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könnten!« – »Was haben Sie?« fragte sie, »Sie werden blaß.« – »Ich will eine Gunst von Ihnen erbitten und wage es nicht.« Sie ermutigte mich mit einer Handbewegung, und ich bat um die Zusammenkunft. – »Gern«, antwortete sie. »Aber warum wollen Sie nicht gleich jetzt zu mir sprechen?« – »Ich will Sie nicht täuschen und muß Ihnen sagen, was Ihr Versprechen beinhaltet: ich möchte diesen Abend mit Ihnen verbringen, als wären wir Geschwister. Fürchten Sie nichts; ich weiß, was Sie nicht leiden mögen; Sie haben mich gut genug kennengelernt, um sicher zu sein, daß ich nichts von Ihnen will, was Ihnen mißfallen könnte; überdies, wer über die gebotene Schranke hinauswill, benimmt sich anders. Sie haben mir Freundschaft bezeigt, Sie sind gut und voller Nachsicht. Nun, Sie sollen wissen: morgen muß ich Ihnen Lebewohl sagen. Nehmen Sie Ihr Wort nicht zurück!« rief ich, da ich sah, daß sie sprechen wollte, und ich enteilte. Im Mai vorigen Jahres, an einem Abend gegen acht Uhr, saß ich allein mit Fœdora in ihrem gotischen Boudoir. Ich zitterte nicht, ich war sicher, glücklich zu werden. Die Frau, die ich liebte, sollte mein werden, oder ich würde in die Arme des Todes fliehen. Ich hatte über meine feige Liebe das Urteil gesprochen. Ein Mann ist sehr stark, wenn er sich seine Schwäche eingesteht. In einem Kleid aus blauem Kaschmir lag die Comtesse ausgestreckt auf einem Diwan; ihre Füße ruhten auf einem Kissen. Ein orientalisches Barett, ein Kopfschmuck, wie ihn die Maler den alten Hebräern verleihen, hatte ihrer verführerischen Erscheinung noch den pikanten Reiz des Fremdartigen hinzugefügt. Auf ihren Zügen lag ein flüchtiger Zauber, der zu beweisen schien, daß wir in einem jeden Augenblick neue und einzigartige Wesen sind ohne die mindeste Ähnlichkeit mit dem Ich der Zukunft und dem Ich der Vergangenheit. Ich hatte sie nie so strahlend schön gesehen. – »Wissen Sie«, sagte sie lächelnd, »daß Sie meine Neugier erregt haben?« – »Ich werde Sie nicht enttäuschen«, erwiderte ich kalt. Ich setzte mich neben sie und ergriff ihre Hand. Sie ließ sie mir. »Sie haben eine sehr schöne Stimme!« – »Sie haben mich nie singen hören!« rief sie mit einer erstaunten Bewegung. – »Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, wenn es nötig sein wird. Sollte denn Ihr entzückender Gesang ein Geheimnis sein? Beruhigen Sie sich, ich will es Ihnen nicht entreißend.« Wir plauderten ungefähr eine Stunde vertraulich miteinander. Nahm ich auch den Ton, das Auftreten und die Gesten eines Mannes an, dem Fœdora nichts verweigern konnte, wahrte ich dabei doch den ganzen Respekt eines Liebenden. Durch dieses Spiel erlangte ich die Gunst, ihr die Hand küssen zu dürfen; sie zog mit einer allerliebsten Bewegung den Handschuh aus, und ich wiegte mich so wollüstig in dem Wahn, an den ich mit Gewalt glauben wollte, daß sich meine ganze Seele in diesen Kuß ergoß. Fœdora ließ sich mit unglaublicher Nachgiebigkeit schmeicheln und liebkosen. Aber halte mich nicht für albern: einen Schritt über diese brüderliche Zärtlichkeit hinaus, und ich hätte die Krallen der Katze zu spüren bekommen. Zehn Minuten etwa blieben wir in tiefes Schweigen versunken. Ich überließ mich der Bewunderung; ich lieh ihr Reize, die sie nicht hatte. In diesem Augenblick gehörte sie mir, mir allein. Ich besaß dieses entzückende Geschöpf, wie es erlaubt war, sie zu besitzen: in der Anschauung und im Geiste; ich hüllte sie in meine Sehnsucht, hielt sie, drückte sie an mich, meine Phantasie vermählte sich mit ihr. So überwand ich die Comtesse kraft einer magnetischen Faszination. Ich habe es deshalb immer bedauert, daß ich mir diese Frau nicht völlig unterwarf; aber in diesem Augenblick begehrte ich nicht ihren Leib, ich wollte eine Seele haben, ich dürstete nach einem Leben, nach jenem idealen und vollkommenen Glück, nach dem schönen Traum, an den wir nicht lange glauben. – »Madame la Comtesse«, sagte ich endlich zu ihr, da ich fühlte, daß die letzte Stunde meines Rausches gekommen war, »hören Sie mich an. Ich liebe Sie, Sie wissen es, ich habe es Ihnen tausendmal gesagt, Sie hätten mich verstehen müssen. Ich wollte Ihre Liebe nicht einer geckenhaften Zurschaustellung noch albernem Schöntun oder törichten Zudringlichkeiten verdanken und bin darum nicht verstanden worden. Wie viele Mißhelligkeiten habe ich um Ihretwillen erduldet, an denen Sie dennoch unschuldig sind. Aber noch ein paar Augenblicke, und Sie werden über mich urteilen können. Es gibt zweierlei Elend, Madame la Comtesse. Das eine geht schamlos und in Lumpen auf der Straße, es nimmt, ohne es zu wissen, das Leben des Diogenes wieder auf, nährt sich von wenigem, führt das Leben auf die Einfachheit zurück; es ist vielleicht glücklicher als der Reichtum, ist wenigstens sorglos; es nimmt die Welt da, wo die Reichen nichts mehr von ihm wollen. Dann gibt es das Elend des Luxus, ein spanisches Elend, das den Bettelstab hinter einem Titel versteckt; es ist stolz und mit Federn geschmückt, dieses Elend mit weißer Weste und gelben Handschuhen, es hat Equipagen und verliert ein Vermögen, weil ihm ein Centime fehlt. Das eine ist das Elend des Volkes; das andere das der Schwindler, der Könige und der Genies. Ich bin nicht Volk noch König, noch Schwindler; vielleicht habe ich auch kein Genie: ich bin eine Ausnahme. Mein Name gebietet mir, lieber zu sterben als zu betteln. Beruhigen Sie sich, Madame, ich bin heute reich, ich besitze alles auf Erden, was ich brauche«, fügte ich hinzu, als ich sah, wie ihr Gesicht den kalten Ausdruck annahm, der sich auf unseren Mienen spiegelt, wenn wir jemand für einen Gentleman hielten und er sich als ein Bittsteller entpuppt. »Erinnern Sie sich an den Tag, wo Sie allein, ohne mich, ins Gymnase gehen wollten, weil Sie glaubten, ich würde nicht dort sein?« Sie nickte mit dem Kopf. »Ich hatte meinen letzten Taler geopfert, um Sie dort sehen zu können. Erinnern Sie sich unseres Spaziergangs im Jardin des Plantes? Ihr Wagen hat mich mein ganzes Vermögen gekostete Ich erzählte ihr alle Opfer, die ich gebracht hatte, ich schilderte ihr mein Leben, nicht, wie jetzt dir im Rausch des Weines, nein, im edlen Rausch des Herzens. Meine Leidenschaft ergoß sich in flammenden Worten, in gefühlvollen Ausbrüchen, die ich seitdem vergessen habe, nicht die Kunst und nicht die Erinnerung könnten sie je wiedergeben. Das war nicht der kalte Bericht einer verschmähten Liebe; meine Liebe in all ihrer Kraft und in der Schönheit ihrer Hoffnung gab mir Worte ein, die ein ganzes Leben umreißen, da sie die Schreie einer zerrissenen Seele bargen. Mein Ton glich dem letzten Gebet eines Sterbenden auf dem Schlachtfeld. Sie weinte. Ich brach ab. Großer Gott! Ihre Tränen entsprangen jener künstlichen Rührung, wie man sie für 100 Sous an einer Theaterkasse kaufen kann. Ich hatte den Erfolg eines guten Komödianten. – »Wenn ich gewußt hätte …«, sagte sie. – »Reden Sie nicht weiter!« rief ich. »Ich liebe Sie in diesem Augenblick noch genug, um Sie zu töten …« Sie wollte nach der Schnur der Klingel greifen. Ich brach in Lachen aus. »Läuten Sie nicht«, sprach ich. »Ich lasse Sie Ihr Leben friedlich beschließen. Das hieße den Haß schlecht begreifen, wenn ich Sie tötete! Fürchten Sie keinerlei Gewalt: ich habe eine ganze Nacht am Fuß Ihres Bettes zugebracht, ohne …« – »Monsieur!« rief sie und errötete. Nach dieser ersten Regung der Scham aber, die keiner Frau, selbst der gefühllosesten, völlig fehlen dürfte, warf sie mir einen verächtlichen Blick zu und fuhr fort: »Sie müssen sehr kaltblütig gewesen sein!« – »Glauben Sie, Madame«, erwiderte ich, denn ich erriet die Gedanken, die sie hegte, »daß Ihre Schönheit etwas so Kostbares für mich ist? Ihr Antlitz ist für mich das Versprechen einer noch schöneren Seele. Und Madame, Männer, die in einer Frau nur das Weib sehen, können sich jeden Abend Odalisken kaufen, die schön genug für einen Harem wären, und für billiges Geld glücklich sein! Aber ich war ehrgeizig, ich wollte Herz an Herz mit Ihnen leben, mit Ihnen, einer Frau, die kein Herz hat. Ich weiß es jetzt. Wenn Sie je einem Manne gehören sollten, würde ich ihn umbringen. Aber nein, dann würden Sie ihn lieben, und sein Tod würde Ihnen vielleicht Schmerz bereiten. Oh, wie furchtbar ich leide!« rief ich. – »Wenn es Sie tröstet«, sagte sie heiter, »kann ich Ihnen versichern, daß ich nie einem Manne angehören werde.« – »Halt«, unterbrach ich sie; »Sie lästern Gott und werden dafür bestraft werden! Eines Tages werden Sie auf dem Diwan liegen, kein Geräusch und kein Licht vertragen, werden verdammt sein, in einer Art Grab zu leben und unerhörte Schmerzen zu erdulden. Wenn Sie dann nach der Ursache dieser langsamen rächenden Schmerzen suchen, gedenken Sie des Unglücks, das Sie so verschwenderisch auf Ihren Weg gestreut haben. Sie haben überall Flüche gesät und werden Haß ernten. Wir sind unsere eigenen Richter, die Henker eines Gerichtes, das hienieden sein Urteil spricht und das über dem Gericht der Menschen und unter dem Gottes waltet.« – »Ach«, erwiderte sie lachend, »ich bin natürlich eine große Verbrecherin, daß ich Sie nicht liebe! Ist das meine Schuld? Nein, ich liebe Sie nicht; Sie sind ein Mann, das ist Grund genug. Ich bin glücklich, daß ich allein bin; warum sollte ich mein Leben, mein egoistisches Leben, wenn Sie es so nennen wollen, gegen die Launen eines Herrn vertauschen? Die Ehe ist ein Sakrament, das nichts als Kummer bringt. Und überdies, Kinder sind mir lästig. Habe ich Ihnen nicht freimütig meinen Charakter im voraus
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