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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Fehlhauser schaute auf, beinahe erschreckt.
»Verzeihung, Herr Polizeiinspektor –« meinte er mit leisem Lächeln. »Wir Kriminalbeamte gewöhnen es uns so leicht an, unsere Gedanken ohne Rücksicht auf die Umgebung spazieren zu führen. Freilich hat diese stille Geistestätigkeit stets einen Zweck. So auch jetzt. Ich bin mit mir über die merkwürdigen Diebstähle nämlich schon so ziemlich ins reine gekommen.«
Eine kleine Pause. Und dann etwas zögernd:
»Wissen Sie, wen ich für den Täter halte? – Denn es kommt ja sicher nur eine Person und zwar stets dieselbe in Frage.«
»Ich bin wirklich gespannt, – wirklich.«
Gruber hatte plötzlich sein leckeres Mahl daheim völlig vergessen. Denn das dieser Berliner Herr schon nach kaum einstündiger Anwesenheit hier in Lanken so weitgehende Schlüsse gezogen haben sollte, erschien ihm geradezu unglaublich, besonders wo er, der doch auch seine Erfahrungen besaß, sich mit derselben Sache ein ganzes halbes Jahr abgemüht hatte und zwar ohne jeden Erfolg, – ohne jeden.
Inzwischen hatte Fehlhauser mit halb zusammengekniffen Augen – bei ihm das Zeichen scharfen Nachdenkens – bereits mit seinen Eröffnungen begonnen.
»Die Tatsache, daß der Dieb sich für seine Raubzüge stets einen Tag aussuchte, an dem die Bewohner des von ihm aufs Korn genommenen Hauses durch eine Festlichkeit beschäftigt waren und die allgemeine Aufmerksamkeit und Wachsamkeit daher geringer war als sonst, ferner der Umstand, daß der Täter bei all seinen Einbrüchen eine geradezu auffällig genaue Ortskenntnis verriet und stets ebenso genau wußte, wo er gute Beute zu erwarten hatte, läßt im Verein mit seiner ›Arbeitsmethode‹ nur den einen Schluß zu, daß man den Spitzbuben nicht etwa in den niederen Volksschichten unter gewerbsmäßigen Verbrechern, sondern in den ersten Kreisen zu suchen hat. Sie erschrecken und halten diese meine Schlußfolgerung jedenfalls für zu gewagt, Herr Polizeiinspektor. Ich hoffe, Sie trotzdem noch zu meiner Ansicht zu bekehren. Bedenken Sie doch nur, wie schwer es für jeden Fremden – ich meine jeden Einbrecher von Beruf – gewesen wäre, die Gelegenheit für all diese Diebstähle auszubaldowern, besonders wo es sich doch hier um Schlösser reicher Großgrundbesitzer handelt, zu denen kein gewöhnlicher Sterblicher so leicht Zutritt erhält. Schon dieses eine Moment ist so schwerwiegend, daß man unwillkürlich stutzig werden muß. – Habe ich recht?«
Gruber nickte eifrig.
»Stimmt, Herr Kommissar, stimmt! Da fällt mir ja auch noch etwas ein, was vielleicht wichtig ist und worauf ich jetzt erst aufmerksam werde, wo Sie mir die Sache von einer etwas anderen Seite beleuchtet haben. Wie Ihnen ja schon aus meinen Briefen bekannt sein dürfte, hat der Dieb zwei Mal dem Arbeitszimmer des Hausherrn und die beiden anderen Male dem Toilettenzimmer der Damen, wo er Juwelen raubte, Besuch abgestattet. Regelmäßig war nun nicht nur die vom Korridor in den betreffenden Raum führende Tür nachher von innen verriegelt, sondern ebenso regelmäßig auch die zweite Verbindungstür nach den Nebengemächern versperrt und der Schlüssel spurlos verschwunden.«
Fehlhauser hatte sich plötzlich aufgerichtet. Jede seiner Mienen drückte die lebhafteste Spannung aus.
»Das ist ja von ungeheurer Wichtigkeit,« rief er ganz erregt. »Gerade diese Beobachtung paßt vorzüglich in meine Kombinationen hinein. Nun weiß ich auch bestimmt, wie die Diebstähle ausgeführt wurden, sogar ganz bestimmt. –
Unterstellen wir einmal, der Dieb ist wirklich ein Angehöriger der besten Gesellschaft, hier in der Stadt oder der Umgegend ansässig und häufiger Gast bei den adeligen Besitzern. Er kennt mithin das Innere der Schlösser recht genau, weiß auch, wo die einzelnen Räume lieben, wohin die Türen münden und so weiter. Zu allen festlichen Veranstaltungen wird er natürlich zugezogen. Er vermag sich also in aller Ruhe die Gelegenheit auszusuchen, wo er in dem allgemeinen Trubel solch eines Festes unbeobachtet das Zimmer, in dem er Beute vermutet, betreten kann. Hinter sich sperrt er dann sofort die Türen ab, so daß ein Überraschtwerden unmöglich ist. In aller Eile werden die Schubfächer erbrochen und der Raub eingesteckt. Nun das Wichtigste: das Hervorrufen der falschen Fährte. Ein mitgebrachtes Seil wird schnell zum offenen Fenster hinausgehängt. Das erweckt den Anschein, als habe der Dieb auf diesem Wege das Schloß verlassen. In Wahrheit macht sich der Spitzbube jedoch durch die Tür nach dem Nebengemach davon, dessen Schlüssel er abzieht und später irgendwo verschwinden läßt. Ebenso harmlos wie vorher mischt er sich nun wieder unter die Gäste. Begegnet ihm irgend jemand auf den Korridoren, so kann das ja nicht auffallen. Er ist ein guter Bekannter des Hauses und darf sich überall zwanglos bewegen. –
Sagen Sie selbst, Herr Inspektor, ist diese Theorie nicht wirklich einleuchtend? Wird sie nicht allen Momenten der vier Verbrechenstatbestände gerecht?«
»Freilich, freilich. Und doch – es fällt mir so schwer, daran zu glauben, daß wirklich ein Mitglied der guten Gesellschaft so tief gesunken sein sollte. Ich kenne die Herrschaften hier doch alle. Und nicht einer ist darunter, gegen den man auch nur die Spur eines Verdachts hegen könnte – nicht einer!«
Fehlhauser lächelte etwas überlegen.
»Mein lieber Herr Polizeiinspektor. Sie kennen all die Abgründe der Menschenseele nicht, die sich auch hinter der vornehmsten Außenseite verbergen. Ich könnte Ihnen aus meiner Praxis Geschichten erzählen, daß Sie den Glauben an die ganze Menschheit dabei verlieren würden. Vielleicht ein andermal. Heute ist’s zu spät geworden. Ich muß fort. Nur noch eines zum Schluß: So schlau sich dieser GentlemanEinbrecher auch vorkommen mag, – eine unglaubliche Dummheit hat er doch begannen: Er hätte, wenn er ganz gerissen gewesen wäre, seine Methode wechseln und nicht stets nach derselben Schablone arbeiten dürfen. Wenn ich dem ›feinen Herrn‹ jetzt hinter seine Schliche kommen sollte, – und ich hoffe das stark – so hat er sich das selbst zuzuschreiben. Ich weiß jetzt, wo ich nach dem Täter suchen muß. Geahnt habe ich das alles ja schon in Berlin nach dem ersten Überlesen Ihres Berichtes. Sonst hätte ich mir ja auch nicht diese Einlaßkarte für den heutigen Maskenball von Ihnen besorgen lassen. –
Vielleicht fällt die Entscheidung schon in ein paar Stunden. Etwas wie eine Ahnung sagt mir, daß dieses Maskenspiel möglicherweise tragisch enden kann. –
Nun aber wirklich adieu, Herr Inspektor. Und den Karton mit dem Kostüm bitte sofort ins Hotel ›Deutscher Kaiser‹, wo ich mich ebenfalls als Dr. Gulling aus Königsberg einschreiben werde.«
Damit trennten sich die beiden Herren.
Kaum war der Kommissar verschwunden, als auch Gruber sofort seinen Paletot anzog und sich auf den Heimweg machte, nachdem er noch einen der Beamten in der Wachtstube den Karton zur Besorgung übergeben hatte.
2. Kapitel
Ein Freund aus der Jugendzeit
Zu derselben Zeit, als die beiden Polizeibeamten die wichtige Besprechung wegen der geheimnisvollen Diebstähle erledigten, fand keine drei Häuser weiter in der ersten Etage eines modernen Neubaues eine nicht minder interessante Unterredung statt. Dort bewohnte Graf Axel Kaisenberg drei elegant möblierte Zimmer, die er von der verwitweten Frau Sanitätsrat Krüger gemietet hatte.
Die Kaisenberg gehörten zu einem der ältesten Geschlechter des ostpreußischen Adels. Seit der Zeit des Großen Kurfürsten war dieser Stamm stets in der Armee unter den obersten Heerführern vertreten. Die Befreiungkriege, in denen so manche vormals reiche Adelsfamilie allzu freigebig für das allgemeine Wohl Summen auf Summen gespendet hatte, waren auch den Kaisenbergs verhängnisvoll geworden. Seit jener Zeit hatte sich die Grafenfamilie gerade noch so eben standesgemäß von den Einkünften ihres Stammgutes durchschlagen können. Jetzt ruhte das Kaisenbergsche Geschlecht nur noch auf vier Augen, – den beiden bisher unvermählten Grafen Arthur und Axel. Letzterer, der jüngerer der beiden, war nur kurze Zeit Offizier gewesen und hatte dann den Dienst quittiert. Weswegen, wußte niemand so recht. Jedenfalls