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wir untersuchen, wie Elly Schenk dort auf die Eiche hinaufgelangt. Sie kann doch nicht jede Nacht, wenn sie mit Balk telegraphiert, eine lange Leiter hierher schleppen! Ich hoffe, wir werden – Na – die Praxis geht über die Theorie!

      Die Eiche stand einsam auf einem Hügel. Harst schaute sich wiederholt mißtrauisch um, bevor er der Eiche zuschritt. Nur eine weiße Ziege mit langen Hörnern weidete etwa hundert Meter nach Süden zu an einem dicken Strick.

      Ich war dicht hinter Harald. Er drehte jetzt den Kopf, meinte sehr gedehnt:

      „Wer läßt eine Ziege so weit ab von jeder menschlichen Behausung allein im Walde weiden?! Wo steckt der Besitzer der Ziege?“

      „Ein Ziegenbesitzer dürfte uns kaum stören,“ erwiderte ich.

      „Wenn er uns beobachtet und dann weitererzählt, wir hatten hier sehr seltsame Dinge getrieben, könnte dies auch zu Ohren Ellys, Balks oder Krauses kommen, und dann würde „man“ wohl an unserer Handwerkerechtheit zweifeln und – Lunte riechen!“

      „Wir brauchen ja nicht seltsame Dinge zu treiben. Weshalb soll man nicht eine Eiche erklettern. Das ist doch kaum so sehr seltsam!“

      Harald schwieg. Wir waren unter dem Baume angelangt, hoben die Köpfe.

      Und – fuhren beide leicht zurück.

      Da stand auf dem untersten sehr dicken Ast an den Stamm geschmiegt ein Weib mit stark gepudertem Gesicht in Sportanzug und Sportmütze – scheinbar ein Weib, in Wirklichkeit Ottmar Orstra!

      Der blanke Revolver in seiner Rechten war auf uns gerichtet; und das ironische Lächeln galt uns beiden.

      „Hände hoch!“ befahl er kurz.

      Wir mußten gehorchen.

      Dann balancierte er auf dem Ast ein Stück weiter, ließ uns dabei keinen Moment aus den Augen, warf mit dem Fuße eine Strickleiter, die bisher zusammengerollt und unsichtbar dort gelegen hatte, herab und fragte:

      „Herr Harst, haben Sie diese Strickleiter hier angebracht? Ich habe den dünnen Draht zufällig gefunden, der von diesem Ast durch Ösen am Stamm hinabläuft –“

      Harald wollte etwas erwidern.

      Da – hinter uns ein Knall – ein Büchsenschuß vom Westrande der Lichtung.

      Orstras Arme schnellten nach oben.

      Dann – fiel er herab, fiel unten in das Gras.

      „Holla!“ kam auch schon eine tiefe Stimme vom Waldrande herüber. „Das war wohl die höchste Zeit! Der Kerl hätte Sie niedergeknallt!“

      Gutsbesitzer Domke tauchte auf, lief keuchend auf uns zu, hielt noch die rauchende Büchse in der Hand.

      „Meine Herren – ich hätte doch vielleicht nicht so voreilig sein sollen!“ stammelte er jetzt und starrte auf den regungslosen Körper.

      Orstra lag auf dem Rücken. Die Büchsenkugel war dicht über der Nase in den Kopf eingedrungen. Der Tod mußte blitzartig erfolgt sein.

      „Sie glaubten uns in Lebensgefahr, Herr Domke,“ sagte Harald leise. „Das erklärt vieles –“

      „Wer – wer ist der – Mann?“ fragte Domke zögernd. „Ist es denn überhaupt ein Mann? Das – das gepuderte Gesicht sieht doch –“

      „Es ist ein Verbrecher, Herr Domke! Es ist ein gewisser Ottmar Orstra –“

      „So?! Orstra?! Ich höre den Namen zum ersten Male –“

      Harald erwiderte ebenso leise: „Es ist – die Radlerin, der Sie gestern begegneten, Herr Domke –“

      „Mein Gott!“ stieß der alte Herr hervor. „Die Radlerin?! Was – was bedeutet das alles. Die Strickleiter da, und –“ – Er zog sein Taschentuch hervor und trocknete sich den Schweiß von der Stirn.

      Harst hatte schon die Strickleiter erfaßt, kletterte flink nach oben, kletterte von Ast zu Ast und kam mit einer mittelgroßen Karbidlaterne wieder herunter.

      „Hier – dies ist die zweite Lichtquelle für die nächtliche Telegraphie,“ sagte er.

      Domke hatte nur Augen für den Toten.

      „Wir – wir werden die Sache nach Babelsberg melden müssen – dem Amtsvorsteher,“ meinte er mit einem halb unterdrückten Seufzer. „Herr im Himmel – hätte ich nur nicht geschossen! Aber – ich wollte Sie retten! Es sah so aus, als würde der Mensch jeden Augenblick abdrücken!“

      „Das entschuldigt Sie, Herr Domke.“

      „Ja – meine Nerven sind ja auch schon fast zum Teufel durch den verdammten Spuk!“ polterte der Gutsbesitzer los, offenbar nur, um seine gedrückte Stimmung zu verbergen. „Wahrhaftig, Herr Harst, ich hätte den Brief an Sie nicht geschrieben, wenn ich nicht –“

      „Ich begreife das durchaus, Herr Domke,“ fiel ihm Harald ins Wort. „Ihre Nervosität ist begründe. Der Spuk ist sehr schlau inszeniert worden.“

      „Ja – und meine Kaltblütigkeit in dem Briefe war nur erheuchelt. Ich – ich schlafe seit Wochen stets bei Licht und hinter doppelt verriegelter Tür mit dem Revolver neben mir. Dieses – dieses Kettengerassel kann selbst den aufgeklärtesten Menschen verrückt machen! Ich habe alles versucht, der Sache auf den Grund zu kommen, aber –“

      „– Sie hätten die Dielen in den Fluren aufheben sollen, Herr Domke.“

      „Was – Dielen im Flur?!“ Er war ganz sprachlos.

      „Ja. Die Dielen. Dann hätten Sie dort wahrscheinlich Ketten und Schnüre gefunden – Schnüre, mit deren Hilfe man die Ketten hin und her ziehen kann, so daß das schleifende Geräusch entsteht –“

      „Donner – daß ich daran nicht gedacht habe!“

      „Herr Domke, Orstras Tod muß natürlich gemeldet werden. Aber – vorher wollen wir noch in Ihrem Schloß einiges erledigen. – Kennen Sie die Ziege da?“

      „Ja, gewiß. Sie gehört der Witwe Krämer, die das Häuschen hinter den Stallungen bewohnt. Der Mann der Krämer war Stellmacher bei mir. Er starb vor einem Jahr.“

      „Hat sich Ihr Diener Gottlieb Krause mit der Krämer angefreundet?“

      „Die beiden sind ja verwandt. Krause ist ihr Neffe.“

      „So – so. Und – seien Sie jetzt ganz offen, Herr Domke – haben Sie vielleicht aus Indien besondere Kostbarkeiten mit herübergebracht?“

      Der alte, dicke Herr blickte Harald scharf an. „Wie kommen Sie gerade darauf, Herr Harst?“

      „Das ist keine Antwort auf meine Frage, Herr Domke.“

      „Na – Sie sollen’s denn erfahren, meine Herren: ich besitze eine Brahmastatue von über ein Meter Höhe aus reinem Golde. Sie stammt aus den Ruinen von Delhi in Indien. Ich habe sie dort selbst gefunden.“

      „Und – weiß niemand etwas von dieser Statue?“

      „Nur einer wußte davon: der alte greise Krämer, der Stellmacher. Ihn zog ich ins Vertrauen. Mit seiner Hilfe schuf ich ein Versteck für die Statue, einen geheimen Wandschrank neben dem Kamin in der Vorhalle.“

      „So – das genügt mir, Herr Domke. Nun wollen wir Frau Krämer aufsuchen und sie fragen, ob sie nicht jemand als Gast in ihrem Häuschen seit gestern heimlich beherbergt hat, – nämlich die Radlerin! Orstra also! – Ich denke, man wird von dem Häuschen hier in den Wald gelangen können, ohne gesehen zu werden.“

      „Das stimmt. Es zieht sich ein ausgetrockneter tiefer Graben, der am Rande mit Gestrüpp bewachsen ist, bis zum Waldesrande hin. – Herr Harst, glauben Sie etwa, daß die Krause es auf die Brahmastatue abgesehen hatte?“

      „Das möchte ich in Krauses Gegenwart erörtern.

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