Скачать книгу

einem Christenmenschen ansteht, so solle ich halt in Gottesnamen sagen, was ich glaube, daß sie mir für die etlichen Wochen auszuzahlen hätten. Jetzt sei das Frühjahr bald im Anzug, da würde ich mich wohl fortbringen.

      Sogleich fiel es mir ein: Sie brauchen dich gar nicht. Sie behielten dich bislang nur aus Barmherzigkeit, damit du in der kalten Jahreszeit nicht zu Grunde gehst. — Nun, vom Auszahlen könne keine Rede sein. Wenn sie mich umsonst nicht brauchen könnten, so möchten sie halt sagen, was ich gelegentlich draufzuzahlen hätte, um im Hause bleiben zu dürfen als Knecht. — Schon that ich den Mund auf, um das zu sagen, da stieß mich etwas: Thu’s nicht! Thu’s nicht! Es müßte Mißtrauen erwecken. Es könnte alles verderben. Du mußt dich fügen wie der Sclave, der mit Haut und Haar seinem Herrn verfallen ist.

      Und so hat der Knecht Hansel demütig entgegnet, er besäße keine Haarschere und kein Rasiermesser, er könne sich selber weder scheren noch rasieren. Wenn der guten Hausmutter mein langes Haar schon so zuwider sei, so müsse sie mich halt rupfen.

      Darüber hat sie aufgelacht: „’s ist wahr, man kann ihm nit feindlich sein. Er weiß allemal so eine spaßige Red’. Geh’ Vater, auf den Abend, wenn du Zeit hast, nimm den Hansel zwischen die Knie und schneid’ ihm den Pelz herab. Die Schafsscher’ thut’s eh dazu.“

      Hörst du, Philosoph, die Schafsscher’ thut’s eh!

      Nun und am Abend da geschah es. Ich hatte noch auf den „Lungendampf“ gehofft, der den Hausvater um diese Zeit manchmal anzufallen pflegt. Aber diesmal kam er nicht. Ich mußte mich auf den niedrigen Dreifuß setzen. Mein schönes, mein zartes, mein nußbraunes Haar! Es ist dieselbe „güldgelockte Heldenmähne“, die du einst, ich glaube, in der Sekunda war’s, mit einem tadellosen Trochäus besungen hast. Sie ist dahin. Unter den Füßen des Barbaren lagen die herrlichen Fetzen umher, bis die Hausmutter dieselben mit kecklichem Griff zusammenraffte, um sie draußen unter den Dachtraufen zu begraben. Das kannst du dir bei dieser Gelegenheit auch merken, Weltweiser, du: Wer ein gutes Gedächtnis behalten will, der muß sein Haar unter Dachtraufen begraben! Gutes Gedächtnis! Sicherlich, dieses Jahr werde ich mit merken.

      Dann ging’s an den Teutonenbart. Die rostige Schere biß, raufte und quiekste um Backen und Kinn, dieweilen der Kopf eingeschraubt war zwischen den spießigen Knien meines vielgeliebten Hausvaters. Der war dabei ganz munter.

      „Hansel,“ sagte er plötzlich, während seine Finger die eine Schnurrbartspitze festhielten, „wirst du schön brav sein? Wirst du uns auch im Sommer bleiben, wenn’s zum Heuen und zum Ernten ist? Wirst, Hansel, wirst?“

      Mein feierliches: „Ich gelobe es!“

      „Gut ist’s. So will ich dir den Schnauzbart stehen lassen.“

      Und jetzt weißt du, Freund, es ist bei meinem Bart geschworen.

      Als wir fertig waren, machte ich eines der Stubenfenster nach innen auf, so daß hinten die schwarze Wand war. Das ist hier der Spiegel. — Alfred, ich erschrak wirklich. Es ist über alle Vorstellung! Nie hätte ich geglaubt, daß hinter diesem schönen Bart ein so häßlicher Kerl stecken könnte. Mein Jugendantlitz einstens, du mußt dich ja noch daran erinnern. Es war doch leidlich. Und jetzt —

      Na, gute Nacht, dachte ich. Wenn sie mich jetzt so sieht. Das ist über den Hasen, der sich beim Gottauslachen das Schnäuzel zerrissen hat.

      Die Hände hab’ ich gefaltet: „Vater, Ihr habt mich vernichtet!“ Das mußte wohl sehr kläglich gesagt sein, denn der Hausvater war starr vor Schreck. Er sah es selber, was er hier angerichtet hatte.

      Der Rocherl lachte hell auf.

      „Hau!“ rief die Mutter, „wenn du Leut’ auslachen kannst, Bub, da thut dir leicht die Hand nit weh? Jeder Mensch ist, wie ihn Gott erschaffen hat!“

      „Thut’s warten mit dem Gespött, bis ich erst fertig bin,“ sagte der Hausvater. „Die Wildnis wär’ ausgerottet. Jetzt muß halt der Boden glatt gemacht werden. Nachher wird er schön sein, der Hansel!“

      Die Sache war, daß er mich noch einmal in die Arbeit nahm. Mit grober Unschlittseife schäumte er mich ein, und dieweilen diese Tünche trocknete, schliff er sein Rasiermesser am ledernen Beinkleid, und hierauf stellte er sich an mit schreckbar wilder Entschlossenheit, wie ein Scharfrichter, der das erste Mal seines Amtes waltet. Mir war, als müßte ich meine Unschuld hinausschreien in die weite Welt — da kratzte er schon. Als das Stoppelfeld glatt gemacht, stellte es sich heraus, daß die Schnurrbartspitzen ganz und gar ungleich waren, rechts stand das Schöpfchen, links stand keines. Also hinweg mit der ganzen Anlage. Und dann war die Sträflingsfrisur vollkommen. Mit einer neuen Kette war ich festgeschmiedet an den ehrwürdigen Bauernstand, denn mit dieser Visage in die Stadt zurückzukehren — ganz undenkbar. Ich traue ihm nicht, dem Adam! Es kann teuflische Absicht dabei gewesen sein.

      „Jetzt schaut er halt aus wie der Pfarrer!“ meinte der Rocherl. Das etwa auch noch! Daß mit dem Haar und Bart die Maske gefallen wäre und der entlarvte Buchstabenmensch nun vor aller Augen dastünde! —

      Und was war heute morgen? An Sonntagen kommt das Klopfscheit nicht. Hingegen kam heute der Hausvater selbst in die Kammer.

      „Hast recht, Hansel,“ sagte er, „laß dir’s gut geschehen im Bett. Unseres Herrgotts Rasttag. Aber nachher — muß dir’s wohl einmal sagen — nachher sollst halt in die Kirchen gehen. Ich bin verantwortlich für meine Leut’, daß sie den christlichen Glauben halten. Wir sind auf Welt bei einander und wollen auch im Himmel bei einander sein. Gelt, Hansel!“

      Das hat mich geärgert. Mich bevormunden in religiösen Dingen? Einem Kavalier geht das unmittelbar gegen die Ehre. Es hat mich aber auch gefreut, obschon ich mir den Himmel doch immer etwas anders gedacht habe, als mit den guten Adamshauserleuten beisammen zu sitzen. Zwar denke ich, daß der Hausvater im Namen seiner ganzen Familie spricht, auch in dem des jüngeren weiblichen Teiles derselben. Aber das ist Bürstenabzug, der die Censur noch nicht passiert hat.

      Ich bin also an diesem Morgen nicht liegen geblieben und nicht aufgestanden. Sondern aufgesessen.

      Und sagt jetzt der Adam verwundert: „Was hast denn da für Papierwerk?“ Weil er unter dem Kissen mehrere Nummern der „Kontinental-Post“ entdeckt hatte. „Geh, Hansel, auf so was liegt man schlecht. Es werden doch nit Zeitungen sein?“

      „Ach, beileib nicht, beileib nicht!“ leugne ich und schleudere so wie zufällig die Bettdecke über die Blätter hin.

      Der Bauer jedoch reckt sich in —

      Jetzt lischt mir die Funzen aus.

       Inhaltsverzeichnis

      Am zehnten Sonntage.

      Lieber Freund!

      Habe ich dir das vorige Mal noch geschrieben, daß der Alte mich bei der Zeitung erwischt hat?

      Es war abscheulich. „Soll’s doch wahr sein!“ sagte er und zerrte das Papierwerk hervor. „Da hat man’s. Schon lang ist’s mir nit recht vorgekommen mit dir. Nachher glaub ich’s freilich, daß in deinen Kopf kein ordentlicher Verstand hineingeht, wenn du ihn mit so Zeugs anfüllst. Das darf wohl nit sein, Hansel. — Weiters hab ich ja keine Klag’ gegen dich, kamodt bist, willig bist, genügsam bist, gleichwohl es immer einmal recht gefrettig hergeht, bei uns. Im Sommer nachher! Da wird’s dich schon gefreuen, da ist’s lustig bei uns heroben auf der Alm.“

      „Ja, ja,“ sag’ ich, „freue mich auch schon drauf, wollen dann bisweilen eines jodeln miteinand. Und fleißig arbeiten, versteht sich.“

      Das sollte ablenkend wirken. Er fuhr fort: „Wenn du aber mit Zeitungen umthätest! Einen Knecht, der Zeitung liest, kunnten wir wohl nit brauchen. Sei froh, daß dir der liebe Gott einen ehrengeachteten Stand gegeben hat, der mit den lumpigen Faxen nichts zu schaffen

Скачать книгу