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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Nach diesen Worten ist mir jählings gewesen, als ob ich sogleich meine Hand hinhalten und sagen müßte: Ich bin der Mann dazu. Mit den Zuständen dieser alten Welt zerfallen, will ich in der Wildnis eine neue gründen. Eine neue Schule, eine neue Gemeine – ein neues Leben. Lasset mich heute noch hinziehen! – So ist das Feuer doch nicht ganz tot; es sind aus der Asche Funken gestoben.
»Wir haben den Winter vor der Tür«, redet der Herr weiter, »Sie bleiben den Winter über in meinem Hause und pflegen reiflicher Überlegung, und wenn wieder der Sommer kommt und es gefällt Ihnen mein Antrag noch, so gehen Sie in die Wälder.«
Sooft ich im Vorzimmer ein Kleid hab' rauschen gehört, bin ich erschrocken, und letzlich hab' ich den Herrn gebeten, er möge mich über den Winter ziehen lassen; mit den Schwalben würde ich wieder kommen und seinen Vorschlag annehmen.
Er hat sich's nicht nehmen lassen, mir die »Mittel« für den Winter zu spenden; dann aber bin ich geflohen. Im Vorsaale ist eine Frauengestalt gestanden, an der bin ich vorübergehuscht wie ein Wicht.
Einen Tag bin ich gewandert, bis ans Waldland an den See, wo meine Kindheit und meine Mutter begraben liegen. Und hier im Ort hab' ich mir für den Winter ein Stübchen gemietet. Oftmals steige ich die Schneelehnen hinan und stehe unter bemoosten Bäumen, wo es mir ist, als sei ich einmal mit meiner Mutter, mit meinem Vater gestanden, oftmals gehe ich über den gefrorenen See und denke an die Tage an welchen ich im Kahn bei Vater und Mutter über die weichen Wellen gefahren bin. Das Abendrot ist auf den Bergen gestanden, der Sangschall einer Almerin hat an die Wände geschlagen. Mein Vater und meine Mutter haben auch gesungen. Das ist voreh gewesen; voreh...
Ich bin in Frankreich auf der Festung gelegen; ich' bin krank und sterbend in den Wüsten Rußlands geirrt, und nun leb' ich in dir, du stilles, trautes Stübchen am See. – Es wär' ja alles gut, die Zeit der Not versinkt wie ein Traumbild; – nur du solltest nimmer aufgegangen sein, du unglückseliger Tag im Sachsenland, du wirst mich ewig brennen. – Heinrich, ich fürchte mich nicht vor deiner Grabgestalt nur ein einzigmal tritt zu mir; daß ich dir sag': Es ist in Blindheit geschehen, ich kann nicht mehr anders – mit meinem Leben will ich's löschen...
Nun ist es gut. Ich habe mich seit vielen Tagen geprüft; habe mein Vorleben erforscht und es in kurzen Worten hier aufgeschrieben, auf daß es mir stets um so klarer vor Augen liege, wenn neue Wirrnis und Trübsal über mich kommen wird. Ich denke wohl, daß ich die Schule des Lebens vielleicht um ein weniges besser bestehen mag als die Schule der Bücher und toten Lehrsätze. Ich bin zur Erkenntnis gekommen, und mein Gemüt ist ruhig geworden. Wie ich meine Erlebnisse und Verhältnisse, meine Eigenschaften und Neigungen genau überdacht habe, so glaube ich, es ist keine Vermessenheit, den Vorschlag des Freiherrn von Schrankenheim anzunehmen.
Bin ich von außen gleichwohl noch recht jung, von innen bin ich hochbetagt. Von einem alten Mann ein guter Rat darf wohl den Waldleuten willkommen sein.
Salzburg, am Tage des heiligen Antoni von Padua 1814
Es ist richtig, ich gehe in den Wald. Ich bin ausgerüstet und mit allem fertig. Der Freiherr hat mir in allem seinen Beistand zugesagt. Sein Sohn Hermann hat mich wieder mit einer freundlichen Verbeugung begrüßt. Der junge Herr ist ein wenig blaß; er wird viel lernen. Seine Schwester... (Hier waren in der Urschrift zwei Zeilen so vielfach durchstrichen, daß sie vollständig unlesbar geworden sind.)
Meiner Muhme soll es wohl gehen. Ich habe ihr nicht das Leid antun mögen, das sie bei meinem Aussehen und Vorhaben empfunden hätte; habe sie nicht mehr besucht. Nun bläst das Posthorn. Lebe wohl, du schöne Stadt.
Schon drei Tage auf der Reise. Das ist doch ein freundlicheres Wandern als jenes auf den Wintersteppen.
Vorgestern hat grünes Hügelland mit malerischen Gebirgsgegenden gewechselt. Gestern sind wir in ein breites Tal gekommen. Heute geht es fort Berg auf und ab, durch Wälder und Schluchten und an Felswänden hin. Jetzt wird die Straße allweg schmaler und holperiger; zuweilen müssen wir aus dem Wagen steigen und niedergebrochene Steinblöcke beseitigen, daß wir weiterfahren können. Gemsen und Rehe sehen wir mehr als Menschen. Die heutige Nachtherberge habe ich schuldig bleiben müssen. Die Geldnote, die ich bei mir habe, können die Leute dieser Gegend nicht wechseln. Ich hätte dem Wirt ein Pfand gelassen, aber er hat gemeint, wenn es sei, wie ich sage, daß ich in die Wälder der Winkelwässer gehe und alldorten verbleibe, so würde sich wohl einmal eine Gelegenheit bieten, ihm den geringen Betrag zuzuschicken. Es käme zuzeiten ein Bote aus jenen Waldungen gegangen, der dies gerne besorge. – Die Geldnoten muß ich dem Herrn zurückschicken und um kleine Münzen bitten.
An diesem vierten Tage bin ich ausgesetzt worden.
Die Postkutsche ist ihren Weg weitergerollt; ich habe noch eine Weile das helle Horn klingen gehört im Walde, darauf ist alles still gewesen, und ich sitze da bei meinem Bündel, mitten in der Wildnis.
Durch die Waldschlucht rauscht ein Bach heraus, der die Winkel heißen soll und dem entlang ein Fußsteig geht. Er geht über Gestein und Wurzeln, ist mit dürren Fichtennadeln vergangener Jahre besät und sieht aus, wie von wilden Tieren getreten. Diesen Weg muß ich wandeln.
Dort, durch die Wipfel sehe ich eine weiße Tafel blinken, das ist ein Schneefeld. – Und da drin sollen noch Menschen wohnen?
So weit hatte ich in den Schriften gelesen, da läutete es auf dem Turme zum Zeichen der zwölften Stunde. Gleich darauf klopfte es ans Fenster: Die Wirtin schicke mir einen Regenschirm, wenn ich zum Essen gehen wolle. – Es strömte der Regen, und in grauen Strähnen rieselte es vom Dach.
Nach Tische las ich weiter.
Im Winkel
So will ich alles aufschreiben. Für wen, das weiß ich nicht; etwan für den lieben Gott, wie vormaleinst das Brieflein, als mein Vater gestorben. All das Seltsame und Bewegende, das ich erlebe, müßt' mir das Herz zersprengen, dürft' ich es nicht ausplaudern. Ich erzähle es dem Blatt Papier. Vielleicht findet sich dereinst ein Mensch, dem ich's mag vertrauen, und sollt' er mich auch nur zum halben Teil erkennen. Ihr stillen weißen Blätter wollt jetzund meine Freunde sein und teilnehmen an den Tagen, die mir nun kommen mögen. Ich trag' heute noch ein dunkles Haar, und ihr seid grau zumal; etwan überlebt ihr mich weit und seid mein zukünftig Geschlecht.
Ein Blättchen Papier kann älter werden
Wie das frischeste Maiblatt auf Gottes Erden,
Wie das flinkeste Gemslein am Felsenwall,
Wie das lockige Kind im lieblichen Tal,
Ein Blättchen Papier weiß und mild
Ist oft das treueste einzige Bild,
Das der Mensch zurückläßt künftigen Zeiten,
Da über seinen Staub die Urenkel schreiten.