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war meine Neugier jetzt vollkommen geschwunden. Ich mußte ja zugeben, daß Harald nicht ganz unrecht gehabt hatte, als er meine Bequemlichkeit rügte. – Ich begann nun selbst ein gleichgültiges Gespräch, auf das Harst harmlos und lebhaft einging.

      Um halb sechs begaben wir uns an Bord des Dampfers, wo wir durch den Hoteldiener eine Kabine mit zwei Betten bis Sansibar hatten belegen lassen. Pünktlich 6 Uhr stach der „Shurrfield“ in See. Wir standen auf dem Promenadendeck. Harst hatte eine Zigarette im Mundwinkel und warf den Negerkindern auf dem Kai kleine Münzen hin, lachte herzlich über die Balgereien, die dadurch hervorgerufen wurden. Langsam setzte sich der Dampfer in Bewegung. Als die Hafenanlagen allmählich undeutlicher wurden, als der Steamer in Fahrt kam, sagte Harst ruhig:

      „Er war wieder da!“

      „Wer?“ fragte ich, fügte aber sofort hinzu: „Natürlich der Dieb!“

      „Ja – James Palperlon!“

      Ich brachte vor Überraschung kein Wort heraus. Auf alles war ich vorbereitet auf diesen Namen nicht!

      Harst sprach einen englischen Offizier an. Er tat’s wohl nur, um meinen Fragen zu entgehen.

      Das Kap der guten Hoffnung, die Südspitze der großen Halbinsel, an deren Nordseite Kapstadt liegt, ist etwa 60 Kilometer lang. Sie bildet mit dem Festland nach Osten zu die Falsche Bai, einen sehr unruhigen Meeresteil, dem die Schiffe gern ausweichen. Gegen neun Uhr abends, umrundete unser Dampfer das Kap. Wir konnten nun jeden Augenblick damit rechnen, daß das Motorboot auftauchte. Es war jetzt völlig dunkel. Harst hatte inzwischen bereits den Kapitän davon verständigt, daß wir wieder von Bord wollten. Harsts Name hatte genügt, den Kapitän sehr entgegenkommend zu machen. Abermals standen wir an der Reling des Promenadendecks und waren nun endlich wieder allein.

      „Es ist ja geradezu unglaublich, daß Palperlon schon wieder unseren Weg kreuzt,“ sagte ich zu Harst, der mit seinem Fernglas nach dem Motorkutter ausspähte.

      „Diesmal ist’s ein reiner Zufall, mein Alter. Es wird Palperlon wenig lieb gewesen sein, daß Fitzgerald uns zu Hilfe holte. Er gab sich alle Mühe, beim Einbuddeln der Blumenstauden in das Beet sein Gesicht möglichst wenig sehen zu lassen. Hätte er dies weniger auffällig getan, dann wäre ich wohl achtlos an ihm vorübergegangen.“

      „Der Gärtner Fitzgeralds!“ rief ich leise. „Unmöglich! Fitzgerald sagte doch, daß er Simpson schon jahrelang beschäftige.“

      „Da hast Du falsch gehört. – „Jahrelang kenne“, sagte er. – Er sagte aber auch noch etwas von Simpsons Abenteurernatur. Daher wollte ich nachher das Stubenmädchen, das schon acht Jahre bei Fitzgeralds im Dienst ist, über Simpson aushorchen. Und ich erfuhr so, daß Simpson erst seit neun Tagen wieder den Gärtnerposten innehätte, daß er aber schon einmal vor drei Jahren ein paar Monate bei Fitzgeralds diese Stellung bekleidete, die er jedoch aufgab, weil er sich mit Edward Pook nicht vertrug. Pook hatte Simpson sogar einmal beschuldigt, sich nachts heimlich in der Villa herumzudrücken und dann überraschte er ihn wirklich ein andres Mal und jagte ihn mit der Reitpeitsche von dannen. Nach diesem Vorfall kündigte Simpson und verließ Rondebosch, obwohl Fitzgerald große Stücke auf ihn hielt. – Du weißt nun also, daß Palperlon gleich nach dem mißglückten Streich an der Rätselbrücke im Sululande, wo er freilich unsichtbar blieb, sich hier nach Kapstadt gewandt hat. Die „Rose von Rondebosch“ stach ihm in die Augen. Kein Wunder – ein solcher Edelstein! – Fitzgerald nahm ihn gern auf, ahnte nicht, wen er als „Gärtner“ einstellte. Hier trifft die Redensart „den Bock zum Gärtner machen“ beinahe zu. Für Palperlon war es nicht schwer, den Stein zu stehlen, da er ja fraglos in der Villa von früher her gut Bescheid wußte, als er sich mit demselben Plane beschäftigt hatte. Edward Pook wird damals durch seine Wachsamkeit alle Anschläge Palperlons auf den Edelstein vereitelt haben. Deshalb auch Palperlons Haß gegen ihn, deshalb jetzt der Knopf hinter dem Glaskasten und – Pooks jäher Tod.“

      Ich hatte mit atemloser Spannung gelauscht.

      „Also ist der arme Mensch wirklich ermordet worden!“ meinte ich erregt.

      „Nein. Nicht ermordet.“

      „Ja, – aber wie soll ich dann Deine Bemerkung verstehen, daß als Folge von Palperlons Haß –“

      „Dort – der Motorkutter!“ rief Harst. „Vorwärts! Der Steward soll unsere Koffer an das Fallreep schaffen. Der Kapitän läßt schon beidrehen.“

      Der Kutter konnte bei der ruhigen See bequem längsseit kommen. Wir stiegen hinüber, winkten dem Kapitän des „Shurrfield“ noch einen letzten Gruß zu und wurden nun von Fitzgeralds Freund Treebram begrüßt, der uns in die kleine Kajüte führte, wo wir es sehr behaglich hatten. Treebram war Ingenieur beim Hafenamt in Kapstadt und wußte uns manches Interessante über die Kapkolonie zu erzählen, wo er nun bereits zwanzig Jahre weilte.

      Ich war sehr müde und nickte bald in der Ecke des Wandsofas ein. Hin und wieder erwachte ich wohl, konnte aber vor Zigarettenrauch Harst und Treebram kaum noch erkennen, so dick hatten die beiden die Kajüte vollgequalmt.

      Der Kutter fuhr die Ostküste der Kaphalbinsel entlang und legte dann kurz nach 2 Uhr morgens am Nordufer des Muizenberg-Salzsees an, der mit der Falschen Bai durch einen Kanal in Verbindung steht. Hier am Ufer des Salzsees wartete ein von Treebram besorgtes Auto auf uns, das uns auf der tadellos gepflegten Fahrstraße nach Rondebosch brachte. Wir stiegen schon vor dem Villenorte aus. Der Kraftwagen setzte den Weg nach Kapstadt fort.

      Ich war jetzt ganz frisch. Der Schlaf in der Kutterkajüte war mir gut bekommen. Wir fanden uns in Rondebosch unschwer zurecht. Genau um 3 Uhr morgens kletterten wir über die Parkmauer der Villa Fitzgeralds und schlichen nun mit größter Vorsicht auf das Gärtnerhäuschen zu.

      Dieses stand neben dem Parktor, war ein sauberer kleiner Ziegelbau mit flachem Pappdach und sah ganz wie ein nettes Sommerhaus aus. Zwei der Fenster nach dem Parke hin waren matt erleuchtet. Da sie kaum 11/4 Meter über dem Erdboden lagen, konnten wir durch das eine, dessen Vorhänge nur halb geschlossen waren, bequem in die Stube hineinlugen, in der auf dem Nachttischchen neben einem einfachen Bett eine kleine elektrische Stehlampe mit gelbem Stoffschirm brannte.

      Ein einziger Blick genügte: in dem Bett lag, nur mit einer Decke zugedeckt, ein Mann – Palperlon in der Maske, die er hier als Gärtner Simpson trug. Vor dem Bett wieder bemerkte ich eine Zeitung, die offenbar Palperlons Händen beim Einschlafen entfallen war.

      Harst schwang sich schon auf die Fensterbrüstung. Die oberen Fensterflügel waren weit offen. Ganz geräuschlos schob er auch den Riegel der unteren auf, mit dem Arm hindurchlangend.

      Der Weg war frei.

      „Wir packen ihn sofort,“ flüsterte Harst. „Du nimmst Dich der Beine an. – Da – er schnarcht! Er kann uns nicht entgehen!“

      Ich war derselben Überzeugung. Ich dachte: diesmal habt ihr ihn sicher. Und – hatten wir ihn, dann würde endlich eine angenehmere Zeit für mich beginnen, denn dieser Kampf gegen Freund James kostete Nerven.

      Harst kletterte als erster hinein, trat sofort zur Seite, um mir Platz zu machen. Ich packte das Fensterkreuz, saß nun auf dem Fensterbrett, wollte mich langsam auf die Zimmerdielen hinablassen.

      Da – links von mir ein dumpfer Krach und gleich darauf ein Ächzen. Ich schaute hin; ich sah, wie Harst wie ein Klotz umfiel; sah einen Mann irgend eine Waffe schwingen, erhielt einen furchtbaren Schlag gegen die Schläfe, flog vornüber und verlor das Bewußtsein. –

      Mein Erwachen war seltsam genug. Ich hatte plötzlich das Gefühl, daß man mir mit kleinen Hämmern ununterbrochen gegen den Schädel klopfe, mein Kopf selbst aber gar nicht mehr zu meinem Körper gehöre. Daß ich noch einen Leib besaß, spürte ich in keiner Weise. Als ich dann die Augen zu öffnen versuchte, fuhren mir glühende Stangen durch das Hirn. Ich ließ die Lider also geschlossen. Ganz – ganz allmählich gewann ich die Empfindung dafür zurück, daß an meinem schmerzgepeinigten Kopf auch noch ein Leib hing. Und dann wurde mir ebenso langsam klar, daß ich nicht etwa irgendwo ausgestreut lag sondern schwebte. Ich gab mir alle Mühe zu ergründen, wie dieses Schweben zustande kam.

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