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erfahren durch den Zuspruch eines Bruders, […] bald von Dir, bald von Jonas oder einem andern. Warum hörst Du nun auch nicht auf uns? […]

      In persönlichen Kämpfen bin ich schwächer, Du aber tapferer; dagegen in öffentlichen Kämpfen stets umgekehrt: Du wie ich in persönlichen Kämpfen und ich wie Du, wenn ich »persönlich« das nennen darf, was zwischen mir und Satan vorgeht. Denn Du schätzt Dein Leben gering, fürchtest aber für die öffentliche Sache. Ich aber bin wegen der öffentlichen Sache getrosten Mutes und ruhigen Sinnes, denn ich weiß: Sie ist sicherlich gerecht und wahr, ja Christi und Gottes Sache, sie braucht darum ihrer Sünde halber nicht zu erblassen, wie ich kleiner Heiliger erblassen und zittern muss. Darum bin ich fast ein sorgloser Zuschauer, und jene wütenden und drohenden Papisten achte ich nicht so viel! Stürzen wir, so wird Christus mit stürzen, Er, der Herrscher der Welt! Und sei es denn, so will ich lieber mit Christus stürzen als mit dem Kaiser stehen!

      […]

      Der Herr Jesus Christus bewahre Dich, dass Dein Glaube nicht aufhöre, sondern wachse und siege, Amen! Ich bete für Dich, ich habe gebetet und werde es tun, und zweifle nicht, ich bin erhört. Denn ich fühle das Amen in meinem Herzen. Geschieht nicht, was wir wollen, dennoch wird geschehen, was besser ist! Denn wir erwarten ein künftig Reich, wenn alles in der Welt betrogen hat.

      Am letzten Juni 1530.

      Dein Martin Luther.

      Jonathan Swift und Charles Ford

      Jonathan Swift (1667–1745) ist der Nachwelt vor allem als Autor von Gullivers Reisen in Erinnerung geblieben, eines der meist gelesenen Bücher der Welt. Die Erzählungen von Gullivers Expeditionen zu den Liliputanern und zu den Riesen von Borbdingnag sind heutzutage vor allem in gekürzter Fassung und als Jugendbücher bekannt. Eigentlich aber handelt es sich bei Gullivers Reisen um einen der größten satirischen Texte der Literaturgeschichte.

      Swift war ein einzigartiger Satiriker, auch wenn er sich selbst in einem der unten stehenden Briefe genau dieses Talent abspricht. Einen Namen machte sich der gebürtige Ire im London des frühen 18. Jahrhunderts als politischer Journalist; am Anfang seiner Karriere stand er auf der Seite der liberalen Whigs, ab 1710 jedoch unterstützte er die konservativen Tories. Dies war auch der Grund dafür, dass Swift nach dem Tod von Königin Anne und dem Fall der Tories 1714 nicht vom heimatlichen Dublin nach London zurückkehren konnte, das er seiner Geburtsstadt eigentlich bei Weitem vorzog. Swift gilt bei den Iren zwar heute noch als Nationalheld, weil er tatkräftig gegen die Unterdrückung seiner Landsleute durch die Engländer kämpfte; im Grunde jedoch verabscheute Swift Irland von ganzem Herzen (zumindest tat er so).

      Überhaupt galt der Autor wie der Mensch Swift als ausgesprochener Misanthrop und Griesgram. Dem gegenüber stehen die tiefen Freundschaften, die ihn mit vielen der geistigen Größen seiner Zeit verbanden; an den klassizistischen Dichter und Verssatiriker Alexander Pope schrieb Swift einmal, dass er nur das »Tier Mensch« im Allgemeinen verachte, individuelle Exemplare der Spezies aber durchaus liebe.

      Zu diesen geliebten Menschen gehörte Charles Ford (1682–1741), ein Grundbesitzer, der seine Zelte dauerhaft in London aufgeschlagen hatte. Ford war ein politischer Mitstreiter Swifts und fungierte oft als Mittelsmann zwischen dem exilierten Satiriker und den Druckern und Buchhändlern der Hauptstadt. Swift bewunderte Ford als einen wahren Gentleman, der sich durch Unabhängigkeit, Selbstbewusstsein, Bescheidenheit, Umgänglichkeit, Nonchalance und Geschäftstüchtigkeit auszeichnete – alles Qualitäten, die der Schriftsteller an sich selbst vermisste.

       Im Laufe der Jahre wurde der ohnehin exzentrische Swift immer eigenbrötlerischer. Er litt sein Leben lang am Ménière-Syndrom, das sich bei ihm als Schwindel, akute Orientierungslosigkeit und temporäre Taubheit manifestierte. 1739 wurde der große Satiriker deswegen für geisteskrank erklärt. 1

      London, 8. März 1709

      Ich habe mich kürzlich an einigen meiner Korrespondenten schuldig gemacht, und Du bist unter ihnen; ich kann diesen Umstand nur damit erklären, dass ich so wenig zu tun habe, und das nimmt all meine Zeit in Anspruch, da nämlich nichts so viel von derselben verschlingt wie Müßiggang.

      Es soll mir mehr als fernliegen, den Versuch zu wagen, Dich davon zu überzeugen, dass Du nicht glücklich bist; ich kann mir nur nicht erklären, warum Du behauptest, Dein Glück hätte im Februar letzten Jahres seinen Anfang genommen: Dieser Zeitraum zeichnet sich weder dadurch aus, dass Du nach London gekommen bist, noch dadurch, dass Du London verlassen hast.

      Ich bin der unumstößlichen Überzeugung, dass Du Dich inzwischen davon hast überzeugen können, dass ich weder bereits Ruhm und Ehre erlangt habe noch die Absicht habe, es in naher Zukunft zu tun: In meiner Partei ist man nämlich der Ansicht, dass mir die Kunst der Sorgfalt abgeht, wie sie jeder diskreten Person wohl ansteht.

      Irgendwann diesen Sommer werde ich Dich sehr wahrscheinlich auf dem Weg zu meiner Residenz mit meiner Anwesenheit erfreuen; und Du wirst feststellen müssen, dass, als ich Dir das Versprechen machte, Dich in meine Familie einzuführen, dies allein aus politischem Kalkül heraus geschah; nämlich, um mein Anrecht zu stärken, in die Deine aufgenommen zu werden.

      Ob ich hier angenehmen Zeitvertreib finde oder nicht, würde ich Dir um alles in der Welt nicht offenbaren, es sei denn, ich wäre sicher, dass ich nie wieder mit einer Rückkehr nach Irland gesegnet würde. Ich muss lernen, mich diesem Land und seinen Menschen gegenüber gefälliger zu verhalten, aber ich werde Dir ein Geheimnis anvertrauen (obwohl es kein bedeutendes ist): Ich bezweifle, dass ich, sollte ich je dorthin zurückkehren, meine Zeit sehr viel anders verbringen würde als dazumal. Diesen Umstand möchte ich nicht anders erklären als mit einer kleinen Geschichte von einem Gentleman aus meiner Bekanntschaft, der einst in Frankreich Weintrauben kostete und daraufhin keine englische Rebe auch nur eines Blickes würdigte, nachdem er in die Heimat zurückgekehrt war. Wenn Du nun feststellen musst, welch ein griesgrämiger Geselle ich bin, dann bitte ich Dich, die eine oder andere Entschuldigung für mich zu ersinnen. Doch die Schuld soll nicht bei Irland liegen; zumindest werde ich alles tun, um mich das glauben zu machen; denn ich bin inzwischen so schwer zu befriedigen, dass mir jedes unerwartete Gesicht, das mir über den Weg läuft, sauer aufstößt, und die kleinste Unannehmlichkeit oder Unhöflichkeit verursacht mir Atembeschwerden und Magenschmerzen.

      Du erzählst mir von so manchem Zeitvertreib; lass mich Dich fragen, ob unter all diesen Vergnügungen auch jener Genuss bedacht ist, den nichts anderes vermitteln kann, als allein unter Büchern zu sitzen, solange das Herz begehrt. Ich war der Meinung, Du wärst über alle Maßen zufrieden, aber diesen Glauben hat mir das Übermaß Deiner moralischen Überlegungen zerstört. Du wirst feststellen, dass sie mich ganz melancholisch gemacht haben. Es ist meine Erfahrung, dass nur wenige Männer sich mit derartigen Gedanken beschweren, es sei denn, sie befinden sich nicht so, wie sie gerne wollten.

      […] Bitte empfehle mich und meine demütigsten Dienste Mrs. Ford und Deiner Schwester, und auch Mr. Elwood, wenn er Dir über den Weg läuft; dieser Mann genießt meine Achtung, und, um meine Londoner Phrase zu gebrauchen: Ich ertrage unsere Bekanntschaft.

      Larcore, 9. Juli 1713

      Ich bin Dir außerordentlichen Dank schuldig, dass Du mir so oft schreibst, aber ich muss Dich anflehen, davon abzulassen, wenn es Dir zu viele Umstände bereitet. Ich bin mir sicher, dass ich Deine sechs Briefe erhalten habe, denn drei habe ich hier erhalten, und ich glaube, dass ich genauso viele in Dublin zurückgelassen habe. Ich blieb länger dort, als die Geschäfte mich gezwungen hätten. Mit der Ausnahme eines einzigen Tages empfing ich dort nie Besuche, denn ich war sehr unpässlich, und ich habe meinerseits keinen einzigen Besuch geleistet, sondern mich nach Larcore gestohlen, um hier auszureiten und bitteres Gebräu zu schlürfen. Mir geht es ein wenig besser, Dank sei Gott, doch kann ich noch immer keinen klaren Kopf fassen.

      […]

      Wenn man mich diesen Winter rufen lässt, dann werde ich kommen und mich an Euren Aktivitäten

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