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Als ich heute, ohne unseren Ausflug auf den Turm im einzelnen zu schildern, fragte, weshalb die Göttin Kali dort oben trotz ihres hohen wissenschaftlichen Wertes ihr „Ton-Dasein“ – es ist ja eine bemalte Tonfigur – vertrauern müsse, kriegte Domke einen puterroten Kopf und fluchte wie ein alter Jan Maat: „Das Haus haben sie mir rein gestürmt, die gelehrten Herren, als bekannt wurde, daß ich eine Unmenge indischer Altertümer besäße! Rausgeschmissen hab’ ich sie alle! Ich will meine Ruhe haben! Erst stand der Götze in der Vorhalle. Aber – das war ja der reine Lockvogel für die Herren Altertumsforscher!“ – Jedenfalls, Meester, Herr Domke hat seine Nücken! – Dann ist Nummer zwei der Rechnungsführer des Gutes da, Herr Erwin Balk. Er sieht so harmlos aus, daß ich ihn nicht weiter beachtet hätte, wenn – ja, wenn er nicht gerade in jenem Zimmer wohnen würde, zu dem der zweite Wandschrank gehört – der mit den Anzügen!“

      „Ah – Erwin Balk! Also das ist unser Mann!“

      „Dann Nummer drei, die Köchin. Über sie brauche ich nichts zu sagen. Dann Nummer vier, das Stubenmädchen, auch harmlos ohne Zweifel. Schließlich der Diener, Nummer fünf, Gottlieb Krause mit Namen. Er brachte uns das Frühstück. Hm – dieser Krause ist Gott nicht lieb, glaube ich! Nein, bestimmt nicht! Der Kerl scheint Nachtschwärmer zu sein. Ganz elend sah er aus, übernächtigt. Und hat Augen, die nicht gut sind, ungute Augen. Du wirst ihn ja sehen.“

      „Du meinst, er steckt mit Balk unter einer Decke?“

      „Ich meine, daß hier weit mehr Geheimnisvolles im Schlosse vorgeht, als unsere Schulweisheit sich bisher träumen läßt. – Iß und trink’ Meester! Die Arbeit ruft!“

       Inhaltsverzeichnis

      Harald hatte bereits mit Domke vereinbart, daß die Tapeten, die der Chauffeur Plitt mitgebracht hatte, dem Gutsbesitzer nicht gefallen sollten, damit erst andere besorgt werden müßten und wir noch den Tag über einer Arbeit entgingen, die selbst Harst wohl bei all seiner Vielseitigkeit kaum nach Wunsch erledigt hätte. Auch das Tapezieren will gelernt sein.

      Um aber die Tapeten-Angelegenheit möglichst „echt“ hinzustellen, mußte Domke dem – natürlich eingeweihten – Plitt eine weithin hörbare Standpauke über „diese geschmacklosen Muster“ halten und den Ergrimmten markieren.

      Wir beide wieder taten so, als ob wir unter diesen Umständen nach Berlin zurückkehren wollten, was Domke dadurch verhinderte, daß er uns den vollen Tagelohn versprach.

      So konnten wir denn gegen acht Uhr, um die Zeit totzuschlagen, einen Spaziergang machen. Dieser führte uns auf Umwegen nach dem Walde. Harst wollte feststellen, wie es in der Umgebung jenes Baumes aussah, von dem die Lichtsignale von jener „Elly“ erwidert worden waren.

      Der Nordrand des Waldes war zugleich auch, wie Domke Harst mitgeteilt hatte, die Grenze des Guts. Unweit des Waldes lag ein größeres Gehöft, ein Bauernhof.

      Wir waren inzwischen dem Obstgarten des großen Gehöfts ganz nahe gekommen. Eine hohe Dornenhecke umgab den Garten. Wir sahen über die Hecke eine Trittleiter hinwegragen, auf der ein junges blondes Mädchen mit frischem Gesicht stand, Birnen pflückte und uns jetzt zurief:

      „Eine Birne gefällig? – Achtung – fangen Sie!“

      „Lieber nicht, Fräuleinchen,“ meinte Harst. „Mit ’n Fangen is das so ’ne Sache. Bringen Sie se uns lieber dort an die Pforte.“

      „Gut. Sofort!“ – Das war wirklich ein nettes Mädel. Aber – es war eine Städterin trotz des Dirndlkleides. Das merkte man.

      Dann standen wir ihr an der Lattenpforte gegenüber.

      Harald biß sogleich herzhaft in die große saftige Frucht hinein, sagte nun lachend:

      „Sie sind hier wohl Sommerjast, Fräulein, was? Die Bauern jeben nich so leicht was ohne Berappung wej –“

      „Nein. Erzieherin bin ich hier. Der Besitzer Jeschke hat zwei Mädelchen.“

      „Und nadierlich schwere Moneten! Ja, ja – die Bauern heutzutage! Die haben’s besser als wir Handwerker, Fräuleinchen. Wir sind nämlich Tapezierer und sollen da drieben bei Domke zwee Zimmer auf neu aufwichsen. Aber die Tapeten sind noch nich da –“

      Das Gesicht des jungen Mädchens nahm einen gespanten Ausdruck an.

      „Ach – wirklich! In Schloß Domkenhof haben Sie Arbeit! So – so! Sind Sie denn schon lange da?“

      „Nee – seit jestern abend, Fräulein. Wir werden froh sein, wenn wir wieder wej sind. In den ollen Kasten jeht es um – Sie vastehn: es spukt!“

      „Ja. Man spricht so etwas,“ nickte sie zerstreut. „Haben Sie denn in der Nacht was gehört?“

      „Und ob! Es war rein zum Graulichwerden. Wir, der Meester und ich, waren nachher so munter, daß wir uns in ’t Fenster von unsre Stube lejten und ’ne Zigarre roochten. Und da haben wir ’n janz komischen Stern jesehn, Fräulein, so einen, der mal leuchtete, mal wieder nich leuchtete –“

      Ah – sie war etwas rot und verlegen geworden! Harsts Anzapfung hatte dies bewirkt.

      „Es – es gibt solche Sterne,“ sagte sie schnell. „Wo liegt denn Ihre Stube im Schloß?“

      „Na – in ’n ersten Stock nach Nordost raus – nach ’n Wald zu. Der Stern funkelte jrade so überm Walde.“

      Sie blickte zu Boden, rief dann:

      „Bitte, hier haben Sie noch jeder eine Birne. Ich muß wieder an die Arbeit gehen –“

      Wir bedankten uns und schlenderten weiter den Feldweg entlang.

      Auf einem Kartoffelacker nahm ein Knecht Kartoffeln aus. Harald brauchte plötzlich Feuer für seine Zigarette, gab auch dem Knecht dann eine Zigarre, die er vorher mir abgefordert hatte, und erfuhr in kurzem, daß die Erzieherin Fräulein Elly Schenk seit dem ersten April bei Besitzer Jeschke in Stellung sei und daß Jeschke nie Sommergäste nehme; auch sonst gebe es hier auf eine Meile in die Runde niemand, der an Berliner für den Sommer vermiete. Nur der Wirt vom Gasthof Drei Eichen im Dorfe Plenkwitz drüben habe manchmal Fremde, aber nur selten.

      Wir wanderten also die halbe Stunde nach Osten zu bis Plenkwitz und frühstückten im Dorfkruge Zu den drei Eichen. Doch auch hier wohnte keine Dame, die vielleicht Orstra hätte sein können.

      Gegen elf Uhr machten wir kehrt, schlugen einen anderen Weg ein und gelangten in den Wald, der sich dicht an Jeschkes Gehöft hinzog.

      Bisher hatte Harald sich über die Erzieherin völlig ausgeschwiegen. Nun erklärte er unvermittelt:

      „Du siehst jetzt wohl ein, daß Elly Schenk diejenige war, die Erwin Balks Lichtdepesche in Empfang nahm und erwiderte. Traust Du ihr etwas Schlechtes zu? Wohl kaum! Ich auch nicht!“

      „Aber – wozu denn in aller Welt diese Heimlichkeiten?! Sie mag Balks Verlobte sein. Weshalb –“

      „Die Wissenschaft!“ fiel Harst mir ins Wort. „Weit wichtiger ist nun die Frage: wer war der Mann, der in der verflossenen Nacht das Schloß verlassen hat und mit dem Paket zurückkehrte?! – Meine erste Annahme, daß dieser Mann sich durch die Lichttelegraphie mit Orstra in Verbindung gesetzt hatte, trifft nicht zu. Die Depeschen sind harmlos und haben mit Orstra nichts zu tun. Weit wahrscheinlicher ist, daß Orstra und der Mann schon vorher ein Stelldichein verabredet hatten und daß dieser Mann nicht mit Balk identisch ist, sondern daß es der Diener Gottlieb Krause war. Es laufen hier eben zwei Geheimnisse nebeneinander her: Balk, Elly und die Lichttelegraphie, und zweitens Gottlieb Krause, der Spuk und Orstra –“

      Harald war plötzlich stehen geblieben.

      „Hier führt etwas wie ein Pfad über die Lichtung. Hier ist jemand wiederholt hin und her gegangen,“ meinte er. „Und – die Eindrücke da in

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