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behandelt.«

      Und Gallagher hatte recht. Er verstand Menschen und Obersten. Etwa um halb zehn Uhr morgens, als Eph Babcock und Johnson vor der Tür des Lagers einen Ringkampf aufführten, sah man den Bären oben am Waldrand auftauchen. Darin war sonst nichts Auffallendes. Aber seine Bewegungen waren so merkwürdig, daß die beiden Kämpfer gleichzeitig voneinander ließen und hinauf starrten. Ihr Ruf brachte das ganze Lager vor die Tür.

      »Er scheint sich gut zu amüsieren, ganz allein!« bemerkte Evan Morgan von der Schwelle her.

      »Durchaus nicht allein,« verbesserte der Boß.

      »Also wahrhaftig, der Teufel soll mich frikassieren, wenn er nicht ein großes Stachelschwein bei sich hat!« rief Babcock.

      »Und das Stachelschwein jagt ihn,« schrie Pat Nolan voll Staunen.

      Er hatte recht, wenigstens in gewissem Sinne. Der Oberst torkelte und kullerte von einer Seite auf die andere, wie ein riesiger, neugeborener Hund, vor dem wütenden Stachelschwein, das ihm nachrückte, jeden Stachel aufgerichtet, daß es wie ein großer Binsenkorb aussah. Der Oberst kam rückwärts aufs Lager zu, als wünschte er, daß seine Freunde das neue Spielzeug sähen, dies drollige, böse, kleine Tier, das er im Wald aufgegabelt hatte.

      »Er wird sich die Pfoten voll Stacheln machen,« rief Johnson, »und wir haben dann eine Satansarbeit, bis wir sie 'rauskriegen, Tim; ich bin froh, daß es dein Bär ist und nicht meiner!«

      Sam Oulton machte ein Gesicht, als ob die eben eröffnete Aussicht ihm nicht unangenehm wäre.

      »Reg' dich nicht auf, Kleiner,« raunte der Boß, »er macht sich nicht zum Narren, er weiß, wie man mit einem Stachelschwein umgeht.«

      Tatsächlich gab der Oberst wohl acht, daß er den gefährlichen Stacheln nicht zu nahe kam. Wie zum Spaß streckte er bald die eine, bald die andere Pfote aus und stieß gegen das kleine Tier, aber niemals so, daß es zu einer Berührung kam.

      Das Stachelschwein war sichtbar in unglaublicher Wut über diesen Quälgeist. Ein Stachelschwein ist nicht nur furchtlos, sondern auch sehr dumm, und wenn es sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, läßt es sich nur durch den Tod oder ein gutes Fressen davon abbringen.

      In diesem Falle hatte das Stachelschwein sich entschlossen, den Oberst zu verfolgen. Zweifellos in der Hoffnung, ihm die Haut mit seinen Stacheln zu zeichnen. Da der Oberst sich auf das Lager zurückzog, kam auch das Stachelschwein ins Lager, gleichgültig, was daraus wurde. Ein altes Stachelschwein, das in seinem Leben schon einiges mitgemacht hat, würde in seinem Zorn ein verschanztes Heer angreifen.

      Jimmy Dillyhunt fand seinen Augenblick gekommen. Als des Obersten Flucht das Stachelschwein schon auf fünfzig Meter ans Lager herangebracht hatte, sprang er plötzlich, mit einem Schüreisen bewaffnet, vor. Er stieß den erstaunten Oberst zur Seite und traf das Stachelschwein auf die Spitze seiner stumpfen Nase. Der Wald aufgerichteter Stacheln sank zurück. Mit einem Zucken seiner stämmigen, kurzen Beine überrollte es sich und war mausetot.

      Der Oberst setzte sich auf seine Keulen und starrte Jimmy bewundernd an. Die übrigen Zuschauer brüllten Beifall, in ausgewählten Worten, die sich aber nicht wiedergeben lassen. Jimmy nahm das leblose Tier vorsichtig an seinen unbewaffneten Vorderpfoten und trug es fort.

      »Großartiges Essen, ein Stachelschwein, wenn's richtig gekocht wird!« sagte er, grinste triumphierend und verschwand in seinem Heiligtum.

      Es war allerdings nur ein Stachelschwein, aber ein extra großes und fettes, und Jimmy verstand die Kunst, zu »strecken«. Mit einer Menge von Klößen machte er ein Gulasch daraus, in dem er – es muß zugegeben werden – auch ein gewaltiges Stück Salzfleisch, kleingehackt, unterbrachte. Da schon sehr wenig Stachelschwein sehr viel Geschmack gibt, schmeckte auch das Schweinefleisch im Gulasch danach, und niemand hatte Grund, sich zu beschweren. Das Mittagessen wurde ein nie dagewesener Erfolg.

      Bei diesem Festmahl wanderte der Oberst hinter den Gästen auf und ab und dankte feierlich für die Leckerbissen, die jeder ihm eifrig zusteckte. Endlich kam er zu Sam Oulton, dem er bisher, wegen Mangel an Entgegenkommen, aus dem Wege gegangen war. Es entstand eine Pause, jeder wartete ab, was der unberechenbare Sammy tun würde.

      Oulton blickte auf des Obersten vertrauensvollen Kopf, der neben seinem Ellbogen erschien. Er zögerte, grinste liebenswürdig, aber etwas dämlich, dann wischte er sich mit dem Aermel seinen Mund, hob seine große, blecherne Kaffeetasse und sprang entschlossen auf.

      »Herr Bä … ich wollte sagen, Herr Oberst!« rief er. »Das ist ein richtiges Weihnachten für Sie und Viele! Sie sind der einzige wirkliche Kavalier in diesem Lager, denn Sie sind der Einzige in der Gesellschaft, der Bildung genug hat, seinen Freunden ein Weihnachtsgeschenk zu machen!«

      Und dann leerte er seine Blechtasse aufs Wohl des Obersten!

       Inhaltsverzeichnis

      Durch die breiten, tief-grünen Wellen, deren Kämme eine milde Brise streichelte, kam die Orca-Kuh friedlich herangewälzt, und an ihrer Seite schwamm das Kalb. Von Zeit zu Zeit rieb es sich an der Mutter, als sei es ängstlich vor den weiten, gefährlichen Meereswogen, und suchte Schutz unter ihren mächtigen Flossen. Die Orca-Kuh aber, unter allen Müttern der Wildnis eine der besorgtesten und treuesten, drängte ihr Junges von Zeit zu Zeit mit der großen Flosse an seine Seite oder streichelte es zärtlich mit seiner ungeheuren runden Schnauze.

      Sie war gut 19 bis 20 Fuß lang, die große Orca. Ein Seemann oder Fischer, dessen Auge zufällig auf sie fiel, hätte sie »Mord-Wal« genannt. Er hätte sie sofort und unter allen Angehörigen ihrer Wal- und Tümmler-Familie herausgekannt, an der riesigen Rückenflosse, die nicht viel weniger als fünf Fuß hoch über dem breiten und massiven Schwanze über ihrem Rücken stand, an den beiden auffallenden weißen Streifen ihrer schwarzen Flanke und an der scharf gezeichneten Linie ihres milchweißen Bauches, der sorglos auf dem Rücken einer Welle ruhte. All dies waren Anzeichen von Gefahr, die kein Wissender übersehen hätte.

      Das Kalb der Orca hatte wenig Grund zur Sorge, solange es sich nahe seiner Mutter hielt. Denn dies schnellste und wildeste aller Waltiere fürchtete kein schwimmendes Geschöpf, höchstens ihren riesigen Vetter, den Pottfisch oder Pottwal. Nur zwanzig Fuß lang, attackierte und tötete sie durch die Wildheit ihres Angriffs sogar den großen Tranwal, den man den »richtigen« Wal nennt. Obwohl der viermal so lang ist und vielfach ihr Gewicht hat. Den Menschen hätte sie gefürchtet, doch hatte sie nie seine Macht kennen gelernt. Arm an Tran, hatte ihre Familie den Menschen nie zu einer so schwierigen und gefährlichen Jagd verlockt. Wohl gab es Haie, die ihr an Größe ebenbürtig waren oder sie übertrafen, aber kaum einen, der ihr an Wildheit, Schnelle und List gleichkam. So durfte sie in sorgenloser Behaglichkeit durch die glatte, unbewegte See faulenzen, gleichgültig gegen die Brandung an den gelben Klippen zu ihrer Rechten und die offene Weite des Ozeans zu ihrer Linken. Alle Aufmerksamkeit, die sie nicht auf die kindlichen Reize ihres Kälbchens verwandte, widmete sie der Aufgabe, die durchsichtigen Tiefen unter sich abzusuchen, denn dort verbarg sich der große Tintenfisch, ihre häufige Beute.

      Ganz plötzlich tauchte sie unter; es entstand kein anderer Laut, als das dumpfe Gurgeln des Wassers, das sich über ihr schloß. Tief unten in der Dunkelheit hatte sie einen blassen, trägen Körper erspäht. Es war ein See-Polyp, der töricht genug gewesen, sein Standquartier zwischen den Felsen auf dem Meeresgrund zu verlassen und fremde Jagdgebiete aufzusuchen. Bevor er Zeit gefunden hatte, auch nur an Flucht zu denken, war er in den mächtigen Kinnbacken des Mordwals. Einen Augenblick lang zitterten seine acht langen Fühlhörner verzweifelt und tasteten an die Lippen des Jägers. Dann verschwanden sie, das ganze Tier war mit einem Schluck vertilgt und verschwunden. Friedlich kehrte die Orca zum sonnenhellen Meeresspiegel zurück, zu ihrem ängstlichen Kalb, das nicht flink genug war, der Mutter auf ihrem Jagdzug zu folgen. Sie war nicht zwei Minuten lang abwesend gewesen und nicht einen Augenblick außer Gesicht, aber der Instinkt des Jungen traute dem milden blauen Element nicht, daß für ein Baby voll von Gefahren war.

      Der

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