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Aus meinem Leben. Paul von Hindenburg
Читать онлайн.Название Aus meinem Leben
Год выпуска 0
isbn 4064066117658
Автор произведения Paul von Hindenburg
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Am Tage nach meinem Besuch in Paris hatte das Gardekorps die hohe Ehre und unendliche Freude, vor seinem Kaiser und König auf den Longchamps in Parade zu stehen. In alter preußischer Strammheit defilierten die kampferprobten Regimenter vor ihrem Kriegsherrn, auf dessen Befehl sie jederzeit bereit waren, erneut ihr Leben für den Schutz und die Ehre des Vaterlandes einzusetzen. Zu einem wirklichen Einzug in Paris, wie er vorher andern Armeekorps beschieden gewesen war, kam es für uns nicht mehr, weil inzwischen der Präliminarfriede abgeschlossen war und Deutschland den in ehrlichem Kampfe besiegten Gegner nicht den Kelch der Demütigung bis auf die Neige leeren lassen wollte.
Festlich begingen wir dann auch vor Paris am 22. März den Geburtstag Seiner Majestät. Es war ein herrlicher, warmer Früh[pg 45]lingstag mit Feldgottesdienst im Freien, Salutschießen der Forts und Festessen der Offiziere und Mannschaften. Die frohe Aussicht, nach treu erfüllter Pflicht nun bald in die Heimat zurückkehren zu können, ließ die Stimmung doppelt gehoben sein.
Aber ganz so früh, als wir hofften, sollten wir Frankreich nicht verlassen. Wir mußten vielmehr zunächst noch an der Nordfront von Paris in und bei St. Denis stehenbleiben und wurden dort Zeugen des Kampfes der französischen Regierung gegen die Kommune.
Die erste Entwickelung der neuen revolutionären Ereignisse hatten wir schon während der Belagerung verfolgen können. Die Zuchtlosigkeit extremer politischer Kreise dem Gouverneur von Paris gegenüber war uns bekannt. Als die Waffenruhe eintrat, begann die umstürzlerische Bewegung sich immer mehr hervorzuwagen. Bismarck hatte den französischen Machthabern zugerufen: „Sie sind durch die Revolution emporgekommen, eine neue Revolution wird Sie wieder wegfegen.“ Er schien recht behalten zu sollen.
Im allgemeinen war unser Interesse an diesen umstürzlerischen Vorgängen anfänglich gering. Erst von Mitte März ab, als die Kommune die Herrschaft an sich zu reißen begann, und die Entwickelung immer mehr zum offenen Kampfe zwischen Versailles und Paris drängte, erhöhte sich unsere Aufmerksamkeit. Zeitungen und Flüchtlinge unterrichteten uns über die Vorgänge im Inneren der Stadt. Während nunmehr deutsche Korps Frankreichs Hauptstadt im Norden und Osten gewissermaßen als Verbündete der Regierungstruppen absperrten, gingen letztere in langwierigen Kämpfen von Süden und Westen her zum Angriff auf Paris über. Die Ereignisse außerhalb der Festungsumwallung konnte man am besten von den Höhen bei Sannois, 6 km nordwestlich von Paris an der Seine gelegen, beobachten. Geschäftsgewandte Franzosen hatten dort Fernrohre aufgestellt, die sie den deutschen Soldaten gegen [pg 46]Entgelt für Beobachtung des Dramas eines Bürgerkrieges zur Benutzung überließen. Ich selbst machte hiervon keinen Gebrauch, sondern beschränkte mich darauf, gelegentlich des täglichen Befehlsempfanges in St. Denis entweder aus einem hochgelegenen Fenster des dortigen Gasthofes „Cerf d'or“ oder durch Vorreiten auf der langgestreckten Seineinsel bei St. Denis Einblick in die Lage in Paris zu gewinnen. Mächtige Feuersbrünste zeigten von Ende April ab, wohin der Kampf im Inneren der Stadt treiben würde. Ich erinnere mich, daß ich besonders am 23. Mai den Eindruck hatte, als ob das ganze innere Paris der Vernichtung anheimfiele. Die Lage in der Stadt wurde von den herausströmenden Flüchtlingen in den krassesten Farben geschildert. Die Tatsachen scheinen hinter diesen Erzählungen auch nicht zurückgeblieben zu sein. Brandstiftung, Plünderung, Geiselmord, kurz, alle jetzt als bolschewistisch angesprochenen Krankheitserscheinungen eines im Kriege zusammengebrochenen Staatskörpers traten schon damals auf. Die Drohung eines freigelassenen kommunistischen Führers: „Die Regierung hatte nicht den Mut, mich erschießen zu lassen, aber ich werde den Mut haben, die Regierung zu füsilieren“ sollte anscheinend verwirklicht werden. Wie völlig das sonst so starke und empfindliche französische Nationalgefühl bei den Kommunisten ausgelöscht war, zeigt deren Erklärung: „Wir rühmen uns angesichts des Gegners, unserer Regierung die Bajonette in den Rücken zu stoßen.“ Man sieht, daß das bolschewistische Weltverbesserungsverfahren, wie es in der neuesten Zeit auch bei uns auftrat, nicht einmal Anspruch auf Originalität machen kann.
Aus dem hochgelegenen Fenster in St. Denis sah ich schließlich eines Tages das Ende der Kommune mit an. Außerhalb des Hauptwalles von Paris vorgehende Regierungstruppen umgingen den Montmartre westlich und erstürmten bald darauf über dessen damals noch unbebauten Nordhang hinweg die weit beherrschende Höhe, das letzte Bollwerk des Aufstandes.
[pg 47]
Ich betrachte es als eine bittere Ironie des Schicksals, daß die einzige politische Partei Europas, die damals, wie ich wohl annehmen darf, in völliger Verkennung der wahren Vorgänge diese Bewegung verherrlichte, zur Zeit in unserem Vaterlande gezwungen ist, mit aller Schärfe gegen kommunistische Bestrebungen vorzugehen. Es ist dies ein Beweis dafür, wohin doktrinäre Einseitigkeiten führen, bis die praktische Erfahrung aufklärend eingreift.
Mit dem warnenden Beispiel der zuletzt geschilderten Vorgänge im Herzen kehrten wir Anfang Juni der Hauptstadt Frankreichs den Rücken und trafen nach dreitägiger Eisenbahnfahrt in unserem glücklicheren, siegreichen Vaterlande ein.
Der Einzug in Berlin erfolgte diesmal vom Tempelhofer Felde aus. Vertreter aller deutschen Truppenteile waren neben dem Gardekorps hierbei beteiligt. Die Hoffnung auf einen siegreichen dritten Einzug durch das Brandenburger Tor, die ich nicht meinetwegen sondern um meines Kaisers und Königs und um des Vaterlandes willen lange im innersten Herzensgrunde gehegt hatte, sollte nicht in Erfüllung gehen!
[pg 48]
Friedensarbeit
Mit reichen Erfahrungen auf allen kriegerischen Gebieten waren wir vom französischen Boden in die Heimat zurückgekehrt. Mit dem einigen Vaterland war ein deutsches Einheitsheer geschaffen, an dessen Grundgedanken die staatlichen Sonderheiten nur oberflächliche Abweichungen bedingt hatten. Die Einheitlichkeit in der kriegerischen Auffassung war von jetzt ab ebenso gewährleistet wie die Einheitlichkeit der Organisation, der Bewaffnung und Ausbildung. Es lag im natürlichen Verlauf der deutschen Entwicklung, daß die preußischen Erfahrungen und Einrichtungen für den weiteren Ausbau des Heeres ausschlaggebend wurden.
Die Friedensarbeit setzte allenthalben wieder ein. Ich verblieb für die nächsten Jahre noch im Truppendienst, folgte dann aber meiner Neigung zu einer höheren militärischen Ausbildung, bereitete mich zur Kriegsakademie vor und fand im Jahre 1873 Aufnahme in diese.
Das erste Jahr entsprach nicht ganz meinen Erwartungen. Anstatt mit Kriegsgeschichte und neuzeitiger Gefechtslehre wurden wir auf diesem Gebiet der Militärwissenschaften damals lediglich mit Geschichte alter Kriegskunst und früherer Taktiken abgespeist, also mit Nebendingen. Dazu mußten wir zwangsweise Mathematik hören, die nur ganz wenige von uns später als Trigonometer in der Landesaufnahme ausnutzen wollten. Erst die beiden letzten Jahre und die Kommandierung zu andern Waffen in den Zwischenkursen brach[pg 49]ten dem vorwärtsstrebenden jungen Offizier volle Befriedigung. Unter Anleitung hervorragender Lehrer, von denen ich neben dem schon früher erwähnten Major von Wittich den Oberst Keßler und den Hauptmann Villaume vom Generalstab sowie als Historiker den Geheimrat Duncker und den Professor Richter nennen will, und im Verkehr mit reichbegabten Altersgenossen, wie den spätern Generalfeldmarschällen von Bülow und von Eichhorn sowie dem späteren General der Kavallerie von Bernhardi, erweiterte sich der Gesichtskreis wesentlich.
Nicht wenig trug hierzu auch das vielseitige gesellige Leben Berlins bei. Ich hatte die Ehre, zu dem engern Kreise Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Alexander