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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wahnfred horchte den Tönen der Arbeit und Arbeiter, sie waren ihm trostreicher als Osterglocken. In dieser Richtung allein konnte Zukunft liegen, und gelänge es ihm, die Leute regelmäßig zu beschäftigen, daß sie vom Tempelbau sich auch wieder dem Feldbau zuwendeten, dann wäre viel gewonnen. Hätten sie erst nur wieder Eigenthum, so würden sie trachten, dieses zu bewahren, Ordnung zu begründen, würden die Notwendigkeit einsehen, sich wieder der Welt zu fügen und dem Lande anzuschließen.
So wurde der Mann auf dem Johannesberge noch immer zwischen Verzweiflung und Hoffnung hin und her geworfen. Rasch folgte er seinen Stimmungen. Er hatte den Segen noch nicht ausgedacht, den ehrliche Arbeit über Trawies bringen könne, und daß Arbeit allein imstande sei, den Fluch der Kirche von nun an unschädlich und des staatlichen Schutzes sich wieder würdig und theilhaftig zu machen, als das klingende Pochen oben am Bau unterbrochen wurde, hingegen sich anderer Lärm erhob.
Über den Wipfeln junger Fichten leuchtete im blauen Himmelsgrunde scharf gezeichnet das Gebälke des Dachstuhles. Rasch verließen die Arbeiter First und Giebel und stiegen nieder. Schreien, Fluchen und Poltern war vernehmbar, darunter fielen auch Schüsse. Und schon eilte ein Bote durch das Dickicht und rief nach dem Meister. Bald wußte Wahnfred, was es galt. Es galt den Bau zu schützen; Feinde waren da, ganze Haufen von Strolchen und Wegelagerern, sie wollten die neue Burg anzünden. Der Kampf wurde mit den mannigfaltigsten Waffen geführt, mit Kolben, Hacken, Gewehren, Äxten, Steinen und Stangen. Wie früher die Bäume, so purzelten jetzt die Menschen. Den Angreifern gelang es, einen brennenden Strohwisch in den Bau zu schleudern, den Verteidigern gelang es, den Brand zu ersticken. Das Geschrei war so mächtig, daß der Ruf Wahnfreds ungehört blieb.
»Nieder mit den Schanzen«, war das Feldgeschrei der Angreifer, »wir brauchen keine Zwingburg!« Aber dieses Feldgeschrei wurde immer einsilbiger und verwandelte sich in Ächzen und Stöhnen und Todesröcheln. Ein Theil entkam, ein Häuflein wurde gefangengenommen und vor den Richter gestellt. Wahnfred befragte die Gefangenen, weshalb sie gekommen wären, den Bau zu vernichten?
»Weil wir müssen«, knirschte der Wortführer.
»Wer ist der Herr, der euch zwingt?«
»Unsere linke Hand.«
»Wir hauen sie euch ab.«
»Tut es! Noch auf dem Rasen wird sie ihre Finger ausstrecken, mit denen sie den Schwur gethan hat.«
»Welchen Schwur?«
»Alles zugrund zu richten, was wir zugrund richten können.«
»O ihr Erbärmlichen, und krümmt Euch jetzt auf der Erde, wie ein Wurm, den man zertritt.«
»Zertretet uns! Tut es, Ihr gehorcht damit nur unserem Gesetz. Morgen werdet Ihr zertreten sein. Wir sind überall und sind allmächtig. Wisset Ihr, wer wir sind?«
»Bösewichter! Verbrecher!« rief Wahnfred.
»Das sind zahme Worte, Lobnamen, mit denen Ihr Euch gegenseitig schmeicheln mögt. Wir sind die Erlöser, wir sind die Kinder des ewigen Todes.«
»Wahnwitzige seid Ihr.«
»In euren blöden Augen.«
»Ihr wisset nicht, was Ihr wollt.«
»Wisset Ihr es?« rief der Gefangene. »Ihr wollt leben und seht, daß alles sterben muß, ihr wollt Lust haben und tut alles, daß Euch leid werde. Ich seid die Wahnwitzigen; wir wissen, was wir thun, wir wollen dieser Mißgeburt ein End’ machen. Alles muß aus werden. Wir haben Feuer in den Tärn geworfen, wir haben die Pest nach Trawies getragen. Uns ist die Welt vergällt, alles muß zunichte sein!«
Wahnfred wurde todtenblaß. Hier auf einmal stand’s vor ihm, das Ungeheuer, großgewachsen und entfesselt. Fürchterlich wahr, fürchterlich klar stand’s da, was er bisher wie einen Schatten in der Seele getragen hatte. Von allen Wegen, die er gesucht, soll der der rechte sein! Von allen Evangelien, die er erdacht, soll dieses das größte sein! Das größte und letzte! – Alles vernichten! ...
Wahnfred lachte. Sein Lachen erscholl in den neuen Wänden des Baues. Sein Haupt war, als wachse es noch höher aus dem Körper empor, seine langen Haare waren wie lebendig, seine hageren Hände streckte er zur Höhe, so stand er da und lachte. Die Trawieser Leute hatten schon manches Unheimliche gesehen, aber so grauenhaft wie jetzt, da ihnen Wahnfred in diesem Bilde erschien, war ihnen kaum jemals zumuthe gewesen.
Einige verhüllten ihr Gesicht und murmelten: »Ich kann ihn nicht anschauen.«
»So wird am Jüngsten Tag der Richter sein«, sagten andere.
Wahnfred hub nun, gegen die Gefangenen gewendet, an zu sprechen: »Ihr seid die Kinder des Todes und seine Henkersknechte, und seid gekommen, diesen Tempel zu zerstören?«
»Wir werden ihn zerstören«, antwortete der Vorderste in finsterem Grolle.
»Dann wißt Ihr nicht, was Ihr thut. Dann wißt Ihr nicht, daß wir diesen Tempel ja eben jener Gottheit gebaut haben, die alles zerstört. Das ist das Haus des Feuers. In diesem Tempel wird sich Trawies versammeln, um den Vernichter und Verzehrer anzubeten und ihm zu opfern. Wir halten es mit Euch, so werdet ihr mit uns halten. Das Feuer ist die Fahne, zu der wir alle schwören!«
Die »Kinder des ewigen Todes« verstanden ihn nicht, wie ihn ja keiner verstehen konnte, aber es gelüstete ihnen weiter zu leben und sie schworen zur Fahne. [ eingefügt aus einer anderen Ausgabe – Nun, die Traweiser Gemeinde hatte sich durch den Beitritt der »Kinder des ewigen Todes« erklecklich vergrößert und die Arbeiten nahmen ihrem weiteren Verlauf.
Wahnfred aber stieg nieder zu seinem Hause, dort nahm er die Lampe, in welcher das Flämmchen des Feuerwart glimmt – nahm sie zur Hand, starrte so scharf in das Lichtlein, daß dieses vor seinem Auge zu zucken und zu zittern schien und sprach; »Alle Sterne sind untergegangen, Du allein bist uns geblieben.« –
Zwei Tage vor der Sonnenwende war das Blockhaus fertig. Sie hießen es das Blockhaus, ohne daß es ein solches eigentlich war. Die Befestigungswerke fehlten; diese sollten, so sagte Wahnfred, später ringsumher entstehen. Bis dahin sollte der neue Bau nichts als ein Tempel sein, der seine Festigkeit mehr nach innen, als nach außen bekundete. Er ragte auf dem berge wie ein Castell und war weithin sichtbar. Er faßte nicht viel weniger im Raum, als die Kirchen zu Trawies. Von ferne sah er glatt und völlig fensterlos aus; das Dach stieg steil empor, die Giebelwände wurden noch erst eifrig geschmückt mit Tannenkränzen. In der Nähe besehen waren die Wände rauh und an den Ecken ragten die Köpfe der Zimmerbäume ungleichmäßig hinaus. Die Pforte, welche ins Innere führte, war schmal und mit einem wuchtigen Thore versehen, das an beiden Seiten weit vorstand und mit schweren Bändern und Schlössern wie ein Gefängnißpförtlien beschlagen war. Das Doppelschloß hatte der alte Schmied vom Thale geliefert und einen »Himmelsriegel« hineingeschmiedet, dessen Geheimniß ohne den Schlüssel weder Feind noch Bruder lösen konnte. Der Schlüssel lag in der Hand des Wahnfred. Das Innere des Baues war in Dämmerung. Die Sonnenscheiben, welche hoch zu den runden Fensterlein, hingen an den Wänden wie leuchtende Lampen. Der Fußboden war aus behauenen Baumstämmen; an der dem Pförtlein gegenüberstehenden Wand stand ein breiter steinerner Sockel als Altar. Über demselben in einer Nische war Platz für das Heiligthum. Im Gebälke das Daches ähnelte dieser Tempel einer Basilika, doch gingen die wuchtigen Balken viel zahlreicher, unregelmäßiger und formloser durcheinander, es war ein Gewirre von Hölzern, Brettern und Stangen, die bestimmt schienen, das Dach zu halten und zu stützen.
Der Bau war ohne Festgelage und Segensspruch fertig geworden. Die Feier der Einweihung sollte am Sonnenwendtage stattfinden, wozu Alle, die sich Trawieser Leute nannten und die gegen eine Aussöhnung mit Kirche und Staat stimmten, durch Wahnfred beschieden worden waren. Wer an diesem Tage auf dem Johannesberge nicht erscheine, der sei aus Trawies gestoßen. Mehrere Männer waren im Inneren des Tempels beschäftigt, mit Reisig und bunten Lappen das Gebälk zu zieren. Sie führten dabei ausgelassene Gespräche; sie freuten sich, wieder eine Kirche zu haben, weil jetzt wohl die großen Kirchweihludereien noch einmal aufkommen würden.
»Gar nichts kommt mehr auf!« rief Einer trotzig, »bei