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sie in der Richtung auf die preußischen Biwakfeuer hinausgeschickt, um der Sorge ihrer Ernährung enthoben zu sein. Sie hatten das Glück, gerade ihren eigenen Truppenteil vorzufinden.

      Als Abschluß des Kampfes gingen wir noch bis Wsestar vor und blieben dort, bis wir das Schlachtfeld verließen. Der Arzt wollte mich wegen meiner Kopfwunde in ein Lazarett schicken; ich begnügte mich aber in Erwartung einer zweiten Schlacht hinter der Elbe mit Umschlägen und einem leichten Verbande und durfte fortan auf den Märschen statt des Helmes die Mütze tragen.

      Eigenartige Gefühle waren es, welche mich am Abend des 3. Juli bewegten. Nächst dem Dank gegen Gott den Herrn herrschte besonders das stolze Bewußtsein vor, an einem Werke mitgetan zu haben, das ein neues Ruhmesblatt in der Geschichte des preußischen Heeres und [pg 26]des preußischen Vaterlandes geworden war. Übersahen wir auch noch nicht die volle Tragweite unseres Sieges: daß es sich um mehr als in den vorhergegangenen Gefechten gehandelt hatte, war uns doch schon klar. In Treue gedachte ich der gefallenen und verwundeten Kameraden. Mein Zug hatte die Hälfte seines Bestandes verloren, ein Beweis dafür, daß er seine Schuldigkeit getan hatte.

      Als wir am 6. Juli die Elbe bei Pardubitz auf einer Kriegsbrücke überschritten, erwartete dort der Kronprinz das Regiment und sprach uns seine Anerkennung über das Verhalten in der Schlacht aus. Wir dankten mit lautem Hurra und zogen weiter, stolz auf das uns von dem Oberbefehlshaber unserer Armee und Erben der Krone Preußens gespendete Lob, freudig bereit, ihm zu neuen Kämpfen zu folgen.

      Der weitere Verlauf des Feldzuges brachte uns aber nur noch Märsche und somit keine erwähnenswerten Erlebnisse. Der am 22. Juli eintretende Waffenstillstand traf uns in Niederösterreich, etwa 40 km von Wien entfernt. Als wir von hier aus bald darauf den Rückmarsch in die Heimat antraten, begleitete uns ein unheimlicher Gast, die Cholera. Erst allmählich verließ sie uns, nicht ohne noch manches Opfer aus unseren Reihen gefordert zu haben.

      An der Eger blieben wir einige Wochen stehen. Während dieser Zeit traf ich mich mit meinem Vater, der als Johanniter in einem Lazarett auf dem Schlachtfelde von Königgrätz tätig war, in Prag. Wir ließen diese Gelegenheit nicht vorübergehen, ohne das naheliegende Schlachtfeld unseres großen Königs zu besuchen. Wie waren wir erstaunt, dort neben dem vom preußischen Staat nach dem Befreiungskriege für den bei Prag gefallenen Feldmarschall Grafen Schwerin errichteten Denkmal ein zweites zu finden, das bereits lange Zeit vorher Kaiser Joseph II., ein Bewunderer Friedrichs des Großen, zur Ehrung des gegnerischen Helden dort hatte setzen lassen.

      Die Erinnerung an den Besuch dieses Schlachtfeldes wurde in mir im Verlauf des letzten Krieges wieder besonders lebendig. Liegt [pg 27]doch ein Vergleich der Lage Preußens 1757 mit der Deutschlands 1914 nahe. Wie nach dem auf Prag folgenden Kolin, so nötigte nach der manchem Siege folgenden Marneschlacht das Scheitern unseres großen Offensivgedankens das Vaterland zu einer verhängnisvollen Verlängerung des Daseinskampfes. Aber während uns der Ausgang des siebenjährigen Ringens ein mächtiges Preußen zeigt, erblicken wir am Ende des letzten vierjährigen Verzweiflungskampfes ein gebrochenes Deutschland. Waren wir der Väter nicht würdig gewesen?

      Am 2. September überschritten wir in Fortsetzung des Rückmarsches die böhmisch-sächsische Grenze, dann am 8. September auf der Chaussee Großenhain-Elster die Grenze der Mark Brandenburg. Eine Ehrenpforte begrüßte uns. Durch sie kehrten wir unter den Klängen des „Heil Dir im Siegerkranz“ in die Heimat zurück. Mit welchen Gefühlen, bedarf keiner Erläuterung.

      Am 20. September war der feierliche Einzug in Berlin. Die Paradeaufstellung erfolgte auf dem jetzigen Königsplatz, damals einem sandigen Exerzierplatz. Wo jetzt das Generalstabsgebäude steht, befand sich ein Holzhof, der mit der Stadt durch einen mit Weiden besetzten Weg verbunden war. Krolls „Etablissement“ gab es dagegen bereits. Vom Aufstellungsplatze weg rückte die Einzugstruppe durch das Brandenburger Tor die Linden herauf zum Opernplatz. Dort war der Vorbeimarsch vor Seiner Majestät dem König. Blücher, Scharnhorst und Gneisenau sahen von ihren Postamenten zu. Sie konnten mit uns zufrieden sein!

      Zum Einrücken in die Paradeaufstellung hatte sich mein Bataillon am Floraplatz versammelt. Dort wurde mir vom Kommandeur der Rote Adlerorden 4. Klasse mit Schwertern mit der Weisung überreicht, ihn sofort anzulegen, weil die neuen Auszeichnungen beim Einzug getragen werden sollten. Als ich mich ziemlich ratlos umsah, trat aus der Menge der Zuschauer eine ältere Dame heraus und befestigte mit einer Stecknadel das Ehrenzeichen auf meiner Brust. So [pg 28]oft ich in spätern Jahren, sei es zu Fuß, sei es zu Pferde, über den Floraplatz kam, stets gedachte ich in Dankbarkeit der freundlichen Berlinerin, die dem 18jährigen Leutnant dort einst seinen ersten Orden angeheftet hat.

      Nach dem Kriege wurde dem 3. Garderegiment Hannover als Friedensgarnison zugewiesen. Man wollte dadurch wohl der bisherigen Hauptstadt eine Aufmerksamkeit erweisen. Ungern gingen wir hin, als aber nach 12 Jahren die Scheidestunde durch Versetzung des Regiments nach Berlin schlug, da war wohl keiner in dessen Reihen, dem die Trennung nicht schwer wurde. Ich selbst hatte die schöne Stadt, die ich schon 1873 verlassen mußte, so lieb gewonnen, daß ich mich später nach meiner Verabschiedung dorthin zurückzog.

      Bald hatten wir in dem neuen Standort Bekanntschaften angeknüpft. Manche Hannoveraner hielten sich freilich aus politischen Gründen gänzlich zurück. Wir haben die Treue gegen das angestammte Herrscherhaus nie verurteilt, so sehr wir von der Notwendigkeit der Einverleibung Hannovers in Preußen durchdrungen waren. Nur da, wo das Welfentum im Verhalten einzelner seinen Schmerz nicht mit Würde trug, sondern sich in Ungezogenheiten, Beleidigungen oder Widersetzlichkeiten gefiel, sahen wir in ihm einen Gegner.

      Immer mehr lebten wir uns im Laufe der Jahre in Hannover ein, das in glücklichster Weise die Vorteile einer Großstadt nicht mit den Nachteilen einer solchen vereinigt. Eine rege, vornehme Geselligkeit, welche später, nach dem französischen Kriege, dadurch ihren Höhepunkt erreichte, daß Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz Albrecht von Preußen und Gemahlin dort jahrelang weilten, wechselte mit dem Besuch des vorzüglichen Hoftheaters ab, der dem jungen Offizier für ein Billiges ermöglicht war. Herrliche Parkanlagen und einer der schönsten deutschen Wälder, die Eilenriede, umgeben die Stadt; an ihnen konnte man sich in dienstfreien Stunden zu Fuß und zu Pferde erfreuen. Und nahmen wir an den Manövern [pg 29]in der Provinz teil, anstatt zu den Herbstübungen des Gardekorps nach Potsdam zu fahren, so lernten wir allmählich ganz Niedersachsen vom Fels zum Meer in seiner anmutenden Eigenart kennen und schätzen. Der kleine Dienst spielte sich auf dem Waterlooplatz ab. Dort habe ich drei Jahre hintereinander meine Rekruten ausgebildet und in einer der an diesem Platz gelegenen Kasernen meine erste Dienstwohnung, Wohn- und Schlafstube, innegehabt. Noch jetzt versetze ich mich gern, wenn ich diesen Stadtteil betrete, in Gedanken in die goldene Jugendzeit zurück. Fast alle meine damaligen Kameraden sind schon bei der großen Armee versammelt. Meinen mehrjährigen Kompagniechef, Major a. D. von Seel, durfte ich jedoch noch kürzlich wiedersehen. Ich verdanke dem jetzt mehr als 80jährigen unendlich viel; war er mir doch ganz besonders ein Vorbild und Lehrer in strengster Dienstauffassung.

      Im Sommer 1867 besuchte Seine Majestät der König zum ersten Male Hannover. Ich stand bei der Ankunft in der Ehrenkompagnie vor dem Palais im Georgspark und wurde von meinem Kriegsherrn durch die Frage beglückt, bei welcher Gelegenheit ich mir den Schwerterorden verdient hätte. In spätern Jahren, nachdem ich mir noch das Eiserne Kreuz für 1870/71 erworben hatte, hat mein Kaiser und König die gleiche Frage noch manchesmal bei Versetzungs- und Beförderungsmeldungen an mich gerichtet. Stets durchzuckte es mich dann mit ebensolchem Stolz und ebensolcher Freude wie damals.

      Immer fester fügten sich die staatlichen, militärischen und sozialen Verhältnisse Hannovers ineinander. Bald sollte sich auch diese neue Provinz auf blutigen Schlachtfeldern als ebenbürtiger Bestandteil Preußens bewähren!

      Bei Ausbruch des Krieges 1870 rückte ich als Adjutant des 1. Bataillons ins Feld. Mein Kommandeur, Major von Seegenberg, hatte die Feldzüge von 1864 und 1866 im Regiment als Kompagniechef mitgemacht. Er war ein kriegserprobter altpreußischer Soldat [pg 30]von rücksichtsloser Energie und unermüdlicher Fürsorge für die Gruppe. Unsere gegenseitigen Beziehungen waren gute.

      Der Beginn des Feldzuges brachte für das Regiment, wie für das ganze Gardekorps, insofern schmerzliche Enttäuschungen, als wir in wochenlangen Märschen nicht

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