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thronte auf einem hohen Schemel die Besitzerin dieses Seemannsheims, die in ganz Vorderindien berühmte Mutter Flepp.

      Das große, hagere Weib trug ein schwarzes Seidenkleid, dazu einen weißen Spitzenkragen und so viel Brillanten an Händen, Hals und Ohren, daß diese Pracht jeden Gauner gereizt hätte, wenn der Schmuck echt gewesen wäre. Wenigstens hielt ich ihn damals nicht für echt. Das hochfrisierte, zum Teil wohl falsche Haar Mutter Flepps machte das längliche, faltige und stark geschminkte Gesicht noch länger. Alles in allem wirkte sie etwa wie eine an der Kasse sitzende Jahrmarktbudenbesitzerin.

      Zwei Mixter (Mischer), bedienten die Gäste, die direkt am Schanktisch saßen. Drei Chinesen spielten die Kellner.

      Wir quetschten uns noch mit an den Schanktisch heran und bestellten nach der Karte einen recht teuren Mischtrunk und ebenso teure Zigarren.

      Mutter Flepp musterte uns mit ihren schwarzen, stechenden Augen so durchdringend, daß ich schon fürchtete, sie durchschaue unsere Maske.

      Aber ihr Gesicht wurde sofort freundlicher, als Harst für uns ein gutes Zimmer für drei Tage verlangte und dabei Mutter Flepp eine Zwanzigpfundnote nachlässig zuwarf.

      Sie rutschte mit ihrem hohen Schemel mehr nach links und saß uns nun gegenüber.

      „Wo kommt Ihr her, Jung’s ?“ fragte sie auf englisch und schob ein frisches Stück Kautabak in den Mund.

      Harald spuckte auf den Fußboden, grinste und sagte:

      „Geht Dich ’n Dreck an, Mutter Flepp. – Was können wir zu essen haben?“

      Ihre Stirn zog sich kraus. „Nur Kaltes, Jung’s. Die Bessie, das verdammte –, ist ja ausgekniffen. Sie kochte für die Gäste. Hab’ noch keinen Ersatz für sie.“

      Harald beugte sich weit über den Tisch und flüsterte:

      „Mutter Flepp, hab’ die Bessie gesehen, gestern. Droben in Pulikat.“ (Pulikat ist eine kleine Hafenstadt nördlich von Madras).

      „Wie?! Gesehen?! Jung, Du lügst. Du warst ja noch nie hier. Du kennst die Bessie gar nicht.“

      Harald krümmte sich vor Lachen.

      „Noch nie hier?! – Gewohnt hab’ ich bei Dir noch nicht, Mutter Flepp. Aber versoffen hab’ ich hier schon manche Heuer.“

      Sie nickte zerstreut und rief dem einen Mixter zu, auf die Kellner aufzupassen. Sie schloß die Kasse ab und sagte. „Kommt mit, Jung’s –“

      Wir tranken aus und gingen hinter ihr drein. Sie führte uns in den Hinterflur und eine Treppe hinauf in die Logierräume.

      Es war nur noch ein einziges Vorderzimmer frei. Die Fenster hatten Aussicht über den ganzen Hafen. Wir nahmen dieses Zimmer, warfen unsere Bündel auf den Tisch und setzten uns.

      Mutter Flepp seufzte und schaute Harst fragend an.

      Harald lächelte. „Du willst was über Bessie hören, Mutter Flepp. Ich weiß nichts, gar nichts. Ich hab’ gelogen,“ sagte er leise. „Inspektor Davis erzählte uns, daß man sich auf Dich verlassen könne. Du bist verschwiegen, und Du stehst mit der Polizei gut. Ich heiße Harald Harst –“

      Mutter Flepp riß die Augen auf.

      „Aha, Jung, – aha! Ahnt ich’s doch!“ flüsterte sie. „Harald Harst! – Jung, Du wirst mir die Bessie suchen.“

      „Das werd’ ich, Mutter Flepp. Ich suche noch was anderes, die Atlanta.“

      „Dacht ich mir schon, Harst, – dacht ich mir schon! Eine dolle Geschichte mit der Atlanta. Käpten Braxler war oft hier bei mir, auch der Steuermann und der Obermaschinist. Hatten Geld wie Heu, Jung. Der Lord bezahlt anständig.“

      „Mutter Flepp, niemand darf wissen, wer wir sind,“ sagte Harald eindringlich. „Auch Davis nicht. Wir heißen Halper und Shmits.“

      „Gut. Halper und Shmits. – Ich werd’ Euch was zum Essen bringen, Jung’s. Bin gleich wieder da.“

      Sie eilte hinaus.

      „Ein Original,“ meinte Harald. Dann sah er sich im Zimmer um.

      Alles war peinlich sauber. Links führte eine Tür in das Nebenzimmer. Sie war durch einen Schrank verstellt und mit dicken Decken verhängt.

      Gleich darauf kam Mutter Flepp mit einem Riesenteebrett, auf dem allerlei gute Sachen standen.

      Wir hatten Hunger und machten uns sofort darüber her. Unsere Verbündete setzte sich zu uns.

       Der vielseitige Albemarle

       Inhaltsverzeichnis

      „Hast Du denn gar nichts bemerkt, Mutter Flepp?“ fragte Harald in vorsichtigem Flüsterton. „Bessie muß doch mit irgend jemand in letzter Zeit vertrauter gestanden haben. Hat ihr nicht dieser oder jener Deiner Gäste stärker den Hof gemacht?“

      Sie schüttelte den Kopf, holte aus der Tasche eine Photographie hervor und hielt sie uns hin.

      „Das ist meine Bessie, mein einziges Kind. Für sie hab’ ich als Witwe mich hier mit dem verfluchten Matrosenvolk herumgeärgert. Für sie habe ich gespart. Zweiundzwanzig ist sie alt, war in England zwei Jahre in Pension –“

      „Halt,“ meinte Harst. „Sie war stets sehr ablehnend Männern gegenüber, erzählte Davis uns.“

      „Das stimmt. Sie galt für hochmütig. In der Kneipe war sie nie zu sehen. Sie hatte die Küche unter sich, und sie war fleißig und kochte großartig.“

      „Wann kehrte sie aus England zurück?“

      „Vor acht Monaten.“

      „Und sie hatte hier keinen Verehrer, Mutter Flepp?“

      „Verehrer?! Jung’, bei der hätt’st Du nicht mal Glück gehabt.“

      „Sie kann dann doch aber unmöglich mit einem Manne durchgebrannt sein, Mutter Flepp?!“

      „Es ist so. Sie ist ja gesehen worden. Sie war Montag abend in das Gayty-Theater gegangen. Es gab so’n modernes Stück. Zufällig war Käp’ten Dobbler auch da.“

      „Wer ist Dobbler?“

      „Der Eigentümer und Kapitän des Motorschleppers „London“, ein Freund meines seligen Mannes. Und dieser Dobbler hat beobachtet, wie Bessie nach dem zweiten Akt mit einem Herrn, der neben ihr gesessen hatte, hinausging. Sie kam auch nicht wieder. Sie hat sich eben von diesem Unbekannten umgarnen lassen und – na, – seitdem ist sie eben weg.“

      Harald schob den Teller beiseite und besichtigte die Photographie.

      Diese Bessie Flepp war wirklich ein hübsches Mädchen. Sie sah geradezu vornehm aus. In ihrem Gesicht war ein Zug von hochmütiger Verschlossenheit.

      Harald steckte die Kabinettphotographie zu sich. „Du gestattest doch, Mutter Flepp. Ich werde das Bild brauchen,“ sagte er kurz. Dann fragte er: „Wer wohnt dort neben uns?“ Und er zeigte auf die verstellte Tür.

      „Der Steuermann einer französischen Jacht.“

      „Jacht?“ Etwa die, die unweit der Atlanta am Kai liegt?“

      „Ja, die französische Jacht „Mohalla“, einem Monsieur James Goorb gehörig. Goorb, ein alter Herr, treibt sich im Lande herum. Die Besatzung hat er bis auf drei Mann beurlaubt. Zwei Leute sind als Wache an Bord, und der Steuermann Malcolm wohnt hier. – Weshalb fragst Du nach der Mohalla, Jung’?“

      „Ich frage immer sehr viel, Mutter Flepp. Das liegt so bei uns im Beruf. – Ist einer der Leute von der Mohalla ein kleiner pockennarbiger, bärtiger Kerl mit goldenen Ringen in den Ohren?“

      „Stimmt,

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