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wenig, daß dieser Auftritt mir peinlich ist.« – »Ich weiß«, antwortete ich sanft und konnte dabei die Tränen nicht zurückhalten, »wie lächerlich ich mich mache; verzeihen Sie mir! Ich liebe Sie so sehr, daß ich sogar die grausamen Worte, die Sie sprechen, mit Entzücken höre. Oh, ich wollte, ich könnte meine Liebe mit meinem Blut besiegeln!« – »Alle Männer sagen uns in mehr oder weniger schönen Worten diese klassischen Redensarten«, versetzte sie lachend, »aber es scheint wirklich schwer zu sein, zu unseren Füßen zu sterben; denn ich begegne derlei Toten überall. Es ist Mitternacht, erlauben Sie, daß ich schlafen gehe.« – »Und in zwei Stunden schreien Sie wieder auf: Mein Gott!« sagte ich. – »Vorgestern! ja«, versetzte sie lachend, »ich dachte an meinen Bankier; ich hatte vergessen, ihm aufzutragen, meine fünfprozentigen Renten gegen dreiprozentige zu tauschen, und an dem Tag waren die dreiprozentigen gesunken.« Ich sah sie mit wutfunkelnden Augen an. Oh! manchmal muß ein Verbrechen ein ganzes Poem sein, das begriff ich. Sie war offenbar an die leidenschaftlichen Ausbrüche gewöhnt und hatte meine Tränen und meine Worte schon vergessen. – »Würden Sie einen Pair von Frankreich heiraten?« fragte ich sie kalt. – »Vielleicht, wenn er Herzog wäre.« Ich nahm meinen Hut und verbeugte mich. »Gestatten Sie, daß ich Sie bis an die Tür meines Zimmers begleite«, sagte sie mit einer beißenden Ironie in ihrer Geste, der Haltung ihres Kopfes und ihrem Ton. – »Madame.« – »Monsieur?« – »Ich werde Sie nicht wiedersehen.« – »Ich hoffe es!« erwiderte sie und neigte ihren Kopf mit einer impertinenten Miene. – »Sie wollen Herzogin werden?« begann ich erneut, durch ihre Haltung geradezu in Raserei versetzt. »Sie dürsten nach Titeln und Ehren? Nun, dann lassen Sie sich nur von mir lieben, befehlen Sie meiner Feder, nur für Sie zu schreiben, meiner Stimme, nur für Sie zu ertönen, seien Sie das geheime Prinzip meines Lebens, seien Sie mein Stern! Nehmen Sie mich erst zum Gemahl, wenn ich Minister, Pair von Frankreich, Herzog bin … Ich werde alles werden, was Sie wollen!« »Sie haben«, erwiderte sie lächelnd, »Ihre Zeit beim Anwalt gut verwendet: Sie plädieren sehr warmherzig.« – »Du hast die Gegenwart«, rief ich, »und ich die Zukunft! Ich verliere nur eine Frau, du aber verlierst einen Namen, eine Familie. Die Zeit trägt meine Rache im Schoß: dir bringt sie Häßlichkeit und Tod in der Einsamkeit; mir den Ruhm!« – »Vielen Dank für das Finale!« erwiderte sie, unterdrückte ein Gähnen und bekundete durch ihre Haltung, daß sie mich nicht länger sehen wollte. Nun schwieg ich, schleuderte ihr meinen Haß in einem einzigen Blick zu und enteilte. Es galt, Fœdora zu vergessen, mich von diesem Wahnsinn zu heilen, meine einsamen Studien wiederaufzunehmen oder zu sterben. Ich erlegte mir also ein gewaltiges Arbeitspensum auf, ich wollte meine Werke vollenden. Vierzehn Tage lang verließ ich meine Mansarde nicht und saß des Nachts über meinen anstrengenden Studien. Trotz meines Mutes und der Kraft der Verzweiflung arbeitete ich schwer und nur sporadisch. Die Muse hatte mich verlassen. Ich konnte das strahlende, spöttische Bild Fœdoras nicht bannen. Jeder Gedanke brütete einen anderen krankhaften Gedanken aus, ein Begehren, so schrecklich quälend wie das Gewissen. Ich folgte dem Beispiel der Einsiedler aus der Thebais. Zwar betete ich nicht wie sie, aber wie sie lebte ich in einer Einöde und höhlte mein Herz aus, wie sie die Felsen höhlten. Ich hätte mir notfalls sogar einen Stachelgürtel angelegt, um den Schmerz der Liebe durch den körperlichen Schmerz zu bändigen. Eines Abends drang Pauline in mein Zimmer ein. – »Sie richten sich zugrunde«, sagte sie mit flehender Stimme zu mir, »Sie sollten ausgehen, Ihre Freunde aufsuchen.« – »Ach, Pauline! Ihre Prophezeiung ist eingetroffen. Fœdora tötet mich, ich will sterben. Das Leben ist mir unerträglich.« – »Gibt es denn nur eine Frau in der Welt?« fragte sie lächelnd. »Warum machen Sie sich dieses kurze Leben zu so maßloser Qual?« Ich blickte Pauline wie erstarrt an. Sie ließ mich allein. Ich hatte gar nicht bemerkt, daß sie gegangen war; ich hatte ihre Stimme gehört, ohne den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Bald darauf mußte ich das Manuskript der Memoiren zu meinem literarischen Unternehmer bringen. Ich war so von meiner Leidenschaft besessen, daß ich nicht wußte, wie ich ohne Geld hatte leben können; ich wußte bloß, daß ich die 450 Francs, die mir zustanden, ausreichten, meine Schulden zu bezahlen; ich wollte also mein Honorar holen und traf Rastignac. Er fand mich verändert und abgemagert. – »Aus welchem Hospital kommst du denn?« fragte er mich. – »Diese Frau tötet mich«, erwiderte ich; »ich kann sie nicht verachten und nicht vergessen.« – »Da ist es besser, sie zu töten«, versetzte er lachend; »vielleicht denkst du dann nicht mehr an sie.« – »Daran habe ich auch gedacht«, war meine Antwort; »manchmal erquickte ich meine Seele mit dem Gedanken an ein Verbrechen, Notzucht oder Mord oder beides zusammen; aber ich bin nicht imstande, es wirklich zu begehen. Die Comtesse ist ein entzückendes Ungeheuer, das um Gnade bitten würde, und ich bin kein Othello!« – »Sie ist wie alle Weiber, die wir nicht haben können«, unterbrach mich Rastignac. – »Ich bin toll!« rief ich; »ich spüre, wie der Wahnsinn zuzeiten in meinem Hirn rast. Meine Gedanken sind wie geisterhafte Gestalten, sie umgaukeln mich, und ich kann sie nicht fassen. Lieber will ich tot sein, als so weiterleben. Und so suche ich nur nach dem besten Mittel, diesem Kampf ein Ende zu machen. Es handelt sich nicht mehr um die lebendige Fœdora des Faubourg Saint-Honoré, sondern um meine Fœdora, um die, die da drinnen wohnt!« rief ich und schlug mit der Hand gegen die Stirn. »Was hältst du vom Opium?« – »Gar nichts! Furchtbare Quälerei!« erwiderte Rastignac. – »Ersticken durch Kohlendunst?« – »Pöbelhaft.« – »Die Seine?« – »Die Netze und die Morgue sind sehr schmutzig.« – »Ein Pistolenschuß?« – »Und wenn du fehlst, bist du für immer entstellt. Höre«, fügte er hinzu, »ich habe wie alle jungen Leute über den Selbstmord nachgedacht. Wer unter uns Dreißigjährigen hätte sich nicht zwei- oder dreimal umgebracht? Ich habe nichts Besseres gefunden, als das Dasein in Vergnügungen zu verschleißen. Stürze dich in Ausschweifungen, dann geht deine Leidenschaft oder du selbst darin zugrunde. Maßlosigkeit, mein Lieber, ist die Königin aller Tode. Gebietet sie nicht über den Schlaganfall? Der Schlaganfall ist ein Pistolenschuß, der nicht fehlgeht. Orgien verschaffen uns leibliche Wonnen in Fülle; sind sie nicht Opium in kleinen Dosen? Wenn wir unmäßig trinken, fordert die Ausschweifung den Wein auf Tod und Leben in die Schranken. Schmeckt das Faß Malvasier des Duc de Clarence nicht besser als der Schlamm der Seine? Wenn wir nobel unter den Tisch rollen, ist das nicht so etwas wie eine periodische Gasvergiftung? Wenn die Patrouille uns aufliest und wir in den Wachstuben auf den kalten Pritschen liegen, genießen wir da nicht die Freuden der Morgue, ohne diese häßlich aufgetriebenen Bäuche und blau-grünen Flecken, dafür aber im vollen Bewußtsein der Lage? Oh«, fuhr er fort, »solch langer Selbstmord ist etwas anderes als der Tod eines bankrotten Krämers! Die Kaufleute haben unseren Fluß geschändet; sie stürzen sich ins Wasser, um ihre Gläubiger zu rühren. An deiner Stelle würde ich versuchen, mit Eleganz zu sterben. Willst du eine neue Todesart schaffen, indem du solcherart das Leben herausforderst, bin ich dein Sekundant. Ich langweile mich, ich bin enttäuscht. Die Elsässerin, die man mir zur Frau vorgeschlagen hat, hat sechs Zehen am linken Fuß: ich kann mit keiner Frau leben, die sechs Zehen hat! Das spräche sich herum, und ich wäre lächerlich. Sie hat nur 18000 Francs Rente! zuwenig Geld und zuviel Zehen! Zum Teufel! Führen wir ein tolles Leben, vielleicht packen wir per Zufall das Glück beim Schopfe!« Rastignac riß mich mit. Dieser Plan war zu verführerisch, er entzündete aufs neue zu viele Hoffnungen, kurz, er hatte eine zu poetische Farbe, als daß ein Dichter ihm hätte widerstehen können. – »Und das Geld?« fragte ich. – »Hast du nicht 450 Francs?« – »Ja, aber ich habe Schulden bei meinem Schneider, bei meiner Wirtin.« – »Du bezahlst deinen Schneider? Aus dir wird nie etwas werden, nicht einmal ein Minister.« – »Aber was können wir mit 20 Louisdors anfangen?« – »Spielen gehen.« Mich überlief ein Schauder. »Oh!« rief er, als er meine Scheu bemerkte, »du willst dich auf mein System des wüsten Lebens, wie ich es nenne, werfen und fürchtest dich vor einem grünen Tuch!« – »Höre«, antwortete ich ihm, »ich habe meinem Vater versprochen, nie den Fuß in ein Spielhaus zu setzen. Nicht nur, daß das Versprechen mir heilig ist, ich verspüre auch eine unüberwindliche Abneigung, wenn ich an einer Spielhölle vorbeikomme; nimm meine 100 Taler und geh allein hin! Während du unser Vermögen riskierst, werde ich meine Angelegenheiten in Ordnung bringen und dann in deiner Wohnung auf dich warten.« So also, mein Lieber, rannte ich in mein Verderben. Ein junger Mann braucht nur auf eine Frau zu treffen, die ihn nicht liebt oder die ihn zu sehr liebt, und schon ist sein ganzes Leben aus den Fugen. Das Glück verzehrt unsere Kräfte, wie das Unglück unsere Tugenden vernichtet. Als ich ins Hotel Saint-Quentin zurückgekehrt war, betrachtete ich
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