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widerfahre, es geht um die Anerkennung meiner Heirat durch den Zaren. Ist nicht der Duc de Navarreins Ihr Cousin? Ein Brief von ihm würde den Ausschlag geben.‹ – ›Ich stehe zu Ihren Diensten‹, antwortete ich ihr, ›befehlen Sie!‹ – ›Sie sind sehr liebenswürdig‹, sagte sie und drückte mir die Hand. ›Dinieren Sie bei mir, ich werde Ihnen alles erzählen wie einem Beichtvater‹. Diese so mißtrauische, verschlossene Frau, von der noch niemand ein Wort über ihre Angelegenheiten vernommen hatte, wollte meinen Rat. ›Oh, wie ist mir jetzt das Schweigen teuer, das Sie mir auferlegt haben!‹ rief ich aus. ›Doch hätte ich mir eine noch härtere Prüfung gewünscht.‹ In diesem Augenblick entzog sie sich meinen trunkenen Blicken nicht und ließ sich meine Bewunderung gefallen, sie liebte mich also! Wir langten bei ihr an. Zum Glück reichte der Inhalt meiner Börse hin, den Kutscher zu bezahlen. Ich verbrachte den Tag bei ihr voll Wonne, mit ihr allein; es war das erstemal, daß ich ihr so nahe sein durfte. Bis zu diesem Tage hatten die Gesellschaft, ihre lästige Höflichkeit und ihr kaltes Wesen uns immer getrennt, selbst bei ihren üppigen Diners; nun aber war ich bei ihr, als ob ich unter ihrem Dache lebte, sie war sozusagen mein. Meine ungezügelte Phantasie sprengte alle Fesseln, lenkte die Ereignisse des Lebens nach meinen Wünschen und versenkte mich in die Seligkeiten einer glücklichen Liebe. Ich wähnte mich schon als ihren Gatten, während ich sie bei ihren kleinen Beschäftigungen bewunderte; ich empfand sogar Glück zuzusehen, wie sie ihren Schal und ihren Hut ablegte. Sie ließ mich einen Augenblick allein und kehrte mit neu gerichtetem Haar zurück, bezaubernd. Für mich hatte sie sich herausgeputzt. Während des Essens erwies sie mir unzählige Aufmerksamkeiten und entfaltete unendlichen Liebreiz in tausenderlei Dingen, die nichtig scheinen und doch das halbe Leben ausmachen. Als wir beide auf seidenen Polstern, von den begehrenswertesten Schöpfungen eines orientalischen Luxus umgeben, vor dem flackernden Kaminfeuer saßen, als diese Frau, deren berühmte Schönheit so viele Herzen höher schlagen ließ, mir so nahe war, als diese so schwer zu erringende Frau mit mir plauderte, mir all ihre Koketterie zuwandte, wurde mein wollüstiges Glück fast zum Schmerz. Unglücklicherweise fiel mir das wichtige Geschäft ein, das ich abschließen sollte, und ich wollte mich zu der tags vorher verabredeten Zusammenkunft begeben. – ›Wie! schon?‹ fragte sie, als ich meinen Hut nahm. Sie liebte mich! Ich glaubte es wenigstens, als ich sie diese zwei Worte mit zärtlicher Schmeichelstimme sagen hörte. Um meine Ekstase zu verlängern, hätte ich damals freudig zwei Jahre meines Lebens für jede Stunde hingegeben, die sie mir gewähren wollte. Mein Glück vertiefte sich mit all dem Geld, das ich verlor. Es war Mitternacht, als sie mich entließ. Am folgenden Morgen indessen kostete mich mein Heroismus viele Gewissensbisse, ich fürchtete, das Geschäft mit den Memoiren verpatzt zu haben, von dem alles für mich abhing. Ich eilte zu Rastignac, und wir gingen, den Titular meiner künftigen Arbeiten bei seinem Lever zu überraschen. Finot las mir einen kurzen Vertrag vor, worin von meiner Tante keine Rede war, und nachdem ich unterzeichnet hatte, zahlte er mir 50 Taler aus. Wir frühstückten zu dritt. Als ich meinen neuen Hut, 60 Speisemarken, das Stück zu 30 Sous, und meine Schulden bezahlt hatte, blieben mir nur noch 30 Francs; aber alle Schwierigkeiten des Lebens waren für einige Tage beseitigt. Wenn ich hätte auf Rastignac hören wollen, so hätte ich mir Schätze erwerben können, wenn ich mir freiheraus das ›englische System‹ zu eigen machte. Er wollte mir durchaus einen Kredit eröffnen und mich zum Schuldenmachen verleiten, denn er behauptete, Schulden hielten den Kredit aufrecht. Er meinte, daß von allen Kapitalien der Welt die Zukunft das wertvollste und solideste sei. Indem er so meine Schulden als Hypothek auf meine Zukunftsmöglichkeiten betrachtete, betraute er seinen Schneider mit meiner Kundschaft, einen Künstler, der sich auf den ›jungen Mann‹ verstand und mich bis zu meiner Heirat behelligen sollte. Von diesem Tage an brach ich mit dem mönchischen, arbeitsamen Leben, das ich drei Jahre lang geführt hatte. Ich ging fleißig zu Fœdora, wo ich die Maulhelden und die Salonlöwen auszustechen suchte, die sich bei ihr einfanden. Da ich mich nun für immer dem Elend entronnen glaubte, erlangte ich meine geistige Freiheit wieder, stellte meine Rivalen in den Schatten und galt als verführerischer, blendender, unwiderstehlicher junger Mann. Besonders gewitzte allerdings behaupteten von mir: ›Ein so geistreicher junger Mann kann Leidenschaft nur im Kopf haben!‹ Und wohlmeinend rühmten sie meinen Geist auf Kosten meiner Gefühle. ›Wie glücklich er ist, nicht zu lieben!‹ riefen sie aus. ›Wäre er, wenn er liebte, so heiter, so mitreißend?‹ Fœdora gegenüber freilich war ich ein verliebter Trottel! Allein mit ihr, wußte ich nichts zu sagen, oder wenn ich sprach, schmähte ich die Liebe; innerlich trübselig, gebärdete ich mich lustig wie ein Höfling, der einen grausamen Verdruß zu verhehlen sucht. Kurz, ich bemühte mich, ihrem Leben, ihrem Glück, ihrer Eitelkeit unentbehrlich zu werden; tagtäglich bei ihr, ward ich ihr Sklave, ein Spielzeug, ihr ständig zu Willen. Nachdem ich meinen Tag derart vergeudet hatte, kam ich nach Hause, um die Nacht durchzuarbeiten und gegen Morgen kaum mehr als zwei oder drei Stunden zu schlafen. Doch da ich mich nicht, wie Rastignac, auf das ›englische System‹ verstand, war ich bald ohne einen Sou. Da stand ich nun, mein Lieber, ein Geck ohne Vermögen, ein Stutzer ohne Geld, ein Verliebter ohne Namen und sank wieder in das kümmerliche Leben zurück, in die kalte, tiefe Not, die ich unter dem trügerischen Schein von Luxus sorgfältig verbarg. Es waren meine alten Leiden, die ich aufs neue erduldete, weniger brennend freilich; wahrscheinlich hatte ich mich an ihre schrecklichen Krisen bereits gewöhnt. Oft waren Kuchen und Tee, die in den Salons so sparsam dargereicht werden, meine einzige Nahrung. Mitunter mußten die üppigen Diners der Comtesse für mehrere Tage vorhalten. Ich setzte meine ganze Zeit, meine Kräfte und meine Beobachtungsgabe darein, den undurchdringlichen Charakter Fœdoras zu ergründen. Bis dahin hatten Hoffnung oder Verzweiflung meine Meinung beeinflußt, ich erblickte in ihr mal die liebevollste, mal die gefühlloseste Vertreterin ihres Geschlechts. Aber dieser Wechsel von Freude und Niedergeschlagenheit wurde unerträglich: ich wollte diesen fürchterlichen Kampf beenden, indem ich meine Liebe tötete. Unheilkündende Lichter blitzten oft in meiner Seele auf und wiesen mir die Abgründe, die zwischen uns klafften. Die Comtesse rechtfertigte alle meine Befürchtungen, noch nie hatte ich Tränen in ihren Augen gesehen; im Theater ließ eine rührende Szene sie kalt oder reizte ihren Spott. All ihre Klugheit diente nur ihrer eigenen Person; fremdes Glück oder Unglück nahm sie nicht wahr. Endlich sah ich ein, daß sie mich hinters Licht geführt hatte. Glücklich, ihr ein Opfer bringen zu können, hatte ich mich für sie beinahe erniedrigt, als ich meinen Verwandten, den Duc de Navarreins, aufsuchte, einen egoistischen Menschen, der sich meiner Notlage schämte und mir gegenüber zu sehr im Unrecht war, um mich nicht zu hassen. Er empfing mich mit jener kalten Höflichkeit, welche jedes Wort und jede Gebärde wie einen Schimpf erscheinen läßt; sein unsicherer Blick erregte mein Bedauern. Ich schämte mich für ihn seiner Kleinlichkeit in all dem Glanz, seiner Armseligkeit in all dem Überfluß. Er sprach mir von ansehnlichen Verlusten, die ihm die dreiprozentige Staatsrente verursachte; dann nannte ich ihm den Grund meines Besuchs. Die Veränderung in seinem Benehmen, das von Frostigkeit allmählich zu großer Liebenswürdigkeit überging, widerte mich an. Kurz und gut, mein Freund, er besuchte die Comtesse und stellte mich dort einfach kalt. Fœdora entfaltete für ihn einen ungeahnten Zauber; sie umstrickte ihn völlig, verhandelte mit ihm die mysteriöse Angelegenheit, ohne daß ich ein Wort davon erfuhr; ich war ihr nur Mittel zum Zweck gewesen! … Sie schien mich nicht mehr zu bemerken, wenn mein Cousin bei ihr war; sie empfing mich dann vielleicht mit geringerer Freude als an dem Tag, da ich ihr vorgestellt worden war. Eines Abends demütigte sie mich vor dem Duc de Navarreins durch eine jener Gesten, einen jener Blicke, die man nicht in Worte fassen kann. Ich ging mit Tränen in den Augen fort; schmiedete tausend Rachepläne und erwog, ihr Gewalt anzutun. Oft begleitete ich sie in die Bouffons: dort, neben ihr, ganz meiner Liebe hingegeben, sah ich sie an und gab mich zugleich dem Zauber der Musik hin, ging auf in dem doppelten Genuß, zu lieben und die Regungen meines Herzens in den Melodien des Musikers wiederzufinden. Meine Leidenschaft war in der Luft, auf der Bühne, sie siegte überall, nur nicht bei meiner Geliebten. Ich ergriff dann wohl Fœdoras Hand, musterte forschend ihre Züge, ihre Augen, ersehnte ein Verschmelzen unserer Gefühle, eine jener unwillkürlichen Harmonien, die, von den Klängen erweckt, die Seelen vereint schwingen läßt; aber ihre Hand war stumm, und ihre Augen sagten nichts. Wenn das Feuer meines Herzens, das aus meinen Zügen strömte, ihr zu heiß ins Antlitz schlug, warf sie mir ein gesuchtes Lächeln zu, jenes unverbindliche Lächeln, das in den Salons auf den Lippen aller Porträts starrt. Sie lauschte der Musik nicht. Die göttlichen Weisen Rossinis, Cimarosas, Zingarellis riefen kein Gefühl in ihr hervor,
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