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immer aber noch andere hinzufügen und gelegentlich auch wohl nachdrücklicher, als es hier möglich wäre, zum Ausdruck bringen, daß – natürlich – alle qualitativen Gegensätze in der Realität letztlich sich irgendwie als rein quantitative Unterschiede der Mischungsverhältnisse von Einzelfaktoren auffassen lassen. Für uns hier wäre es aber höchst unfruchtbar, diese Selbstverständlichkeit immer neu betonen zu wollen.

      Auch die für die Wirtschaftsethik wichtigen Züge der Religionen aber sollen uns hier wesentlich unter einem bestimmten Gesichtspunkt interessieren: in der Art ihrer Beziehung zum ökonomischen Rationalismus, und zwar – da auch dies noch nicht eindeutig ist – zum ökonomischen Rationalismus von demjenigen Typus, der den Okzident als eine Teilerscheinung der dort heimisch gewordenen Art der bürgerlichen Lebensrationalisierung seit dem 16. und 17. Jahrhundert zu beherrschen begann. Denn es ist hier vorweg noch einmal daran zu erinnern: daß »Rationalismus« etwas sehr Verschiedenes bedeuten kann. So schon: je nachdem dabei entweder an jene Art von Rationalisierung gedacht wird, wie sie etwa der denkende Systematiker mit dem Weltbild vornimmt: zunehmende theoretische Beherrschung der Realität durch zunehmend präzise abstrakte Begriffe, – oder vielmehr an die Rationalisierung im Sinne der methodischen Erreichung eines bestimmten gegebenen praktischen Zieles durch immer präzisere Berechnung der adäquaten Mittel. Beides sind sehr verschiedene Dinge trotz der letztlich untrennbaren Zusammengehörigkeit. Selbst innerhalb der denkenden Erfassung des Wirklichen scheiden sich ähnliche Typen: man hat die Unterschiede der englischen gegenüber der kontinentalen Physik auf sie zurückzuführen versucht. Jene Rationalisierung der Lebensführung aber, mit der wir es hier zu tun haben, kann ungemein verschiedene Formen annehmen. Der Konfuzianismus ist im Sinne des Fehlens jeder Metaphysik und fast aller Reste religiöser Verankerung: – so weitgehend, daß er an der äußersten Grenze dessen steht, was man überhaupt allenfalls noch eine »religiöse« Ethik nennen kann, – so rationalistisch und zugleich, im Sinne des Fehlens und der Verwerfung aller nicht utilitarischen Maßstäbe, so nüchtern, wie kein anderes der ethischen Systeme außer etwa demjenigen J. Benthams. Aber er ist von diesem und von allen okzidentalen Typen des praktischen Rationalismus ganz außerordentlich verschieden trotz fortwährender wirklicher und scheinbarer Analogien. »Rational« im Sinn des Glaubens an einen geltenden »Kanon« war das höchste Kunstideal der Renaissance, rationalistisch im Sinn der Ablehnung traditionaler Bindungen und des Glaubens an die Macht der naturalis ratio auch ihre Lebensbetrachtung trotz der Einschläge platonisierender Mystik. »Rational« in einem wieder ganz anderen Sinn: dem der »Planmäßigkeit«, war aber auch die Methode der Abtötungs- oder der magischen Askese oder Kontemplation in deren konsequentesten Formen, etwa im Yoga oder in den spätbuddhistischen Manipulationen mit Gebetsmaschinen. »Rational« teils im gleichen Sinn: der formalen Methodik, teils aber im Sinn der Unterscheidung von normativ »Geltendem« und empirisch Gegebenem, waren überhaupt alle Arten von praktischer Ethik, die systematisch und eindeutig an festen Heilszielen orientiert wurden. Diese, letztgenannte, Art von Rationalisierungsprozessen nun interessiert uns im folgenden. Der Versuch, ihre Kasuistik hier vorwegzunehmen, hätte keinen Sinn, da ja gerade diese Darstellung selbst einen Beitrag zu ihr liefern möchte.

      Um dies zu können, muß sie sich aber eine Freiheit herausnehmen: »unhistorisch« in dem Sinne zu sein, daß die Ethik der einzelnen Religionen systematisch wesentlich einheitlicher dargestellt wird, als sie es im Fluß der Entwicklung jemals war. Es müssen hier eine Fülle von Gegensätzen, die innerhalb der einzelnen Religionen lebten, von Entwicklungsansätzen und Zweigentwicklungen beiseite gelassen und also die für uns wichtigen Züge oft in einer größeren logischen Geschlossenheit und Entwicklungslosigkeit vorgeführt werden, als sie in der Realität sich vorfanden. Diese Vereinfachung würde historisch »Falsches« dann ergeben, wenn sie willkürlich vorgenommen würde. Das aber ist, wenigstens der Absicht nach, nicht der Fall. Es sind vielmehr stets diejenigen Züge im Gesamtbilde einer Religion unterstrichen, welche für die Gestaltung der praktischen Lebensführung in ihren Unterschieden gegen andere Religionen die entscheidenden waren[3].

      Schließlich, ehe zur Sache gekommen wird, noch einige Vorbemerkungen zur Erklärung häufig wiederkehrender terminologischer Besonderheiten der Darstellung[4].

      Die religiösen Vergesellschaftungen und Gemeinschaften gehören bei voller Entwicklung zum Typus der Herrschaft sverbände: sie stellen »hierokratische« Verbände, d.h. solche dar, bei welchen die Herrschaftsgewalt durch das Monopol der Spendung oder Versagung von Heilsgütern gestützt wird. Alle Herrschaftsgewalten, profane wie religiöse, politische wie unpolitische, lassen sich als Abwandlungen von oder Annäherungen an einige reine Typen ansehen, welche gebildet werden durch die Frage: welche Legitimitäts grundlage die Herrschaft für sich in Anspruch nimmt. Unsere heutigen Verbände, vor allem die politischen, haben den Typus »legaler« Herrschaften. Das heißt: die Legitimität zu befehlen ruht für den Inhaber der Befehlsgewalt auf rational gesatzter, paktierter oder oktroyierter, Regel, und die Legitimation zur Satzung dieser Regeln wiederum auf rational gesatzter oder interpretierter »Verfassung«. Im Namen nicht einer persönlichen Autorität, sondern im Namen der unpersönlichen Norm wird befohlen und der Erlaß des Befehls selbst ist auch seinerseits Gehorsam gegenüber einer Norm, nicht freie Willkür oder Gnade oder Privileg. Der »Beamte« ist der Träger der Befehlsgewalt, und niemals übt er sie zu eigenem Recht aus, sondern stets trägt er sie zu Lehen von der unpersönlichen »Anstalt«, dem durch gesatzte Regeln normativ beherrschten spezifischen Zusammenleben bestimmter oder unbestimmter, aber nach regelhaften Merkmalen angebbaren Menschen. Die »Kompetenz«, ein sachlich abgegrenzter Bereich von möglichen Befehlsobjekten, umgrenzt den Bereich seiner legitimen Gewalt. Eine Hierarchie von »Vorgesetzten«, die er im »Instanzenzuge« beschwerdeführend anrufen kann, steht dem »Bürger« oder »Mitglied« des Verbandes gegenüber. So auch im heutigen hierokratischen Verband: der Kirche. Der Pfarrer oder Priester hat seine bestimmt abgegrenzte »Kompetenz«: die durch Regeln festgelegt ist. Auch für das höchste Kirchenhaupt gilt das: die heutige »Infallibilität« ist ein Kompetenzbegriff: dem inneren Sinn nach verschieden von dem, was ihr voranging (noch zur Zeit Innocenz' III.). Die Scheidung von »Amtssphäre« (bei der Infallibilität: dem Definieren »ex cathedra«) und »Privatsphäre« ist ganz ebenso durchgeführt wie beim politischen (oder sonstigen) Beamten. Die rechtliche »Trennung« des Beamten von den Verwaltungsmitteln (in Natur- oder Geldform) ist in der Sphäre der politischen und hierokratischen Verbände genau so durchgeführt wie die »Trennung« des Arbeiters von den Produktionsmitteln in der kapitalistischen Wirtschaft: sie ist deren völlige Parallele.

      Dies alles aber ist, soviel Ansätze dazu sich schon in der frühesten Vergangenheit finden, in seiner Vollentwicklung spezifisch modern. Die Vergangenheit kannte andere Grundlagen der legitimen Herrschaft, die übrigens auf Schritt und Tritt in ihren Rudimenten auch in die Gegenwart hineinreichen. Wir wollen sie wenigstens terminologisch kurz umschreiben.

      1. Es soll bei den nachfolgenden Erörterungen unter dem Ausdruck: »Charisma« eine (ganz einerlei: ob wirkliche oder angebliche oder vermeintliche) außeralltägliche Qualität eines Menschen verstanden werden. Unter »charismatischer Autorität« also eine (sei es mehr äußerliche oder mehr innerliche) Herrschaft über Menschen, welcher sich die Beherrschten kraft des Glaubens an diese Qualität dieser bestimmten Person fügen. Der magische Zauberer, der Prophet, der Führer auf Jagd- und Beutezügen, der Kriegshäuptling, der sog. »cäsaristische« Herrscher, unter Umständen das persönliche Parteihaupt, sind gegenüber seinen Jüngern, seiner Gefolgschaft, der von ihm geworbenen Truppe, der Partei usw. solche Herrschertypen. Die Legitimität ihrer Herrschaft beruht auf dem Glauben und der Hingabe an das Außergewöhnliche, übernormale Menschenqualitäten Hinausgehende und deshalb (ursprünglich: als übernatürlich) Gewertete. Also: auf magischem oder auf Offenbarungs- und Heldenglauben, dessen Quelle »Bewährung« der charismatischen Qualität durch Wunder, durch Siege und andere Erfolge: durch Wohlergehen der Beherrschten, ist, und der deshalb nebst der in Anspruch genommenen Autorität schwindet oder doch zu schwinden droht sobald die Bewährung ausbleibt und der charismatisch Qualifizierte sich von seiner magischen Kraft oder von seinem Gott verlassen zeigt. Die Herrschaft wird nicht nach generellen Normen, weder traditionellen, noch rationalen, sondern – im Prinzip – nach konkreten Offenbarungen und Eingebungen gehandhabt und ist in diesem Sinne

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<p>3</p>

Die Reihenfolge der Betrachtung ist – um auch das zu bemerken – nur zufällig geographisch, von Ost nach West gehend. In Wahrheit ist nicht diese äußere örtliche Verteilung, sondern sind, wie sich vielleicht bei näherer Betrachtung zeigt, innere Zweckmäßigkeitsgründe der Darstellung dafür maßgebend gewesen.

<p>4</p>

Die nähere Ausführung in dem Abschnitt »Wirtschaft und Gesellschaft« im Grundriß der Sozialökonomik (Tübingen, J. C. B. Mohr).