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nur in der Gesellschaft seines treuen Hundes, der stets mit ihm einverstanden war, wenn es galt, einen interessanten Platz zu besuchen.

      Gardner war also ein vorzüglicher Segler, sein Auge erkannte jedes Wetter-Symptom, und er hatte den Instinkt, der durch Ruderpinne und Segelleinen den Puls des Windes fühlt. Aber von Naturwissenschaft wußte er ein bißchen weniger als es einem Mann zu wünschen war, der die bevölkerte See zu seinem Spielplatz macht. Von dem Stamm der Walfische und ihren verschiedenen Abarten wußte er nur das Wenige, was er über den großen furchtbaren Tran-Wal gelesen und was er von dem lustigen und harmlosen Tümmler gesehen hatte. Daher kam es ihm nicht in den Sinn, daß er sich zurückhaltend benehmen müßte, als er den gewölbten schwarzen Rücken und das gewaltige Haupt der Orca sah, die lässig durch die Wellen strich. Wäre er ein Habitué dieser Wasser gewesen, – er hätte dem Schnabel seines Schiffes schleunigst eine andere Richtung gegeben, nur um die Orca zu überzeugen, daß er ihr Privatleben nicht zu stören beabsichtige! So aber geschah es, daß er näher heran segelte, um zu sehen, was für eine Art von Fisch oder Tier es war, dies schwarz-weiße Geschöpf, das von seiner Nähe so gar keine Notiz nahm.

      In einer Entfernung von 80 oder 100 Meter bekam Gardner einen verrückten Einfall. Hier war gute Gelegenheit für einen Schuß, das unbekannte Tier würde eine wertvolle Trophäe abgeben. Er dachte nicht daran, was er anfangen sollte, wenn er diese Trophäe erst besaß. Er überlegte sich nicht, daß er mit seinem leichten Gewehr kaum eine schmerzhafte Wunde in die Tranmasse schicken konnte, die alle edleren Organe des See-Ungeheuers schützte. Er wußte nicht einmal, daß ein toter Wal auf den Grund sinkt, daß er mithin auch für den besten Schuß keinen Lohn zu erwarten hatte. Ueber ihm war einfach der Zwang, zu töten. Er warf ein Knie über das Steuerruder, um seinen Kurs zu halten, nahm das Gewehr hoch und feuerte auf einen Punkt hinter der großen Flosse der Orca – irgendwohin, wo er das Herz vermutete. Während er schoß, sprang sein Hund auf, denn er merkte, daß etwas Aufregendes geschah, legte seine Pfoten auf den Bootsrand und bellte wütend gegen das fremde schwarze Ungeheuer, das durch die Wellen rollte.

      Zu Gardners Erstaunen zeichnete das Ungeheuer selbst überhaupt nicht auf den Schuß, aber unter seiner Flanke begann sofort eine wilde Bewegung. Irgend etwas dort schlug wie wahnsinnig auf das Wasser, das Ungeheuer selbst schwang sich zur Seite und starrte mit großer und ängstlicher Aufmerksamkeit auf dieses Etwas. Sie schlug mit ihrer Flosse sanft dorthin, als wollte sie das Etwas beruhigen, und dann sah Gardner, es war das Waljunge, das er geschossen hatte. Da fühlte er Gewissensbisse. Hätte er das Kalb gesehen, so hätte er weder auf die Alte noch auf das Junge geschossen, denn er war nicht einfach grausam, sondern nur gedankenlos. Ein paar Sekunden lang starrte er unentschlossen vor sich hin, dann beschloß er, das Kalb – in der Annahme, daß es tötlich verwundet war – von seinen Qualen zu befreien. Er zielte sorgfältig und schoß noch einmal. Das Echo warf den Knall von den Klippen einer Insel zurück, die kaum hundert Fuß weit ablag.

      Diesmal hatte Gardner gut getroffen. Ehe noch die Echos der Entladung verhallt waren, lag das Kalb still und begann dann, langsam zu sinken. Ein paar Sekunden lang herrschte Ruhe, nur durch das erregte Bellen des Jagdhundes gestört. Die Orca schwamm langsam rund um den Körper ihres Jungen, anscheinend versicherte sie sich, daß es tot war. Dann wandte sie ihre kleinen Augen auf das Boot. Es dauerte nur einen Augenblick, aber in diesem Augenblick erkannte Gardner, daß er einen abscheulichen Fehler begangen hatte. Unwillkürlich wandte er sein Boot gegen die felsige Insel.

      Während er das Steuerruder herumwarf und in Hast sein Segel freimachte, sah er, wie das Wasser unter dem schwarzen Körper der Orca aufschäumte. Sie war gut 100 Meter weit von ihm weg, aber so mächtig war ihr Ansturm, daß es war, als sei sie im Augenblick auch schon über ihm. Mit Geheul sprang der Hund in den Bug. Da das Boot in diesem Augenblick mit seiner Breite dem schrecklichen Angriff zugekehrt war, behielt Gardner seinen Sitz und gab noch einen verzweifelten Schuß ab, direkt in's Gesicht der anstürmenden Bestie. Ebenso gut hätte er mit Erbsen schießen können.

      Das Gewehr fiel ihm vor die Füße, im Augenblick war es, als hätte ein Schnellzug das Boot gerammt. Es wurde aus dem Wasser gehoben, seine ganze Seite war zerschmettert, während Gardner schlank über die Spiere flog. Als er niederfiel, hörte er zum letzten Mal seinen braunen Hund heulen. Um nicht in das Segel verwickelt zu werden, das auf ihn niedersackte, tauchte Gardner unter und schwamm an fünfzehn Fuß weit unter dem Wasser. Seinem Tauchen und dem Umstand, daß das Segel ihn vorübergehend versteckt hatte, dankte er zweifellos sein Leben. Er war ein Meisterschwimmer, und in wahnsinniger Eile strebte er jetzt auf die Insel zu, mit Paddelschlag, den Kopf fast immer unter Wasser. Die Orca bemerkte zunächst seine Flucht nicht. Der unglückliche Hund hatte durch sein Gebell ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, ihn hatte sie ergriffen und in dem Augenblick, in dem er ins Wasser fiel, zermalmt. Dann hatte sie ihre Wut gegen das Wrack des Bootes gerichtet, sie hatte es zerrissen, zu Brennholz gemacht, indem sie es in ihren mächtigen Rachen nahm und schüttelte, wie ein Terrier eine Ratte schüttelt. Nach diesen Taten kehrte sie sich zur Insel hin, und jetzt fielen ihre todbringenden Augen auf die Gestalt des schwimmenden Mannes.

      Ihr Ansturm war wie der eines Torpedos, aber Gardner legte schon seine tobenden Hände auf das Riff. Dies Riff, eine Felsnase, die kaum zwölf Zoll breit war, wurde grade noch von der See überwaschen. Er fühlte, daß hier kein Zufluchtsort war. Aber grade über ihm, etwa in seiner halben Höhe, lag eine Grotte im Felsen, die wunderlich ausgemeißelt war, als sollte eine Bildsäule darin aufgestellt werden. In verzweifelter Hast rettete er sich in dies dürftige Versteck, zog seine Beine dem Körper nach, machte sich in der Grotte so flach wie möglich. In diesem Augenblick schon flogen Schaum und Sprühregen über ihn her, denn mit furchtbarer Gewalt warf sich sein Verfolger gegen den Felsen zu seinen Füßen.

      Gardner schauerte und es fiel ihm schwer, wieder Luft in seine verkrampften Lungen zu bekommen. Er hatte schon manches Rennen geschwommen, aber keines wie dies. Vorsichtig drehte er sich um, und während er noch flach wie eine Muschel auf dem Boden lag, starrte er hinunter und zitterte vor Angst, sein Feind könnte zum zweiten Mal einen so wahnsinnigen Sturm versuchen, diesmal vielleicht mit besserem Erfolg.

      Aber die Orca schien den Versuch nicht wiederholen zu wollen. Die Gewalt ihres Angriffs war furchtbar gewesen und hatte wohl auch ihr den Atem verschlagen. Jetzt schwamm sie ruhig vor dem Felsen auf und ab, ein grausamer und schrecklicher Belagerer. Gardner sah in ihre kalten, kleinen Augen und zitterte vor dem intelligenten und unversöhnlichen Haß, der darin flammte.

      Als er sich soweit erholt hatte, um seine Lage zu überdenken, mußte er zugeben, daß sie nahezu verzweifelt war. So weit er auch nach den Seiten und nach oben die Klippen abfühlte, fand er keine Zacke und keinen Griff, mit Hülfe deren er hoffen konnte, die Spitze des Felsens zu erklettern. Wie lange sein rachsüchtiger Feind die Belagerung fortsetzen würde, konnte er nicht beurteilen. Aber wenn er bedachte, wieviel Leid er ihm zugefügt hatte, wie sachlich seine Art der Belagerung war und wie furchtbar die Wut seines Angriffs, hatte er wenig Anlaß, zu hoffen, daß er seinen Posten bald verlassen würde. Er wußte, daß die Orca in diesen belebten Wassern reichliche Nahrung finden würde. Aber so reich dies Meer auch an tierreichem Leben war, wußte er doch, daß ein Schiff hier nur selten auftauchen würde. Die Küstenschooner mußten hier einen weiten Bogen machen, der unsichtbaren Riffe und unterirdischer Strömungen wegen. Seine Insel war sicher nur eine halbe Meile weit vom Strand, unter gewöhnlichen Umständen für ihn eine leichte Schwimmübung. Aber selbst wenn der Belagerer ihn verließ, hatte er keinen Schutz gegen die Gier der riesigen Haie, die in diesen Insel-Kanälen ihr Wesen trieben. Er war der vollen Glut der Sonne ausgesetzt – der Felsen fühlte sich unter seinen Händen schmerzhaft heiß an – und so fragte er sich, wie lange es dauern würde … Bald würden seine Beine unter dem Gewicht des Körpers einknicken, er würde vorwärts torkeln, direkt in den Rachen seines lauernden Feindes. Dann beruhigte er sich über diese Gefahr, denn er bemerkte plötzlich, daß die Sonne bald hinter seinem Riff verschwinden und ihn im Schatten lassen würde. Was die Hitze anbetraf, konnte er es also bis zum nächsten Morgen ruhig aushalten. Aber dann? Blieb das Wetter schön, wie sollte er dann die unerträglich lange Glut des Vormittags überstehen, ehe die Sonne zum zweiten Mal hinter der Klippe verschwand? Er begann, um Sturm und undurchdringlichen Nebel zu beten. Aber dabei hielt er plötzlich inne, es wurde ihm bewußt, in welcher Klemme er war. Kam ein Sturm, dann war zu dieser Jahreszeit anzunehmen,

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