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oder für einen spanischen Ferienclub arbeiten, habe ich Recht?«

      Ich nickte kleinlaut. »Ich habe noch während der Ausbildung Kontakt mit Melia Hotels aufgenommen. Die hatten mich schon eingeladen.«

      »Und darum studierst du jetzt auch Anglistik, nicht wahr?«

      Ich mochte Stefanies sarkastische Ader. »Schon gut. Ist ja nicht so, als wüsste ich das nicht. Aber das ist leider nicht alles.«

      Die Hand meiner Freundin klatschte lautstark auf die Tischplatte. »Ha, ich wusste es, dass etwas passiert ist. Jetzt aber sofort raus damit.«

      Ich krauste nachdenklich die Nase. »Mein Dad hat schon wieder neue Pläne mit mir.«

      »Wie jetzt? Plant er den diplomatischen Dienst für sein Töchterlein?«

      Ich grinste. »Beinahe. Er kam vor vier Tagen strahlend anstolziert und legte mir ein mehrseitiges Pamphlet auf den Tisch. ›Mein Kind, dank meiner guten Beziehungen ist deine Zukunft in trockenen Tüchern. Seit etwa einem Jahr ist einer meiner besten Freunde im obersten Management einer exquisiten amerikanisch-britischen Hotelkette. Du kannst sofort nach dem Studium einsteigen. Was sagst du? Zwei Telefonate und alles war in trockenen Tüchern‹. Steffi, er erwartet allen Ernstes, dass ich heute, am Ende des ersten Studienjahres, bereits meine Seele an eine Hotelkette verkaufe, die ich nebenbei nicht einmal mag.«

      Stefanie musterte mich mit ernster Miene. »Cara, du hast doch hoffentlich nicht unterschrieben?«

      Seufzend verneinte ich. »Das hab ich nicht übers Herz gebracht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich auf ein Leben in den gesellschaftlichen Riegen programmiert werden soll, die meine Eltern so erstrebenswert finden. Aber ich hasse es. Ich sehe überall nur noch Wände und Gitter.«

      Stefanie lehnte sich mit gerunzelter Stirn zurück. »Wenn du diesen Vertrag unterzeichnest, dann frage ich mich wirklich, ob du noch selbständig denken kannst. Es ist offensichtlich, dass du eine Entscheidungshilfe brauchst. Also beantworte mir jetzt einfach aufrichtig die folgenden Fragen, okay?«

      Ich nickte zaghaft und war neugierig, was nun kommen würde.

      »Magst du dein jetziges Leben? Ich meine, magst du es wirklich?«

      »Nein.«

      »Magst du das dir aufgebrummte Studium?«

      »Nein.«

      »Nerven dich das Wetter und die miese Laune der Deutschen?«

      »Ja.«

      »Bist du glücklich?«

      Ich zögerte ein wenig, das war eine sehr ernste Frage. Aber ich musste ehrlich sein. »Nein.«

      »Also ich finde, das genügt haushoch, um endlich einmal eigene Entscheidungen zu treffen. Cara, du warst immer ein sehr lebensfroher, humorvoller Mensch. Du bist nur noch ein Schatten deiner selbst. So kann das nicht weitergehen.«

      Ich fühlte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. »Eigentlich weiß ich das ja, aber was soll ich denn tun?«

      »Leben, Cara! Verdammt noch mal, du sollst leben, und zwar dein Leben und nicht das, was andere für dich vorbestimmen, um ihre eigenen Wünsche und Erwartungen zu erfüllen. Damit ist jetzt sofort Schluss. Du hast mir so oft von diesem Jaime erzählt. Den kontaktierst du noch heute. Hast du mich verstanden?«

      Ich riss überrascht die Augen auf. »Den Chef vom Club Costa Azul? Der hat mir zwar mal angeboten, dass ich dort arbeiten könnte, aber ich habe keine Ahnung, ob das ernst gemeint war.«

      Stefanie rollte genervt die Augen. »Warum sollte er es anbieten, wenn er es nicht so meint? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist er glücklich verheiratet und damit fällt die Möglichkeit, dass er dich nur ins Bett bekommen wollte, schon mal flach, oder?«

      Wenn ich an Jaime dachte, dann erschien automatisch auch das Bild seiner ausgesprochen schönen Frau Mercedes vor meinen Augen.

      »Ja, das fällt sicher flach. Mercedes ist eine Schönheit und er betet sie an.«

      Stefanie schnippte mir so fest und so schnell gegen den Arm, dass es brannte. »Das bist du auch, du Knallkopp. Also meistens wenigstens.«

      Einen Sekundenbruchteil war ich verblüfft, dann lachte ich schallend los. »Weißt du, was ich besonders an dir liebe?«

      Meine Freundin legte kokett den Kopf auf die Seite, sodass ihr ihre langen, fast schwarzen Haare ins Gesicht fielen. »Na, was könnte das denn sein? Meine unglaublich charmante Art?«

      »Die, und dass ich immer weiß, woran ich bei dir bin. Glaubst du wirklich, dass ich das durchziehen könnte?«

      Stefanie knurrte genervt. »Willst du es denn?«

      »Das würde mir tierisch Spaß machen.«

      »Du stellst es dir nicht zu leicht vor? Du hast keine rosarote Brille auf, in Bezug auf den Job?«

      »Auf keinen Fall. Als ich im Costa Azul gewohnt habe, war mir sofort klar, dass das ein Knochenjob ist, und die langen Gespräche mit Jaime und Mercedes waren alles andere als ermutigend. Andererseits haben mir beide auch die Seiten gezeigt, die einfach super schön sind. Und allein die Locations. Das Costa Azul in Teneriffa, also die Hauptniederlassung der Clubkette im Norden der Insel, ist ein Traum. Das Meer, der Strand, die Palmen, die Sonne, die Lebensfreude der Canarios ...« Mein Blick fiel auf Stefanie und ich stockte verwirrt. »Was ist los, warum schaust du so komisch?«

      Lächelnd beugte sich Steffi zu mir herüber und sah mir tief in die Augen. »Ich freue mich für dich.«

      »Hä? Ich kapier gerade nicht, ich habe doch noch gar nichts entschieden.«

      »O doch, das hast du sehr wohl.« Sie klang verdammt überzeugt.

      »Und was macht dich da so sicher?«

      »Weil du von innen strahlst, wenn du nur darüber sprichst. Du wärst so was von dämlich, wenn du hierbleibst.« Stefanie nahm meine Hand und drückte sie. »Auch, wenn ich bei dem Gedanken, dass du hier weggehst, jetzt schon heulen muss.«

      Ich erwiderte ihren festen Händedruck und musterte sie nachdenklich. »Du glaubst, ich sollte das tatsächlich tun? Ich sollte es wagen und Jaime einfach fragen?«

      Sie nickte nachdrücklich und sehr ernst. »Ja, Cara, das solltest du. Du musst hier weg, oder du gehst emotional und seelisch vor die Hunde.«

      Noch am selben Abend, nach einem unerfreulichen Gespräch mit meinem Vater, der zum wiederholten Male nach dem unterzeichneten Vertrag fragte, saß ich im Schneidersitz auf dem Bett in meiner winzigen aber gemütlichen Wohnung. Ich starrte wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf das Telefon, das vor mir auf meiner pink und weiß gestreiften Bettdecke stand, und biss mir vor lauter Aufregung und Selbstzweifel die Lippen wund. Aber es nutzte nichts. Wenn ich es nicht fertigbrächte, einen einfachen Anruf zu tätigen, wie sollte ich dann ein komplett neues Leben meistern?

      Es war schon nach neun Uhr abends, als ich endlich den Mut aufbrachte, nach dem Hörer zu greifen und eine ziemlich lange Nummer zu wählen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe es am anderen Ende klingelte. Als der Empfangschef das Gespräch annahm, hätte ich um ein Haar wieder aufgelegt. Ich musste zwei Mal kräftig räuspern, bevor ich es schaffte, mich zu melden und zu fragen, ob ich bitte … ich kam gar nicht so weit, als dass ich nach Jaime hätte fragen können.

      »Cara? Cara, bist du das? Hey, ich bin’s, Silvio. Alles gut bei dir?«

      Schon die erfreute und fröhliche Stimme zu hören tat gut. »Ja, alles prima.« Ich war sehr dankbar dafür, dass Silvio zu jenen Spaniern zählte, die Mitleid mit Nicht-Muttersprachlern bewiesen und nicht mit der Schnelligkeit eines abgefeuerten Maschinengewehrs redeten.

      »Kommst du uns wieder besuchen? Das wäre klasse.«

      »Ja, vielleicht, aber dazu müsste ich bitte kurz mit Jaime sprechen. Ist er da?«

      Jetzt war es raus. Es gab kein Zurück.

      »Jaime ist da,

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