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und einfühlsamer mit ihr umgegangen wäre.

      »Ist noch etwas?« wollte Frau Dr. Steiger jetzt wissen.

      »Nein«, murmelte Melanie. »Das heißt, ja, eigentlich doch. Ich habe seit ein paar Tagen Schmerzen im Intimbereich. Es ist eine ganz bestimmt Stelle, und eigentlich tut es nur dann weh, wenn ich mich wasche oder sonstwie drankomme. Ich habe es mir schon mit dem Spiegel angeschaut, kann aber nichts entdecken.«

      »Das ist zu diesem Zeitpunkt der Schwangerschaft auch kein Wunder«, entgegnete Frau Dr. Steiger. »Sie tragen schließlich einen gewaltigen Bauch vor sich her.« Dann stand sie auf. »Gehen wir nach nebenan, dann schaue ich mal, was Ihnen solche Beschwerden bereitet.«

      Es kostete Melanie ziemlich Mühe, auf den Untersuchungsstuhl zu klettern, und am liebsten hätte sie die Ärztin gebeten, ihr ein wenig dabei zu helfen, doch sie wollte nicht wehleidig wirken.

      Frau Dr. Steiger rückte mit ihrem fahrbahren Stuhl näher.

      »Ich kann mir schon vorstellen, daß Ihnen das weh tut«, meinte sie. »Sie haben sich da einen ziemlichen Pickel eingefangen.« Sie stand auf. »Kein Grund zur Besorgnis, Frau Bögl. Erfahrungsgemäß dauert so etwas ein paar Tage, dann platzt er auf, und alles ist ausgestanden.«

      Melanie atmete auf. »Da bin ich aber froh. Ich dachte schon, es wäre eine Entzündung oder etwas noch Schlimmeres.«

      »Nein, nein, keine Sorge. Wie gesagt, es ist ein harmloser Pickel, der ganz von allein wieder verschwinden wird.«

      Frau Dr. Steiger nahm noch eine Untersuchung vor, die aber keine Auffälligkeiten ergab.

      »Wir sehen uns dann in zwei Wochen wieder«, entschied sie. »Vorausgesetzt, das Baby ist bis dahin noch nicht da.«

      Melanie lächelte. »Ich hoffe schon sehr, daß es sich einigermaßen an den Termin hält. Schließlich freue ich mich doch schon so.«

      Die Ärztin nickte knapp, dann verabschiedete sie sich von Melanie und kehrte rasch in ihr Sprechzimmer zurück.

      Melanie seufzte leise.

      »Alles in Ordnung, Liebling?«

      Die Stimme ihres Mannes riß sie aus ihren Gedanken. Mit einem glücklichen Lächeln wandte sie sich ihm zu.

      »Ja, Harry, alles bestens«, antwortete sie. »Meine Schmerzen haben sich auch als harmlos herausgestellt. Es ist nur ein Pickel.« Sie trat zu dem Schreibtisch der Sprechstundenhilfe, wandte sich dabei aber ihrem Mann noch einmal zu. »Ich brauche nur noch einen Termin, dann können wir heimfahren.«

      Der Termin war rasch ausgehandelt, so daß Melanie und Harald die Praxis umgehend verlassen konnten.

      »Da drin wollte ich nichts sagen«, erklärte er. »Aber du hast schrecklich deprimiert gewirkt, als du aus dem Sprechzimmer gekommen bist.«

      Melanie seufzte. »Ach, Harry, diese Frau Dr. Steiger mag vielleicht eine gute Ärztin sein, aber sie hat eine Art, mit ihren Patientinnen umzugehen… es ist einfach grauenhaft. Sie hat keinerlei Verständnis dafür, daß man vor der ersten Geburt auch ein wenig Angst hat.« Wieder seufzte sie. »Ich hätte so gern mit ihr gesprochen, ihr gesagt, wovor ich mich fürchte, aber… weißt du, was sie gesagt hat? Jede junge Frau, die sich ein Kind wünscht, müsse diese Schmerzen eben aushalten. Und ich würde es auch überleben.«

      Harald schüttelte empört den Kopf. »Sie scheint wirklich das Feingefühl einer Dampfwalze zu haben.« Er überlegte kurz. »Vielleicht solltest du doch zu einem anderen Arzt gehen.«

      »Jetzt noch? Das ist unmöglich, Harry. In einer Woche habe ich Geburtstermin. Was glaubst du, was mir ein fremder Arzt erzählen würde, wenn ich jetzt zu ihm käme? Nein, nein, nach der Geburt des Babys kann ich immer noch wechseln. Abgesehen davon… irgendwie habe ich mich an die Steiger schon gewöhnt. Wenn ich mir vorstelle, ich müßte wieder zu einem fremden Arzt…« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht bin ich ja einfach nur überempfindlich. So was soll während einer Schwangerschaft gelegentlich vorkommen.«

      »Na ja, wenn du meinst.« Doch so ganz war das Thema für Harald noch nicht erledigt. »Weißt du, Melanie, ich habe gehört, daß drüben in Steinhausen so ein netter Gynäkologe praktizieren soll. Ein paar meiner Arbeitskolleginnen sind bei ihm und schwärmen immer wieder in den höchsten Tönen.« Er grinste. »Natürlich nur, wenn sie sich allein glauben. Allerdings kriege ich doch gelegentlich etwas davon mit.«

      Melanie lachte. »Wie mir scheint, sogar sehr viel.«

      Harald zuckte die Schultern. »Es geht.« Er wurde wieder ernst. »Dieser Dr. Daniel soll auch Belegbetten an der kleinen Klinik in Steinhausen haben. Bei ihm wärst du sicher in guten Händen.«

      »Das mag schon sein, Harry. Trotzdem kann ich jetzt den Frauenarzt wirklich nicht mehr wechseln. Unser Kind kann praktisch jeden Tag zur Welt kommen.« Sie seufzte. »Na ja, und ganz so übel ist die Steiger auch nicht. Man darf eben nicht so zimperlich sein.«

      *

      Stefan Daniel hatte einen rabenschwarzen Tag hinter sich. Allerdings häuften sich solche Tage bei ihm in letzter Zeit. Er war unkonzentriert und bekam daher immer häufiger Schwierigkeiten mit seinem Chefarzt Dr. Wolfgang Metzler.

      »Urlaub wäre jetzt recht«, knurrte er sich selbst an. »Ich bin schlicht und einfach urlaubsreif.«

      Doch er wußte, daß das nicht so ganz den Tatsachen entsprach. Sicher, Wolfgang verlangte ihm eine Menge ab, obwohl er erst Assistenzarzt war. Trotzdem war es nicht die Arbeit, die ihm so zu schaffen machte. Das wirklich Problem lag in seiner Beziehung zu Rabea.

      Mit einem tiefen Seufzer betrat er die Villa seines Vaters und ging langsam ins erste Stockwerk hinauf. Im Grunde hatte er jetzt gar keine Lust, mit irgend jemandem zu reden, doch in der Praxis war es ruhig. Das bedeutete, daß sein Vater schon in der Wohnung oben war, und dem Essensduft nach zu schließen, mußte auch Tante Irene zugegen sein.

      Wieder seufzte Stefan. Ein langes Gespräch war heute ohnehin nicht mehr möglich, da er gleich wieder zur Klinik hinüber mußte. Und die paar Minuten, die er mit seinem Vater und seiner Tante verbringen würde, würde er auch noch aushalten.

      Er betrat die Wohnung und hängte seine Jacke an die Garderobe. Dabei fiel sein Blick in den Spiegel an der Wand, und wenn er im Moment objektiv gewesen wäre, dann hätte er gesehen, daß er ein sehr gutaussehender junger Mann war. Groß und schlank, mit dichten, dunklen Locken und strahlend blauen Augen. Dazu das markante Gesicht, das eine unverkennbare Ähnlichkeit mit seinem Vater aufwies und bereits jetzt, mit seinen fünfundzwanzig Jahren, von sehr viel Herzenswärme zeugte. Doch trotz allem konnte Stefan heute an seinem Aussehen keinen rechten Gefallen finden, aber wahrscheinlich rührte das daher, daß er im Moment so unglücklich war.

      Mit einem weiteren tiefen Seufzer wandte er sich vom Spiegel ab und betrat das Eßzimmer, dann ließ er sich niedergeschlagen auf einen Stuhl fallen. Nicht einmal der verführerische Duft von Rahm-Geschnetzeltem konnte ihn aufmuntern.

      »Na, mein Junge, was ist denn los mit dir?« fragte Dr. Daniel besorgt. »Bist du krank?«

      Stefan seufzte noch einmal abgrundtief, dann schüttelte er den Kopf.

      »Wolfgang ist zur Zeit einfach unausstehlich«, beklagte er sich über seinen Chefarzt. »Heute hat er mich schon wieder zusammengestaucht, daß ich so klein war – mit Hut.« Und dabei zeigte er mit Daumen und Zeigefinger eine Höhe von etwa zwei Zentimetern an.

      Dr. Daniel hatte Mühe, sich ein Schmunzeln zu verkneifen. »Was hast du denn nun wieder angestellt?«

      »Gar nichts«, beteuerte Stefan. »Es ging um einen neuen Patienten, der seit heute früh auf der Chirurgie liegt. Wolfgang hat verschiedene Untersuchungen angeordnet, und als ich sie durchführen wollte, fiel mir auf, daß ein paar Sachen schon von seinem Hausarzt gemacht worden waren. Blutuntersuchungen, Rektoskopie und Ultraschall. Da dachte ich natürlich, daß es Unsinn sei, den Mann noch einmal damit zu quälen – vor allem mit der Rektoskopie. So angenehm ist die ja nun auch wieder nicht. Ich habe es also gewagt, unseren Herrn Chefarzt darauf hinzuweisen, daß

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