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Licht. »Die Putzkolonne«, sagte sie.

      »Gut, dass noch jemand arbeitet«, erwiderte er und küsste sie. »Wir sehen uns.«

      Sie sah ihm nach, als er mit hochgeschlagenem Mantelkragen am Gebäude entlang und um die Ecke zum Parkplatz ging. Er drehte sich ein letztes Mal um, winkte und verschwand.

      Anton war eingeschlafen, als sie nach Hause kam. Er lag mit der Fernbedienung in der Hand neben seiner Bettdecke. Auf dem Flachbildschirm lief ein Star-Wars-Film. Benedicte löste vorsichtig den Griff ihres Sohns um die Fernbedienung und stellte Fernsehgerät und DVD-Player aus. Dann stopfte sie sorgfältig die Bettdecke um Antons inzwischen erstaunlich großen Körper und betrachtete ihn eine Weile. Eigentlich ist er zu groß, um noch in Petzi-Bettwäsche zu schlafen, dachte sie. Aber das musste er selbst wissen. Im Grunde war es ja auch ganz schön, dass er in der Beziehung noch immer ein wenig kindlich war. Sie strich sein blondes Haar zur Seite und küsste ihn auf die Stirn, bevor sie das Licht löschte und ins Badezimmer ging. Dort nahm sie die Kontaktlinsen heraus und träufelte ein paar Augentropfen auf die müden Augen, bevor sie nach ihrem Brillenetui griff. Die Gläser waren so stark, dass ihre hellgrünen Augen – das Beste an ihrem Aussehen, wenn sie diese Frage selbst hätte beantworten sollen – winzig klein wurden. Die Brille ließ sie langweilig und unsexy aussehen, sie hasste sie eigentlich.

      Martin ging noch immer nicht an sein Handy, stellte sie kurz darauf fest. Sie schickte ihm eine etwas säuerliche Nachricht und las dann die beiden Kurznachrichten, die sie sich am frühen Abend nicht mehr angesehen hatte. Die SMS von ihrer Schwester war lediglich eine Erinnerung an den Geburtstag ihres Vaters am Sonntag. Sie antwortete kurz angebunden, sie hätte es nicht vergessen, aber vielen Dank. Immer so bemüht, diese Frau. Bei der SMS aus der Werbeagentur handelte es sich um die Bitte, sich die Mail anzusehen, mit der ein überarbeiteter Budgetvorschlag verschickt worden war.

      Benedicte klappte ihr Notebook auf, goss sich ein Glas Cognac ein und setzte sich aufs Sofa. Der neue Budgetvorschlag der Agentur war erschreckend hoch. Sie ging die einzelnen Beträge durch, keiner erschien ihr unangemessen. Es gab einfach nur zu viele einzelne Aufträge. Sehr viel mehr, als sie ursprünglich geplant hatten. Wenn sie das durchziehen wollten, musste sie ihr Budget nahezu verdoppeln, und damit musste sich dann auch Axel beschäftigen, ob er nun wollte oder nicht. Das kommt dabei heraus, wenn Peter eifrig wird, dachte sie und leitete das Dokument an ihn weiter. Sie fügte einen kurzen Kommentar dazu, in dem sie ihm ankündigte, dass sie die Zahlen ihrer Ansicht nach am kommenden Tag noch einmal gründlich besprechen sollten. Sogar Peter musste seiner Kommunikationschefin doch hin und wieder zuhören.

      Benedicte beantwortete noch ein paar Mails, dann stellte sie den Computer beiseite. Sie legte den Kopf an die Rückenlehne des Sofas. Das Gefühl, dass ihr Leben ein einziges Chaos war, überkam sie stärker als je zuvor. Die Ehe mit Martin hing am dünnsten seidenen Faden, den man sich vorstellen konnte, und sie wusste, dass das vor allem ihre Schuld war. Ihr Mann war durch und durch loyal, aber ihre Beziehung war in den letzten Jahren zu reiner Routine und langweilig geworden. Benedicte langweilte sich, wohlgemerkt. Martin zeigte dagegen nie, dass er genug von ihr hatte, egal, wie ungerecht und abweisend sie sich benahm. Sie verachtete ihn wegen seiner grenzenlosen Geduld nur umso mehr.

      Auch die Beziehung zu Axel war längst nicht mehr so aufregend wie zu Beginn. Benedicte war nie der Ansicht gewesen, man müsse glühend verliebt sein, um eine kleine Affäre zu haben, ein Funke sollte natürlich schon da sein. Eigentlich war ihr Verhältnis zu Axel inzwischen fast genauso vorhersehbar wie ihre Ehe mit Martin, dachte sie und trank einen Schluck Cognac. Sie spürte die Wärme bis in den Magen.

      Auch der Job bei Petax Entreprise hatte sich im Grunde enttäuschend entwickelt. Die Firma expandierte, ja sicher, und sie wurde durchaus gefordert. Trotzdem hatte sie das Gefühl, nicht wirklich weiterzukommen. Benedicte Johnstrups Karriere war immer wie auf Schienen verlaufen, im Moment spürte sie jedoch, wie die Frustration ihr unter die Haut kroch. Man kannte sie an all ihren Arbeitsplätzen als innovative und kompetente Kommunikationschefin, doch in der Zusammenarbeit mit Peter war sie ständig gezwungen, die langweilige Rolle eines Bremsklotzes zu spielen. Sonst waren die Marketing-Leute die Kreativen und Dynamischen, und die Direktion hielt dagegen und mahnte zur Vernunft. Hier war es umgekehrt, und damit kam sie einfach nicht zurecht.

      Manchmal hatte Benedicte große Lust, alles hinzuschmeißen – die Ehe, die Affäre, ihren Job. Würde es so schwer sein, einen Koffer zu packen, Anton an die Hand zu nehmen und irgendwo neu anzufangen? Sie hatte gute Kontakte zu einem britischen Architekturbüro, mehr als einmal hatten man ihr angeboten, nach London zu kommen und die Kommunikationsabteilung zu übernehmen. Der Gedanke war verlockend. Es gibt doch auch in England gute Schulen, dachte Benedicte, und eine hübsche kleine Wohnung bekam man bestimmt auch.

      Nein, unterbrach sie ihren Gedankengang und stand auf. Sie fuhr den Computer herunter und stellte ihr Cognacglas in die Spülmaschine. Sie musste aufhören zu fantasieren. Martin war trotz allem Antons Vater, und die beiden hingen sehr aneinander. Sie konnte ihrem Sohn nicht zumuten, jedes zweite Wochenende in einem Flugzeug zwischen Heathrow und Kastrup zu verbringen. Der Junge konnte schließlich nichts dafür, dass sie ihren Mann leid war. Sie musste eine andere Lösung finden.

      Freitag, 17. Dezember 2010

      3

      »Reichst du mir mal das Salz, Liebster?«

      »Natürlich, bitte.« Axel schob das Salzfässchen über die Tischdecke.

      Seine Frau nahm mit den Fingerspitzen ein paar Körner und streute sie über ihr weich gekochtes Ei. »Wo warst du eigentlich gestern Abend?«, erkundigte sie sich.

      »Ich musste die Spanier zum Essen ausführen.«

      »Ist es spät geworden?«

      »Nein. Ich war gegen halb elf zu Hause.«

      »Da habe ich schon wie ein Stein geschlafen.« Julie Holkenfeldts schlanke Gestalt war in einen Designerbademantel gehüllt, und obwohl ihr Gesicht zu diesem Zeitpunkt noch kein Make-up trug, sah sie nicht aus wie achtundvierzig. So alt war sie erst vor einem Monat geworden, sie wirkte allerdings mindestens zehn Jahre jünger.

      »Das habe ich schon bemerkt«, sagte Axel und griff nach dem Silberständer mit dem Toast. »Deshalb habe ich mich ins Gästezimmer gelegt.«

      »Das hättest du nicht müssen«, erwiderte seine Frau. »Ich hatte eine Schlaftablette genommen.«

      »Ich musste noch ein paar Unterlagen durchsehen, bevor ich das Licht gelöscht habe.«

      »Vermutlich hättest du ein Gewehr neben mir abschießen können, ohne dass ich aufgewacht wäre.«

      »Ich wollte dich nicht stören.« Axel strich eine dünne Schicht Butter auf den Toast und legte eine Scheibe Käse darauf. Nach kurzer Überlegung verzierte er das Brot mit einem Klacks Schwarze-Johannisbeer-Marmelade.

      »Süßmaul«, kommentierte Julie.

      Axel lächelte.

      Eine Weile aßen sie schweigend. Axel hatte die Berlingske Tidende vor sich ausgebreitet, Julie las in der neuen Nummer einer Frauenzeitschrift für gesunde Ernährung und aktives Leben. Das Au-pair- Mädchen hatte sich in die Küche zurückgezogen, um nicht zu stören.

      »Tja, ich muss mich auf den Weg machen«, sagte Axel kurz darauf und tupfte sich den Mund mit einer Stoffserviette ab. »Peter und ich haben heute noch ein Treffen mit unseren spanischen Partnern, und heute Nachmittag ist eine Feier für den Abteilungsleiter der Architekten. Er wird fünfzig.« Er trank den letzten Schluck Kaffee und stellte die Tasse ab. »Und wie sieht dein Programm aus?«

      »Ach, das Übliche. Ich muss in den Laden und mir eine neue schwedische Kinderkollektion ansehen. Vielleicht finde ich ein paar Sachen für den Sommerschlussverkauf.« Julie stand auf. »Caroline isst heute Abend zu Hause. Und sie bringt ihren neuen Freund mit. Ich hoffe, du kannst dabei sein?«

      »Natürlich.«

      So reden wir immer miteinander, dachte Axel, als er sich kurz darauf die Zähne putzte. Immer

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