ТОП просматриваемых книг сайта:
Aus meinem Leben. Paul von Hindenburg
Читать онлайн.Название Aus meinem Leben
Год выпуска 0
isbn 4064066117658
Автор произведения Paul von Hindenburg
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
[pg 1]
Erster Teil
Aus Kriegs- und Friedensjahren bis 1914
[pg 2]
[pg 3]
Meine Jugend
An einem Frühlingsabend des Jahres 1859 sagte ich als 11jähriger Knabe am Gittertor des Kadettenhauses zu Wahlstatt in Schlesien meinem Vater Lebewohl. Der Abschied galt nicht nur dem geliebten Vater sondern gleichzeitig meinem ganzen bisherigen Leben. Aus diesem Gefühl heraus stahlen sich Tränen aus meinen Augen. Ich sah sie auf meinen „Waffenrock“ fallen. „In diesem Kleid darf man nicht schwach sein und weinen“ fuhr es mir durch den Kopf; ich riß mich empor aus meinem kindlichen Schmerz und mischte mich nicht ohne Bangen unter meine nunmehrigen Kameraden.
Soldat zu werden war für mich kein Entschluß, es war eine Selbstverständlichkeit. Solange ich mir im jugendlichen Spiel oder Denken einen Beruf wählte, war es stets der militärische gewesen. Der Waffendienst für König und Vaterland war in unserer Familie eine alte Überlieferung.
Unser Geschlecht, die „Beneckendorffs“, entstammt der Altmark, wo es urkundlich im Jahre 1280 zum erstenmal auftritt. Von hier fand es, dem Zuge der Zeit folgend, über die Neumark seinen Weg nach Preußen herauf. Dort waren schon manche Träger meines Namens in den Reihen der Deutschritter als Ordensbrüder oder „Kriegsgäste“ gegen die Heiden und Polen zu Felde gezogen. Später gestalteten sich unsere Beziehungen mit dem Osten durch Gewinn [pg 4]von Grundbesitz noch inniger, während diejenigen mit der Mark immer lockerer wurden und Anfang des neunzehnten Jahrhunderts ganz aufhörten.
Der Name „Hindenburg“ trat erst 1789 zu dem unsrigen. Wir waren mit diesem Geschlecht in der neumärkischen Zeit durch Heiraten in Verbindung getreten. Auch die Großmutter meines im Regiment „von Tettenborn“ dienenden und in Ostpreußen bei Heiligenbeil ansässigen Urgroßvaters war eine Hindenburg. Deren unverheirateter Bruder, welcher zuletzt als Oberst unter Friedrich dem Großen gekämpft hatte, vermachte seine beiden, in dem schon mit der ostpreußischen Erbschaft zu Brandenburg gekommenen, später aber Westpreußen zugeteilten Kreise Rosenberg gelegenen Güter Neudeck und Limbsee seinem Großneffen unter der Bedingung der Vereinigung beider Namen. Diese wurde von König Friedrich Wilhelm II. genehmigt, und seitdem wird bei Abkürzung des Doppelnamens die Benennung „Hindenburg“ angewendet.
Die Güter bei Heiligenbeil wurden infolge dieser Erbschaft verkauft. Auch Limbsee mußte, der Not gehorchend, nach den Befreiungskriegen veräußert werden. Aber Neudeck ist heute noch im Besitz unserer Familie; es gehört der Witwe meines nächstältesten Bruders, der nicht ganz zwei Jahr jünger als ich war, so daß unsere Lebenswege in treuer Liebe nahe nebeneinander herliefen. Auch er wurde Kadett und durfte seinem Könige lange Jahre als Offizier in Krieg und Frieden dienen.
In Neudeck lebten zu meiner Kinderzeit meine Großeltern. Jetzt ruhen sie, wie auch meine Eltern und viele Andere meines Namens, auf dem dortigen Friedhof. Fast alljährlich kehrten wir bei den Großeltern, anfänglich noch unter beschwerlichen Postreisen, als Sommerbesuch ein. Tiefen Eindruck machte es mir dann, wenn mein Großvater, der bis 1801 im Regiment „von Langenn“ gedient hatte, davon erzählte, wie er im Winter 1806/7 bei Napoleon I. im nahen Schloß Finckenstein als Landschaftsrat um Erlaß von Kontributionen bitten [pg 5]mußte, dabei aber kalt abgewiesen wurde. Auch von Durchmärschen und Einquartierung der Franzosen in Neudeck hörte ich. Und mein Onkel von der Groeben, der an der Passarge ansässig war, wußte von den Kämpfen an diesem Abschnitt im Jahre 1807 zu berichten. Die Russen drangen damals über die Brücke, wurden aber wieder zurückgeworfen. Ein französischer Offizier, der mit seinen Mannschaften das Gutshaus verteidigte, wurde in einem Giebelzimmer durch das Fenster erschossen. Es fehlte nicht viel, dann hätten die Russen 1914 wieder diese Brücke betreten.
Nach dem Tode meiner Großeltern zogen meine Eltern 1863 nach Neudeck. Wir fanden also von da ab dort, in den uns so vertrauten Räumen, das Elternhaus. Wo ich einst in jungen Jahren so gern geweilt hatte, da habe ich mich später oft mit Frau und Kindern von des Lebens Arbeit ausgeruht.
So ist denn Neudeck für mich die Heimat, der feste Mittelpunkt auch meiner engeren Familie geworden, dem unser ganzes Herz gehört. Wohin mich auch innerhalb des deutschen Vaterlandes mein Beruf führte, ich fühlte mich stets als Altpreuße.
Als Soldatenkind wurde ich 1847 in Posen geboren. Mein Vater war zu der Zeit Leutnant im 18. Infanterie-Regiment. Meine Mutter war die Tochter des damals auch in Posen lebenden Generalarztes Schwickart.
Das einfache, um nicht zu sagen harte Leben eines preußischen Landedelmannes oder Offiziers in bescheidenen Verhältnissen, das in der Arbeit und Pflichterfüllung seinen wesentlichsten Inhalt fand, gab naturgemäß unserm ganzen Geschlecht sein Gepräge. Auch mein Vater ging daher völlig in seinem Berufe auf. Aber er fand hierbei immer noch Zeit, sich Hand in Hand mit meiner Mutter der Erziehung seiner Kinder – ich hatte noch zwei jüngere Brüder und eine Schwester – zu widmen. Das sittlich tief angelegte, aber auch auf das praktische Leben gerichtete Wesen meiner teuren Eltern zeigte auch nach außen hin eine vollendete Harmonie. In gegenseitiger [pg 6]Ergänzung der Charaktere stand neben der ernsten, vielfach zu Sorgen geneigten Lebensauffassung meiner Mutter die ruhigere Anschauungsart meines Vaters. Beide vereinten sich in warmer Liebe zu uns, und so wirkten sie denn auf diese Weise in voller Übereinstimmung auf die geistige und sittliche Heranbildung ihrer Kinder ein. Es ist daher schwer zu sagen, wem ich dabei mehr zu danken habe, welche Richtung mehr vom Vater und welche mehr von der Mutter gefördert