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all des Unheils, den Mörder des Pfarrherrn zu Trawies der Gerechtigkeit zu überantworten.

      Die Gesandten entgegneten, daß dahin ihre Vollmacht nicht laute, daß es sich auch gar nicht mehr um den erschlagenen Pfarrherrn handle, welcher seinerzeit durch zwölf gefallene Häupter gesühnt worden sei, sondern vielmehr um den ungeheuren Frevel, der an Gott und Kirche begangen, und um die unzähligen Übelthaten, die seither von Trawieser Leuten verübt worden wären.

      Wahnfred wendete ein, daß es eine Ungerechtigkeit sei, von so vielen Verbrechern nur sieben zu bestrafen, daß aber, wenn die Strafe an allen Übelthätern vollzogen werden sollte, in Trawies jetzt kein Mensch mehr übrig bleiben dürfte. Hierauf schilderte der Mann das Elend und den Jammer der letzten Jahre, wie die Leute in die Schuld hineingestürzt worden waren und wie sie hart genug für dieselbe büßen mußten. Dann bat er um Gnade.

      Die beiden Fremden schauderten, waren aber auch gerührt von dem, was sie hier aus beredtem Munde zu hören bekamen. Sie fühlten den glühenden Geist des Zornes, der aus diesem Manne sprach, das zitternde Herz, das für unselige Menschen flehte. Aber in seinem finsteren Auge, in den wunderlichen Bildern seiner Rede war etwas, vor dem ihnen graute. Im seiner Kammer sahen sie das Lämplein brennen mitten am Tage. Sie fragten, was das bedeute? Er antwortete, das wäre das ewige Licht, welches zu Trawies in allen Nächten und Stürmen bis zu diesem Tage bewahrt worden sei.

      Die priesterlichen Abgesandten dachten ans ewige Licht beim Altarssacramente, lobten den frommen Sinn des Lichtbewahrers als einen Rest der göttlichen Gnade und sprachen die Hoffnung aus, daß vielleicht endlich die heilige Kirche Gnade für Recht ergehen lassen und die armen Sünder wieder in ihre Fürsorge und Liebe aufnehmen würde.

      Wahnfred legte seine Hände über die Brust und sein blasses Gesicht röthete sich vor freudiger Aufregung. Er sah im Geiste schon die Erlösung und die Wiederbegründung seiner Heimatsgemeinde im Vereine und unter dem Schutze der Gesellschaft.

      Die Besprechung war aber noch nicht geschlossen, als sich vor dem Hause wüster Lärm erhob. Es war nämlich in den Leuten die Vermuthung erwacht, daß unter den langen Mänteln der beiden Fremden etwas Anderes stecken müsse, als ein Paar Kräutersammler. Allsogleich war der Argwohn da, und Einer theilte denselben dem Anderen mit. Man spürte den Fremden nach und verfolgte sie auf dem Weg zu Hause des Wahnfred und behorchte dort das Gespräch. Und als sie merkten, wo hinaus das wollte, brachen sie ins Haus und schrien wie wüthend: Verrathen und verkaufen ließen sie sich nicht und sie wollten eher hängen, als sich einer [ eingefügt aus einer anderen Ausgabe Herrschaft ergeben, deren Art von Fürsorge Trawies schon reichlich erfahren habe.

      »Wir wollen keinen Herrn, der uns in die Hölle wirft.«

      »Aber auch den Himmel zu vergeben hat«, wendete einer der Fremden ein.

      »Wir wollen keinen, als den Himmel auf Erden und den behalten sie selber. Und daß sie den jener Welt hergeben wollen, weist nur, daß ihnen selber nicht viel daran liegen mag.«

      »Ihr guten Leute,« sagte der Fremde, »euer Sehkreis ist klein. Aber wenn Ihr tausend Jahre wandert, alle Straßen der Welt abgeht, in allen Häusern einkehrt, in allen Palästen zusprecht, Ihr werdet keinen, nicht einen einzigen finden, der den Himmel auf Erden hat. Manchen würdet Ihr sehen, der lächelnd andere verdammt, während er in seinem eigenen Herzen eine peinvolle Hölle trägt. O, glaubt uns, Ihr Menschen von Trawies, wir überheben uns nicht, besser und größer sein zu wollen, als Ihr seid; aber uns obliegt – ob von Gott, ob von irdischen Gesetzen auferlegt – eine Sendung, das Auge der Menschen von ihrer Armseligkeit ab und auf ein ewiges Anbild und zukünftiges Glück zu lenken, damit sie nicht verzweifeln. Wer unserer Weisung folgt, der sieht den Himmel offen, und schon die irdischen Pfade werden ihm vom himmlischen Strahle erhellt. Wer aber trotzig den Segen der Kirche verschmäht, ihre Lehre verhöhnt, an der sich die ganze Menschheit aufrichten soll, der wird mit Recht das Elend der Ausgestoßenen tragen.«

      »Stoßt ihm die Faust ins Maul!« schrie einer aus der gärenden Rotte.

      »An Euch selbst sollt Ihr’s sehen!« rief der Fremde mit erhöhtem Eifer, »die Kirche hat ihre Hand von Euch gezogen, und was seid Ihr jetzt? Eine Bande von Gotteslästerern, Ehebrechern, Räubern und Mördern.«

      Das war des Unglücklichen letztes Wort gewesen. Im nächsten Augenblick schon lag er hingestreckt. Sein Genosse entkam bluttriefend, soll aber die grenze des Flammenrings nicht überschritten haben. Wahnfred suchte mit Gefahr seines Lebens den wütenden Haufen zu beruhigen. Und als er in dunkler Nacht auf der Höhe den Fremden begrub, begrub er auch den letzten Rest der Hoffnung. Nun war es ihm gewiß, für Trawies gab es keine Rettung mehr von außen.

      Um so entschiedener wollte er seinen Einfluß auf die verthierten Trawieser Leute behaupten, um so glühender predigte er den ewigen, furchtbaren Gott, der im Feuer den Menschen erschienen sei zur Rache – und mit noch größerem Eifer betrieb der den Bau des Bethauses.

      In allen Wäldern der Runde hallten die Äxte, an manchem Vielhundertjährigen hieben sie tagelang, bis er fiel. Und dann kroch der Stamm mit hundert Füßen – denn soviel sonst seine Äste waren, soviel klebten jetzt Menschen an seinem Leibe – den Berg hinan. Die rötlich schimmernden Wände des Hauses wuchsen immer mehr aus dem Boden. Die Bäume waren nur roh behauen, fest klammerten sie sich an den Ecken ineinander. Es sollte ja eine Festung sein. Gegen Aufgang der Sonne wurde eine schmale Öffnung zum Eintritte freigelassen, hoch an den Wänden, wohin keines Menschen Haupt zu reichen vermochte, wurden sieben Fenster ausgeschnitten, die so klein waren, daß kaum eine Katze durch dieselben hätte schlüpfen können.

      Wahnfred war der Baumeister. Im zweiten Jahre des Baues waren sie bei den Gleichen. Die Arbeiter die schwer genug zu zügeln waren und fortwährend miteinander im Hader lagen, verlangten nun einen Festtag. Wahnfred gewährte ihn, und sie hielten um die zahlreichen Feuer, in denen Wildpret schmorte, ihre Gelage. In solchen Stunden schlossen sie gern einen Bund der Brüderlichkeit, um ihn bald wieder wahnwitzig zu zerstören. Rohheiten, die in Worten bestanden, galten für Freundschaftsbezeigungen, weit lieber stahlen sie sich gegenseitig die besten Bissen vom Munde weg, dann kamen sie ins Handgemenge. So war bei diesem Baue mancher verunglückt. Wo sich das finstere Auge des Wahnfred zeigte, da waren sie still und arbeiteten. Der schlanke, bärtige Mann, wie er nun zwischen den Spänen und neubehauenen Holzstücken dahinschritt, selbst eine blinkende Axt in der Hand, eher geneigt scheinend, mit derselben ein Menschenhaupt, denn einen Baumstrunk zu spalten – er war unheimlich zu sehen.

      Es hat ihn keiner begleitet, wenn er durch die Dickichte des Johannesberges schritt, oft durch die undurchdringlichsten Büsche, als wollte er etwas, das ihm anlag, von sich abstreifen, abfegen lassen. Es hat ihn keiner gesehen, wenn er auf dem Wildanger stand und hinabstarrte ins Thal, wo zur Rechten das Gestade lag und zur Linken Trawies mit dem blinkenden Mauerwerk der alten Kirche. Auch schaute er hinüber auf die Höhen, wo das Haus des bart lag – aber nicht oft und nicht mit Befriedigung.

      Sein Sohn Erlefried war wieder erschienen, den er schon zweimal gestorben sein ließ. Als ihn – wie er hörte – die Räuber erschossen hatten, beweinte er den Sohn, den er für ein glücklicheres Leben geboren wähnte, als er selbst trug. Da es später hieß, bei einem Waldbrande wäre Erlefried zugrunde gegangen, freute er sich, daß es seinem Kind gegönnt war, ohne Schuld aus dieser Welt zu gehen. Nun lebte der Junge doch, aber lebte einem Tag entgegen, an dem er mit Trawies die Sühnung zu theilen haben würde. Und vielleicht nun mit Recht ...

      Er hätte seinen Sohn gern wiedergesehen, aber es bange ihm davor. Er trug in seiner Seele das offene, kindlich-reine Antlitz des geliebten Erlefried, und dieses Bild war ihm stets Labniß und Seligkeit in seinem unseligen Leben gewesen. Nun fürchtete er, ein bleiches eingefallenes Gesicht sehen zu müssen, auf dem das Laster und das Elend steht. – Es beunruhigte ihn, daß Erlefried nicht selbst kommen wollte, um seinen Vater zu zu suchen. Sollte das eine stille Verurtheilung der That sein? Wohlan, dafür segnet er den Sohn. Er konnte aber auch Mangel an Kindesliebe sein. Dafür segnet er ihn nicht. Nein, Wahnfred will nicht segnen und nicht fluchen; leicht könnte der Himmel den Segen eines solchen Mannes verkehren und den Fluch erhören.

      Ferner befremdete ihn, daß sich Erlefried nicht an dem Baue des Bethauses betheiligte. Wenn er die Arbeit flieht, was

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