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entästet und entwipfelt worden sind, damit sie trocknen konnten. An einen solchen Baum setzen wir die Säge, ich hüben, sie drüben das Heft fassend — und jetzt stelle dir vor, Doktor, es geht nicht. Sie unterweist mich, wie die Säge zu halten, anzusehen, zu führen sei. Aber es ist ganz verdammt. Die gezähnte Stahlplatte sperrt sich. Ziehe ich an, so geht’s nicht vorwärts, schiebe ich zurück, so baucht sich das platte Ungetüm und gorgelt höhnische Laute. Ich mache zuerst ein paar gesättigte Witze, die helfen aber auch nichts. Nun erklärt mir die Barbel nochmals in aller Ruhe und Geduld, wie die Sache zu machen sei.

      „Kunst ist’s wohl keine,“ sagt sie, „mit dem kleinen Franzel habe ich schon die größten Bäume gefällt. Du bist halt ein bissel ungeschickt, Hansel, aber es wird schon besser werden.“

      O Freund und Professor, was ich mich da geschämt habe! Meine ganze Socialwissenschaft wollte ich in diesem Augenblicke hingegeben haben, und die Kenntnis der französischen Sprache noch dazu, wenn ich hätte Holz sägen können!

      „Reizen thut’s uns,“ sagt sie, was du aber durchaus nicht mißverstehen darfst. Plagen thut’s uns, soll’s heißen.

      „Ei was!“ rufe ich aus, „wir brauchen die dumme Säge überhaupt nicht. Ich fälle den Baum mit der Axt!“

      Großartig, wie ein alter Germane zur Zeit der Hermannsschlacht im Teutoburgerwalde, schwinge ich das Beil und haue in den Stamm, daß die Barbel weit zurücktreten muß, um die fliegenden Späne nicht ins Gesicht zu bekommen. Sie sollte nur einmal sehen, welch’ ein Urmensch in mir steckt, der des neumodischen Zeugs, wie Säge, Keile und dergleichen, gar nicht bedarf. Eiserne Zähne mögen sich die Greise anschaffen, unsereiner hat noch Mark und Schneid’ in den Armen.

      Jetzt hebt mir aber dieses Ding von einem Mädel an zu kichern. Es war nicht ohne, dieses Kichern, ich hätte es gleich in Musik setzen mögen. Die kann dir lachen, wie ein Silberglöcklein, vorausgesetzt, daß Silberglocken lachen.

      „Wenn wir mit dem Ofenheizen warten müssen, bis du diesen Baum niederbringst mit der Hack, dann mags schon sein, daß in der Suppenpfann’ das Wasser friert und an der Nase die Eiszapfen wachsen.“

      Diese ihre Rede kam mir ganz bösartig vor und rasch gab ich drauf: „Meinetwegen! Ich bin die Kälte schon gewohnt. Da giebt’s Leute, die mitten in den Tropen stehen mögen, will sagen, beim Ofenloch, und es fällt Reif, so oft sie einen Atemhauch thun.“

      Sie schaut mich verblüfft an, als wüßt’ sie gar nicht, was aus so einer Bemerkung zu drechseln wäre. Und ich mache die Erfahrung, daß ein Fichtenbaum immer härter wird, je tiefer man hinter den Splint kommt.

      Wir sollten doch noch einmal probieren mit der Säge, schlägt sie vor. Und neuerdings zeigt es sich: Holzschneiden kann ich nicht und ich kann es nicht.

      „Du Hansel,“ sagt sie plötzlich, „ich denk’, ’s ist das Gescheiteste, wir hören auf und gehen heim.“

      Doktor, ich bitte dich, diesen Brief zu verbrennen.

      Ja so, der Hase! Vom Hasen muß ich dir noch erzählen, der uns über den Weg lief. Von rechts nach links, was immer ein Unglück bedeuten soll.

      Und auf einmal, als ob sie mich in meinem Gram zerstreuen wollte, fragt die Barbel: „Weißt du, Hansel, warum der Has’ an der Schnauze die Hasenscharte hat?“

      „Weißt du’s?“

      „Freilich weiß ich’s. Wie der Herrgott die Welt hat erschaffen gehabt, hat ihn der Hase ausgelacht, weil sie ganz buckelig ist. Und so viel hat er gelacht, bis ihm das Schnäuzel zerrissen ist!“ — Und dabei lacht sie selber wieder so hell, daß mir ganz heiß wird.

      Lange hat’s freilich nicht gedauert, und es ist die fast traurige Ernsthaftigkeit in ihr, wie immer. Gott, wenn nur mehr Hasen über den Weg liefen!

      Ich war nach diesem mißlungenen Baumfällen eine Nacht und einen halben Tag lang unglücklich. Da kam der Gemeindebote, brachte einen Steuerbogen und einen Amtsbrief in Sachen der Grundablösung. Der Steuerbogen ist immer ein Hagelschlag im Bauernhof und es ist vielleicht doch gut, daß es einen Kanzleistil giebt. — Geld her! Fünfunddreißig Gulden aus dem Sack, längstens bis nächst’ Wochen, oder wir nehmen dir die Kuh weg! — Diese Deutlichkeit wäre zu schrecklich. Da macht das Amt lieber so viele Umschreibungen, Windungen und Wendungen, Einschübe und Umzüge im Stil, teils gedruckt, teils geschrieben, teils lateinisch, teils was anderes, teils in Paragraphhaken, teils in Ziffern, teils in abgekoppelten Buchstaben, teils mit der Feder, teils mit Stampilien, daß es der Empfänger schlechterdings nicht versteht. Er liest hin und liest her, zerstudiert sich, was das denn wieder sein möchte, bis ihm allmählich die Ahnung kommt: warum, wieviel und bis wann!

      Nun, bei dieser Gelegenheit habe ich die Scharte vom Holzschlag leidlich ausgewetzt. Wohlgemut machte ich mich ans Studium über die beiden Amtsschriften, bis es gegen Abend zur Not ersichtlich war, was die löblichen Behörden zu Kailing meinten.

      „Doch eine schöne Sach’, wenn der Mensch lesen und schreiben kann!“ Dieses Lob hat mir mein Hausvater gesagt.

      Aber der Ruhm ist nicht fleckenlos. Es kam eine neue Blamage. Laß dir erzählen.

      Ganz vor kurzem war’s, daß des Morgens der Hausvater in den Stall trat und den Ruf ausstieß: „Hansel, was ist denn das? Wie kommt denn das fremde Vieh in den Stall?“

      „Fremdes Vieh? Wieso?“

      „Da steht ein schwarzgefleckter Stier, oder was es ist. Der gehört nit her da! Jesses, und wo ist denn unser falbes Öchsel. Wo ist das Öchsel, Knecht?“

      Ich trat mit dem Licht heran und sah, daß ein fremdartiges Rind, scheckig wie Pinzgauerschlag im Stall war. Es hatte über den Rücken pechschwarze Flecken.

      „Das ist nicht möglich!“ beteuere ich, „die Stallthür ist verriegelt die ganze Nacht.“

      „Und das falbe Öchsel ist fort! Lang bin ich schon Bauer, aber so was ist mir noch nit passiert. Wenn man sich nit einmal so weit auf dich verlassen kann, daß das Vieh aus dem Stalle gestohlen wird, nachher kannst uns —“

      — auch du gestohlen werden! — Der Alte ist nicht herb genug, um solche Lapidarsätze zu vollenden. Aber ich verstehe ihm seine Wünsche bereits aus den Augen zu lesen. Zu gleicher Zeit jedoch klärt sich mir auch das Ereignis auf.

      Ich pflege nämlich meine Tintenflasche, damit sie nicht einfrieren kann, im warmen Stall auf einem Wandvorsprung aufzubewahren. Da mag bei der Nacht nun die Katze oder die Maus das Zeug herabgeworfen haben auf das falbe Öchslein.

      „Tinte, sagst, ist das?“ fragte der Adam, „sei nit einfältig. Wie wird in den Ochsenstall Tinte kommen!“

      Nun habe ich mein heimliches Treiben wohl bekennen müssen.

      „Briefschreiben thust du? Briefschreiben? Ja, hast denn wo eine alte Mutter, oder sonst wen?“

      „Mein liebster Hausvater,“ sage ich, „wir wollen jetzt einmal das Öchsel abwaschen gehen.“

      Mit heißer Lauge und einem Kotzenlappen haben wir den ganzen Vormittag gearbeitet, bis der Pinzgauerschlag endlich zur Not abgewaschen war.

      Mein Hausvater hat nachher lange und immer wieder den Kopf geschüttelt.

      Tintenfluch im Bauernhause. — Auch gegen die Druckerschwärze ist eine instinktive Abneigung vorhanden. Es heißt, in einem Bauernhofe, wo sie anheben, ihre Nasen in Bücher zu stecken, käme bald der Bettel-Feierabend.

       Inhaltsverzeichnis

      Am neunten Sonntag.

      Mein Doktor!

      Gestern mittags, knapp nach Tisch, hat mir die Hausmutter in einer unzweideutigen Sprache

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