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Gut erschien, sondern: gottgewolltes Handeln mit dem Gefühl, Gottes »Werkzeug« zu sein, konnte hier der bevorzugte religiöse Habitus werden, wie er im Okzident immer wieder, gegenüber der dort ebenfalls wohlbekannten kontemplativen Mystik und orgiastischen oder apathischen Ekstase, das Uebergewicht behielt. Nicht daß er auf diese Schichten beschränkt gewesen wäre. Eine solche eindeutige soziale Determiniertheit bestand auch hier in keiner Weise. Auch die an Adel und Bauern sich wendende zarathustrische und die an Krieger sich wendende islamische Prophetie hatten ganz ebenso wie die israelitische und altchrisliche Prophetie und Predigt diesen aktiven Charakter im Gegensatz zu der buddhistischen, taoistischen, neupythagoreischen, gnostischen, sufistischen Propaganda. Aber gewisse spezifische Konsequenzen der Sendungs-Prophetie sind allerdings, wie wir sehen werden, gerade auf »bürgerlichem« Boden gezogen worden.

      Die Sendungs-Prophetie, bei welcher die Frommen sich nicht als Gefäß des Göttlichen, sondern als Werkzeug des Gottes fühlten, hatte nun eine tiefe Wahlverwandtschaft zu einer bestimmten Gotteskonzeption: dem überweltlichen, persönlichen, zürnenden, vergebenden, liebenden, fordernden, strafenden Schöpfergott, im Gegensatz zu dem – keineswegs ausnahmslos, allerdings aber der Regel nach – unpersönlichen, weil nur kontemplativ, als Zuständlichkeit, zugänglichen höchsten Wesen der exemplarischen Prophetie. Die erste Konzeption beherrschte die iranische und vorderasiatische und die aus dieser abgeleitete okzidentale, die zweite die indische und chinesische Religiosität.

      Diese Unterschiede waren nichts Primitives. Im Gegenteil läßt sich erkennen, daß sie erst bei weitgehender Sublimierung der überall sehr ähnlichen primitiven animistischen Geister- und heroistischen Götter-Vorstellungen sich eingestellt haben. Sicherlich unter starker Mitwirkung des eben erwähnten Zusammenhangs mit den als Heilsgut gewerteten und begehrten religiösen Zuständlichkeiten. Diese wurden eben in der Richtung einer verschiedenen Gotteskonzeption interpretiert, je nachdem das kontemplative mystische Erlebnis oder die apathische Ekstase oder der orgiastische Gottesbesitz oder visionäre Eingebungen und »Aufträge« die höchstgewerteten Heilszustände waren. Von dem heute verbreiteten und, natürlich, auch weitgehend berechtigten Standpunkt aus: daß die Gefühlsinhalte das allein Primäre und die Gedanken nur ihre sekundären Ausformungen seien, könnte man nun geneigt sein, dieses Kausalverhältnis: Primat der »psychologischen« gegenüber den »rationalen« Zusammenhängen, als ausschließlich maßgebend, diese also nur als Deutung jener anzusehen. Indessen das wäre nach Ausweis der Tatsachen viel zu weit gegangen. Die folgenschwere Entwicklung zur überweltlichen oder zur immanenten Gotteskonzeption wurde durch eine ganze Reihe auch rein historischer Motive bestimmt, und sie hat ihrerseits auf die Art der Gestaltung der Heilserlebnisse höchst nachhaltig eingewirkt. Vor allem, wie wir stets erneut sehen werden: der überweltliche Gott. Wenn selbst Meister Eckhart gelegentlich ausdrücklich »Martha« über »Maria« stellte, so letztlich deshalb: weil für ihn das dem Mystiker eigene pantheistische Erlebnis Gottes unvollziehbar war ohne gänzliche Aufgabe aller entscheidenden Bestandteile des abendländischen Schöpfungs- und Gottesglaubens. Die rationalen Elemente einer Religion, ihre »Lehre«, – so die indische Karmanlehre, der calvinistische Prädestinationsglaube, die lutherische Rechtfertigung durch den Glauben, die katholische Sakramentslehre –, haben eben auch ihre Eigengesetzlichkeiten, und die aus der Art der Gottesvorstellungen und des »Weltbildes« folgende rationale religiöse Heilspragmatik hat unter Umständen weittragende Folgen für die Gestaltung der praktischen Lebensführung gewonnen. –

      Wenn, wie in den bisherigen Bemerkungen vorausgesetzt wurde, die Art der erstrebten Heilsgüter stark beeinflußt war durch die Art der äußeren Interessenlage und der ihr adäquaten Lebensführung der herrschenden Schichten und also durch die soziale Schichtung selbst, so war umgekehrt auch die Richtung der ganzen Lebensführung, wo immer sie planmäßig rationalisiert wurde, auf das tiefgreifendste bestimmt durch die letzten Werte, an denen sich diese Rationalisierung orientierte. Dies waren, gewiß nicht immer und noch weit weniger ausschließlich, aber allerdings, soweit eine ethische Rationalisierung eintrat und soweit ihr Einfluß reichte, in aller Regel auch, und oft ganz entscheidend, religiös bedingte Wertungen und Stellungnahmen.

      Für die Art dieser gegenseitigen Zusammenhänge zwischen äußerer und innerer Interessenlage war nun Eines sehr wichtig. Die bisher aufgeführten »höchsten«, von einer Religion verheißenen Heilsgüter waren nicht auch die universellsten. Der Eingang in Nirwana, die kontemplative Vereinigung mit dem Göttlichen, die orgiastisch oder asketisch gewonnene Gottbesessenheit waren keineswegs jedermann zugänglich. Und auch in der abgeschwächten Form, in welcher die Versetzung in den religiösen Rausch-oder Traum-Zustand Gegenstand eines universellen Volkskultes werden konnte, waren sie wenigstens nicht Bestandteile des Alltagslebens. Gleich am Beginn aller Religionsgeschichte steht für uns die wichtige Erfahrungstatsache der ungleichen religiösen Qualifikation der Menschen, wie sie in schroffster rationalistischer Fassung der »Gnadenpartikularismus« der Prädestinationslehre der Calvinisten dogmatisierte. Die höchstgewerteten religiösen Heilsgüter – die ekstatischen und visionären Fähigkeiten der Schamanen, Zauberer, Asketen und Pneumatiker aller Art – waren nicht jedem erreichbar, ihr Besitz war ein »Charisma«, welches zwar bei Manchen, aber nicht bei Allen geweckt werden konnte. Daraus ergab sich die Tendenz aller intensiven Religiosität zu einer Art von ständischer Gliederung gemäß den charismatischen Qualifikationsunterschieden. »Heroistische« oder »Virtuosen«-Religiosität[2] stand gegen »Massen«-Religiosität, – wobei hier unter »Masse« natürlich keineswegs die in der weltlichen Ständeordnung sozial niedriger Gestellten verstanden sind, sondern die religiös »Unmusikalischen«. Die Bünde der Zauberer und heiligen Tänzer, der religiöse Stand der indischen Sramana, die ausdrücklich als besonderer »Stand« in der Gemeinde anerkannten altchristlichen »Asketen«, die paulinischen und erst recht die gnostischen »Pneumatiker«, die pietistische »ecclesiola«, alle eigentlichen »Sekten«, das heißt soziologisch: Verbände, welche nur die religiös Qualifizierten in sich aufnahmen, endlich alle Mönchsgemeinschaften der ganzen Erde waren in diesem Sinne ständische Träger einer Virtuosen-Religiosität. Jede Virtuosen-Religiosität wird nun in ihrer eigengetzlichen Entfaltung grundsätzlich bekämpft von jeder hierokratischen Amtsgewalt einer »Kirche«, das heißt einer anstaltsmäßig mit Beamten organisierten gnadenspendenden Gemeinschaft. Denn als die Trägerin der Anstaltsgnade strebt diese die Massenreligiosität zu organisieren und ihre eigenen amtlich monopolisierten und vermittelten Heilsgüter an Stelle der religiös-ständischen Eigen-Qualifikation der religiösen Virtuosen zu setzen. Sie muß ihrer Natur, d.h. der Interessenlage ihrer Amtsträger nach, in diesem Sinne der allgemeinen Zugänglichkeit der Heilsgüter »demokratisch« sein: d.h. Anhängerin des Gnadenuniversalismus und der ethischen Zulänglichkeit aller derer, die sich ihrer Anstaltsgewalt einordnen. Der Vorgang bildet soziologisch eine volle Parallele zu dem auf politischem Gebiet sich vollziehenden Kampf der Bürokratie gegen die politischen Eigenrechte der ständischen Aristokratie. Auch jede voll entwickelte politische Bürokratie ist ebenso notwendig und in einem ganz ähnlichen Sinne »demokratisch« im Sinne der Nivellierung und der ständischen, von ihr als Machtkonkurrenten bekämpften, Privilegien orientiert wie die Hierokratie. Die mannigfachsten Kompromisse entstanden als Resultat dieses nicht immer offiziellen, stets aber latent vorhandenen Kampfes (der Ulema-gegen die Derwisch-Religiosität, der altchristlichen Bischofe gegen die Pneumatiker und heroistischen Sektierer und gegen die Schlüsselgewalt des asketischen Charisma, des lutherischen Predigeramts und der anglikanischen Priesterkirche gegen die Askese überhaupt, der russischen Staatskirche gegen die Sekten, der konfuzianischen amtlichen Kultversorgung gegen die buddhistische, taoistische und sektiererische Heilssuche aller Art). Wie nun diejenigen Konzessionen an die Möglichkeiten der Alltagsreligiosität aussahen, zu denen sich die Anforderungen des Virtuosentums genötigt fanden, um sich, ideell und materiell, die Massenkundschaft zu erwerben und zu erhalten, – dies wurde naturgemäß in erster Linie entscheidend für die Art der religiösen Beeinflussung des Alltags. Ließ sie die Massen in der magischen Tradition stecken, – wie in fast allen orientalischen Religionen, – so war ihr Einfluß unendlich viel geringer als wenn sie, mit noch so vielen Abstrichen von ihren idealen Forderungen, doch eine ethische Rationalisierung des Alltages vornahm und allgemein, auch oder gerade nur für die Massen, durchführte. Neben jenem Verhältnis von Virtuosen- und Massenreligiosität nun, welches sich schließlich als

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<p>2</p>

Aus dem Begriff des »Virtuosentums« muß in diesen Zusammenhängen jeder ihm heute anklebende Wertbeigeschmack entfernt werden. Ich würde um jener Belastung willen den Ausdruck »heroistische« Religiosität vorziehen, wenn er nicht für manche hierhergehörige Erscheinungen allzuwenig adäquat wäre.