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moderne Wohnung am Sundværket mit dem durchdachten, maßgeschneiderten Grundriss vorziehen. Wie viele moderne Wohnungen hatten denn eine eingebaute Dienstbotenwohnung? Und wie viele Haushälterinnen konnten eine so wunderbare Aussicht aus ihrem eigenen Zimmer genießen? Vermutlich nicht sehr viele. Sie nippte an ihrem Kaffee.

      Das Notebook, das durchaus bessere Tage gesehen hatte, war jetzt bereit. Vera verbrachte die nächste halbe Stunde damit, die Berichte der Onlinedienste über den »Millionärsmord in Christianssund« zu lesen. Unglaublich, wie viele Fehler man in einer so kurzen Biografie unterbringen konnte, dachte sie. Obwohl sie Peters Vergangenheit nicht hundertprozentig kannte, wusste sie doch, dass er in Holte aufgewachsen war und nicht in Helsingør – obwohl er dort als Achtzehnjähriger seine erste Wohnung gekauft hatte. Sie war absolut sicher, dass der Konkurs, von dem eine der Zeitungen fabulierte, ein paar Jahre später vom See- und Handelsgericht aufgehoben wurde, aber dieses Detail unterschlugen sie natürlich.

      Ihr Blick fiel auf das Jugendfoto von Peter und Axel, die vor dem Restaurant Victor in Kopenhagen standen und sich mit Champagner zuprosteten. Das Foto war laut Bildunterschrift an dem Tag im Mai 1984 geschossen worden, an dem ihre Baufirma zu Dänemarks Newcomer des Jahres an der Kopenhagener Börse gewählt worden war. Vera betrachtete die Gesichter der beiden Männer. Axel war damals neunundzwanzig, Peter siebenundzwanzig. Doch sie wirkten nicht nur jung, sondern auch arrogant und sicher, dass ihnen die ganze Welt gehörte. Peter hatte damals noch sein fülliges braunschwarzes Haar. Eine lange Strähne fiel ihm in die Stirn, und seine Wangenknochen zeichneten sich scharf in dem sonnengebräunten Gesicht ab. Er war ein attraktiver Mann gewesen. Kein Wunder, dass Peter nie ein Problem mit Frauen hatte, obwohl er mit den Jahren schon ein bisschen verlebt wirkte. Axel hingegen sah aus wie immer – wenn man von den zehn, fünfzehn Kilo absah, die er an Gewicht zugelegt hatte. Sein ganzes Leben hatte er das mausgraue Haar kurz getragen, und bereits damals gab es diesen kräftigen Schnurrbart, den er nach allen Regeln der Kunst trimmte. Gut, dass er den Schnurrbart inzwischen deutlich kürzer schnitt. Zeitweilig hatte er geradezu künstlich ausgesehen. Kannte er Julie damals schon? Vera versuchte, sich zu erinnern, und kam zu dem Ergebnis, dass sie sich gerade kennengelernt haben mussten.

      Na, es nützte nichts, hier zu sitzen und die Zeit totzuschlagen, sie tippte eine neue Webadresse ein. Sie musste rasch einen anderen Job finden, und Vollzeitanstellungen für Haushälterinnen wuchsen nicht gerade auf den Bäumen. Selbst, wenn sie die Suche auf das ganze Land ausdehnte, würde es sehr schwierig werden. Nach einer halben Stunde auf verschiedenen Seiten mit Jobangeboten gab sie auf. Wenn sie eine ähnliche Arbeit finden wollte, musste sie selbst eine Anzeige schalten. Sie öffnete ihr Textbearbeitungsprogramm und begann umständlich, einen Text zu formulieren. Dreißig Jahre Haushaltserfahrung in größeren Häusern, professionell in allen Bereichen der Raumpflege, Expertin in Waschen und Bügeln sowie der Pflege und Ausbesserung von Kleidungsstücken, verantwortungsbewusst und selbstständig.

      Ein lauter Klingelton ließ sie zusammenzucken. Es war selten, dass das Festnetztelefon einen Ton von sich gab, und einen Moment war sie vollkommen konfus. Es war Charlotte, die Schwester von Peter Münster-Smith. Nach einer langen Vorrede, wie furchtbar das Ganze doch sei, kam sie zu ihrem eigentlichen Anliegen.

      »Ich weiß, dass es noch keinen Termin für die Beerdigung gibt«, sagte Charlotte.

      »Ja«, bestätigte Vera.

      »Mein Bruder und ich müssen dennoch damit beginnen, die praktischen Dinge im Zusammenhang mit Peters Tod zu erledigen, uns mit Anwälten besprechen und um die Leitung der Firma kümmern, all diese Dinge. Es wird sicher viel zu tun sein, um den Nachlass zu regeln.«

      »Ja.«

      »Wir müssen also schon mal anfangen.«

      »Ja.«

      »Ich lande morgen Nachmittag und fahre direkt nach Christianssund. Mein Bruder und seine Frau kommen am Montag aus Südafrika.«

      »Ja.«

      »Wir können doch sicher in der Wohnung wohnen?«

      »Öh, ja.«

      »Sie wurde von der Polizei nicht versiegelt oder so?«

      »Nein. Sie haben lediglich ein paar Dinge mitgenommen.«

      »Gut. Wären Sie so nett und würden zwei Zimmer vorbereiten, Vera? Und Sie sorgen doch sicher auch für das Frühstück während unseres Aufenthalts?«

      Darauf wird man also reduziert, dachte Vera, als sie die Frühstückswünsche der Erbin notiert und das Gespräch beendet hatte. Zu einer Art Bed & Breakfast der Luxusklasse. Dabei hatte sie diese Frau noch nie gesehen. Sie musste sich unbedingt etwas Neues suchen. Je eher, desto besser. Vielleicht sollte sie auch in ganz anderen Bahnen denken, sich irgendwo eine kleine Wohnung suchen und eine ganz gewöhnliche Arbeit annehmen. Vermutlich wäre das einfacher, überlegte sie und suchte eine Website mit Wohnungsangeboten.

      In diesem Moment schnitt der Summton der Gegensprechanlage durch die Stille.

      »Ja, bitte?«

      »Pia Waage, Polizei von Christianssund.«

      »Ja?«

      »Darf ich Sie einen Moment stören?«

      Ihr Leben bestand allmählich nur noch aus Störungen, ging ihr durch den Kopf, als sie ihr Notebook zusammenklappte und in ihr Zimmer zurücktrug. Niemand sollte ihr vorhalten können, dass sie ihren Platz nicht kannte – im wortwörtlichen Sinn.

      »Ich habe gehofft, dass Sie uns helfen können, Peter Münster-Smith ein wenig besser zu verstehen«, sagte die freundliche Polizistin, als sie am Tisch Platz genommen hatte. »Was war er für ein Mann?«

      »Ich habe doch gesagt, wir hatten über die Arbeit hinaus nicht viel miteinander zu tun.«

      »Ja, natürlich. Trotzdem haben sie dreizehn Jahre unter einen Dach gelebt, etwas mehr müssten Sie über ihn schon wissen?«

      Vera zuckte mit den Schultern.

      »Traf sich Peter mit Axel Holkenfeldt und seiner Frau? Also, privat meine ich?«

      »Sie kamen immer mal wieder zum Abendessen. Aber das waren meistens Geschäftsessen, eher repräsentativ.«

      »Sie kamen nie allein?«

      »Daran kann ich mich jedenfalls nicht erinnern.«

      »Hat Peter die Holkenfeldts besucht?«

      »Es gehörte nicht zu meinen Angewohnheiten, ihn zu fragen, wo er hinging. Er war abends selten zu Hause. Er hatte oft Sitzungen oder aß mit einem Kunden zusammen, vielleicht war er auch mit einer Freundin in der Stadt. Das habe ich nicht so verfolgt.«

      »Also wissen Sie im Grunde nicht viel über das Verhältnis der beiden Männer?«

      »Nein.«

      »Abgesehen davon, dass sie sich nicht gerade gegenseitig auf dem Schoß saßen.«

      »Sie haben jeden Tag zusammengearbeitet – und oft waren sie auch beide bei den Abendterminen. Vielleicht reichte ihnen das?«

      Pia Waage legte die Arme auf die blanke Tischplatte. »Hatte Peter andere Freunde? Irgendwen, mit dem er hin und wieder zum Fußball ging?«

      »Nicht, dass ich wüsste.«

      »Er hat in dieser riesigen Wohnung mit drei großen Gästezimmern gelebt und bekam nie Besuch?«

      »Ich habe Ihnen von seinen Abendessen erzählt. Er hat es geliebt, seine Wohnung vorzuführen.«

      »Aber es hat nie jemand hier übernachtet?«

      »Es kam schon vor, dass er ein Mädchen mit nach Hause brachte.«

      »Hatte er viele Freundinnen?«

      Vera sah sie an. »Im Lauf der Zeit waren es schon einige.«

      »Haben Sie jemanden kennengelernt?«

      »Nicht richtig. Na ja, ich habe sie doch erst beim Frühstück gesehen. Und da reden die wenigsten Menschen gern, oder?«

      »Sie

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