganz interessant.“ –

      Tokaru legte ein Geständnis ab und verriet auch den Ort, wo er und Stoschra die Diamanten verborgen hatten. Beide wurden zum Tode verurteilt. –

      Das Geheimnis der Kabine 24

       Inhaltsverzeichnis

       1. Das Fährschiff

       2. Das wimmernde Kind

       3. Auf der Preußen

       4. Das grauhaarige Weib

       5. Um Minuten

      1. Kapitel

       Das Fährschiff

       Inhaltsverzeichnis

      Mit dem „Geheimnis der Kabine Nr. 24“ beginnt eine Reihe von Abenteuern, die man mit Recht als Nordland-Abenteuer bezeichnen könnte, da ihr Schauplatz hauptsächlich das landschaftlich so abwechslungsreiche Norwegen ist.

      Die Kriminalfälle und seltsamen Geschehnisse, die mein Freund Harald Harst dort in Nordland aufklären konnte, gehören mit zu den eigenartigsten und aufregendsten, die er je in Arbeit hatte. –

      Am 3. Oktober kehrten wir im Auto gegen drei Uhr nachmittags heim. Wir waren beide müde und abgespannt, denn „Die Höllenmaschine Doktor Blucks“ mit ihrem verworrenen Nachspiel hatte uns volle 32 Stunden hintereinander in Atem gehalten.

      Vor dem Harstschen Familienhause in Berlin-Schmargendorf, Blücherstraße 10, stand ein Taxameterauto. Als wir unseren Kraftwagen verließen und Harald noch den Chauffeur bezahlte, kam die Köchin Malwine bereits durch den Vorgarten uns entgegengeeilt.

      „Es ist ein Herr aus Norwegen da,“ sagte sie ganz atemlos. „Der Herr ist furchtbar erregt und rennt im Garten hinten vor Unruhe auf und ab. Hier ist seine Visitenkarte.“

      Die Karte zeigte den Aufdruck:

      Doktor Sigurd Olavsen,

       prakt. Arzt,

       Christiania *),

       Kungsgatan 38.

      [*) Von 1624 bis 1924 trug Oslo den Namen Christiania.]

      „Herr Doktor Olavsen wird sich etwas gedulden müssen,“ meinte Harald. „Ich habe Hunger. Ist das Mittagessen bereit, Malwine?“

      „Jawohl, Herr Harst!“

      Da sahen wir auch schon einen jüngeren Herrn mit blondem Schnurrbart aus der Haustür treten.

      „Ah – endlich!“ rief er und winkte mit der Hand, schritt hastig auf uns zu und zog den Hut.

      „Mein Name ist Olavsen,“ sagte er in gutem Deutsch. „Ich komme direkt aus Saßnitz vom Fährschiff „Preußen“, Herr Harst. Meine Schwester ist während der Überfahrt von Schweden nach Rügen spurlos von dem Fährschiff verschwunden. Daß sie ins Wasser gestürzt sein könnte, ist ausgeschlossen –“

      Man merkte ihm an, wie sehr er in Sorge um diese Schwester war. Er machte einen recht sympathischen Eindruck, dieser Sigurd Olavsen, und die Angst, die in seinen blauen ehrlichen Augen lag, bestimmte denn auch Harst, freundlich zu erwidern:

      „Wir, mein Freund Schraut und ich, haben seit vielen Stunden nichts genossen. Wenn Sie uns bei Tisch Gesellschaft leisten oder an unserer Mahlzeit teilnehmen wollten, könnten Sie uns alles Wichtige mitteilen.“

      Olavsen nahm die Einladung ohne weiteres dankend an.

      Er erzählte dann folgendes:

      Er lebte in Christiania mit seiner Schwester Thora zusammen, besaß dort ein eigenes Haus, das er von seinen Eltern geerbt hatte und das zur Hälfte auch Thora gehörte.

      Diese war seit drei Monaten mit dem Schiffskapitän Holger Boomlund verlobt. Die Hochzeit sollte Ende November stattfinden. Thora hatte nun einen Teil ihrer Wäscheausstattung in Berlin einkaufen wollen, wo sie ein halbes Jahr bei einer verheirateten Freundin sich aufgehalten und Malstunden genommen hatte.

      Die Geschwister waren am 2. Oktober morgens mit dem Schnellzug von Christiania abgefahren, hatten heute früh 2 Uhr in Trelleborg, dem kleinen schwedischen Hafen, das Fährschiff Preußen bestiegen, das stark besetzt war, und nahmen im Speisesaal gleich nach der Abfahrt das Frühstück ein. Weiter in See zeigte sich das Meer jedoch so stark bewegt, daß Thora Olavsen, die zur Seekrankheit neigte, sich eine Kabine geben ließ. Die Schiffsaufwärterin wies ihr die Kabine Nr. 24 an. – Doktor Olavsen hatte sich, nachdem seine Schwester sich in Kleidern auf eins der beiden Betten gelegt hatte, wieder an Deck begeben, wo er sich in einem Liegestuhl in seine Zeitungen vertiefte.

      Unterhalb der Küste von Rügen war die See ruhiger. Als die Kreidefelsen von Stubbenkammer in Sicht kamen, hatte der Arzt seine Schwester wecken wollen.

      Er klopfte mehrmals an die Kabinentür. Niemand meldete sich. Er öffnete daher, fand die Kabine jedoch leer. Nun begann er seine Schwester zu suchen. Er glaubte, sie hätte die Kabine bereits verlassen.

      Niemand hatte die junge Dame gesehen. Ein Teil des Schiffspersonals beteiligte sich bald bei diesen immer eifrigeren Bemühungen, Thora irgendwo zu entdecken.

      Der Trajekt Preußen hatte inzwischen den Hafen von Saßnitz

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