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Shorty Johnson mit Fistelstimme aus dem Bett nächst der Tür. »Der Herr Oberst hätt' uns alle damit aus dem Lager 'rausgejagt.«

      Der Boß und Evan Morgan – und auch der kleine Pat Nolan, der allmählich gemerkt hatte, daß mit diesem Bären was Besonderes los war, erlaubten sich, zu lachen. Die anderen aber blickten völlig verblüfft auf die unbegreifliche Vorstellung, die der schreckliche Gast ihnen gab. Für sie war es nur Zeichen einer übernatürlichen, also natürlich teuflischen Intelligenz. Sie hätten sich nicht mehr gewundert, wenn der Bär jetzt zur Tür gegangen wäre, den Patronengürtel heruntergenommen und die Waffe geladen hätte, die er so geschickt über der Schulter trug. Aber als er nicht aufhörte zu salutieren, den Rücken zur Tür, fingen sie an, zu Verstand zu kommen. Auch Sam Oulton erschien wieder auf der Bildfläche. Ohne zu bemerken, daß der Boß und Evan Morgan grinsten, steckte er den Kopf vor und schrie:

      »Jetzt, Jimmy! Jetzt ist der Moment! Rasch, Mensch, setz' den Topp Bohnen draußen in den Schnee! Er geht hinterher. Dann können wir ihn draußen umbringen.«

      Aber Jimmy hatte keine Eile, in die Bresche zu springen, obwohl die Bohnen eigentlich sein Ressort waren.

      »Geh du und setz den Topf 'raus, Kleiner,« schlug er hinter dem Rücken des Boß vor, »du bist der nächste!«

      »Halt den Mund, Jimmy,« unterbrach Pat Nolan, »wozu ein so freundliches Biest umbringen? Schau, was er sich für Mühe gibt. Er macht Kunststücke!«

      »Der Teufel soll die Kunststücke holen!« schnarrte Sam, »der gibt frisches Fleisch für einen ganzen Monat!«

      Aus mehr als einer Koje kam Widerspruch gegen Oultons blutdürstige Aeußerung, so plötzlich schlug die Stimmung im Lager um. Evan Morgan widersprach sogar sehr deutlich.

      »Kannst du immer nur an deinen verdammten Bauch denken?« fragte er.

      Sam Oulton wurde wütend.

      »Was ihr Kerls braucht, ist 'ne Saugflasche,« schimpfte er. »Wenn das Lager ein verdammter Kindergarten geworden ist, dann werd ich das Biest allein umbringen!«

      Und er tauchte, aber noch mit einer gewissen Vorsicht, aus dem Versteck seiner Koje auf.

      Jetzt schien dem Boß, der die Situation allmählich verstanden hatte, sein Augenblick gekommen. Das Gewehr über der Schulter, stand der Bär noch immer da und salutierte. Aber es sah aus, als wartete er auf etwas.

      »Marsch!« sagte der Boß mit scharfer Stimme.

      Sofort marschierte der Bär vorwärts, mit strammen, aber vorsichtigen Schritten, quer durch den Raum und direkt durch die Gruppe, die der Boß, Evan Morgan, Eph Babcock und Jimmy Dillyhunt bildeten. Der Boß und Evan erwarteten ihn ruhig. Aber Eph und Jimmy drückten sich ängstlich auf die andere Seite des Tisches.

      »Halt!« kommandierte der Boß, ehe der Bär zu nahe gekommen war.

      Der Bär machte Halt und jeder stieß einen Seufzer aus.

      »Jetzt, Sammy,« begann der Boß im Ton eines Orakels. »Jetzt laß das Geschwätz von Umbringen. Hast du keine Augen im Kopf? Es ist ein zahmer Bär, das ist er! Und glückselig, daß er zu Freunden kommt. Der ist lang genug im Wald 'rum geirrt. Gib acht, was für ein famoser Kerl das ist. Achtung!«

      Auf das plötzliche, scharfe Kommandowort hin stand der Bär stramm. Aber er versuchte es zu rasch. Die Flinte fiel aus seiner breiten Pelzpfote und ratterte auf den Boden. Er zuckte nervös und klemmte die Augen zusammen, als erwartete er einen Hieb.

      Zweifellos hatte Tim Gallagher recht. Es war ein dressierter Bär, der gekommen war, um Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Entzückt wie Kinder, sprangen die Männer aus ihren Betten.

      »Famos ist der Oberst! Tu ihm nichts, weil er die Flinte hingeworfen hat, Tim!« schrie Johnson.

      »Vielleicht studier' ich einen Ringkampf mit ihm ein,« sagte Eph, »das wär' was für den heiligen Abend!«

      Oulton kroch verdrießlich in die Tiefe seiner Koje zurück und biß ein extra großes Stück Kautabak ab, um seine Zunge zu bändigen. Er sah ein, daß er zu sehr in der Minorität war.

      Mittlerweile war Jimmy, dem sein Mißtrauen leid tat, in seinen Kochraum zurückgekehrt. Jetzt trat er vor und trug in der Hand ein langes Stück herrlicher Speckrinde. Der Bär roch es und öffnete die Augen. Er merkte, daß er für den Unfall mit dem Gewehr nicht bestraft werden sollte. Erst starrte er den Leckerbissen an, danach Jimmys dunkles Gesicht, und dann streckte er hoffnungsvoll, aber noch ungewiß die Pfote aus. Als Jimmy seiner Bitte nicht nachkam, glaubte der Bär, er müßte etwas ganz Besonderes tun, um den Preis zu bekommen, etwas sehr Schwieriges und Ungewöhnliches. Mit Gewinsel ließ er sich nieder, legte die Nase zwischen seine Beine, dann hob er langsam sein breites Hinterteil und stand endlich schön und elegant auf dem Kopf. Ein paar Sekunden lang balancierte er so; dann kam er langsam und grunzend auf allen Vieren zurück, nahm die aufrechte Haltung wieder ein und wandte sich schmeichelnd an Jimmy.

      Das ganze Lager jubelte vor Entzücken.

      »Gib's ihm, Jimmy! Du kannst es selbst nicht besser! Er hat's weiß Gott verdient! Mach' ein friedliches Gesicht, Jimmy, er hat Angst! Guter alter Oberst!« kamen Beifallsrufe von jedem einzelnen, ausgenommen Sam Oulton.

      Jimmy gab die Speckrinde, und der Bär nahm sie vorsichtig in seine Krallenpfote.

      »Leicht wie ein Damenhändchen!« schrie Pat Nolan in seiner Begeisterung.

      Von diesem Augenblick an gestaltete sich der Abend zu einem Ehrenbankett. Gallaghers Lager bereitete dem Oberst – denn dieser Name, den Johnson gewählt hatte, blieb – einen Gala-Empfangsabend. Der Oberst war ein Bär von seltsamen und vielfachen Talenten und dabei von einem kindlichen Glauben an die Menschheit. Dies rührende Vertrauen in jedermanns Wohlwollen rührte die großherzigen und rasch bewegten Holzfäller, daß sie den Bären bald vergötterten, wie Kinder ein Baby. Es wurde ein schwerer Vorwurf gegen Eph Babcock, daß er im ersten Augenblick ungerechtfertigten Entsetzens nach seinem Gewehr gerannt war.

      »Eph,« sagte Pat Nolan, »hättest du nur ein Haar auf seinem Kopf gekrümmt, es täte mir leid, aber dann hätt' ich dir mit dieser Hand hier die Därme aus dem Bauch gerissen!«

      »Und das hätt' ich auch verdient, Pat,« gab liebenswürdig der Mann aus Androscoggin zu. Außer Oulton waren alle vergnügt. Der aber, beleidigt und zornig, sprach den Abend über nicht ein Wort; er schenkte den schönsten Kunststücken des Bären kaum einen Blick. Daß er trotzdem voll Interesse war, wußte das ganze Lager.

      Das war eine große Sache für Gallaghers Lager!

      Der Oberst war der erste, der das Fest abbrach. Jeder mußte zugeben, daß er das Recht dazu hatte, denn er allein hatte ja die Kosten getragen. Er wollte schlafen und zeigte das an, indem er rings in den Ecken einen Platz suchte, um sich niederzulegen.

      Im dicken Fell an seinem Hals zeigte eine abgeschabte Stelle, daß er früher ein Halsband getragen hatte. Aus einem alten Geschirr-Riemen machte der Boß ihm ein neues und führte ihn, der sanft gehorchte, zu einem Schuppen, der dem Lager als Schmiede diente. Ein großer Arm voll Stroh wurde aus der Scheuer gebracht, und der Oberst ließ sich darin nieder, mit einer Miene wie der verlorene Sohn, der heimkehrt und sich dessen freut.

      Am nächsten Morgen verordnete der weise Boß, daß der Oberst vor dem Mittagessen das Haus nicht betreten dürfe. Seine Absicht dabei war, eine gewisse Frische des Interesses für das Fest zu bewahren, daß die Männer sich amüsierten und nicht wieder anfingen, über den Mangel an frischem Fleisch zu schimpfen. Den ganzen Morgen lang, wie gewöhnlich an Sonn- und Feiertagen, beschäftigten sie sich irgendwie im Lager. Wuschen, flickten, rauchten im Haus oder balgten sich draußen im Schnee herum.

      Als der Oberst gleich nach dem Frühstück herausgelassen wurde, war noch niemand im Freien, sonst wäre er zweifellos »zuhause« geblieben, um mit seinen Freunden zu spielen. Da er niemanden traf und keine Erlaubnis bekam, das Haus zu betreten, durchforschte er sorgfältig das ganze Gehöft, erschreckte die Pferde, indem er an der Stalltür herumschnüffelte, und dann watschelte er gemächlich

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