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von sich gegeben.

      Aber sie ist glücklich, als sie wieder in ihrem Bett liegt und allein ist.

      Wie lange sie wohl noch im Krankenhaus bleiben muß? Was wird dann aus ihr werden? Wie wird sich ihr Onkel das Weitere denken?

      Kaum hat sie das gedacht, taucht der Professor bei ihr auf. Sie wirft ihm einen unsicheren Blick zu, und als er an ihrem Bett Platz nimmt, rückt sie ein Stück zur anderen Seite.

      »Ich bin sehr zufrieden mit dir«, beginnt er das Gespräch.

      »Mit mir? Oder mit deiner Arbeit?«

      »Zunächst mit dem Heilungsprozeß.« Er schöpft tief Atem, als falle es ihm schwer, zu reden. Zögernd spricht er auch weiter.

      »Wann gedenkst du, zu mir zu kommen?«

      Ihre Augen öffnen sich weit vor Staunen. »Hast du mich schon danach gefragt, ob ich es überhaupt will?«

      »Es ist doch selbstverständlich, daß du in Zukunft in dem Elternhaus deiner Mutter wohnen wirst, das ja auch mein Elternhaus ist. Sie hat es so gewünscht.«

      Ihr Mund verzieht sich. Bitterkeit steigt in ihr auf.

      »Nur weil sie es wünschte?« Ihre hellen klaren Augen lassen ihn nicht los.

      »Ich gebe zu«, meint er zögernd, »daß ich bisher ein Einsiedlerleben geführt habe. Es ist ungewöhnlich, plötzlich einen Menschen unter meinem Dach zu wissen, für den ich die Verantwortung trage.«

      »Wäre es dir lieber, ich würde dein Anerbieten ablehnen, mir Arbeit suchen und mich irgendwo anders einquartieren?«

      »N-nein«, erwidert er gedehnt. »Das möchte ich nicht. Selbst wenn ich dich aus dem Krankenhaus entlassen kann, bedarfst du noch ärztlicher Betreuung, das weißt du ja als Ärztin genau. Du wirst also in den nächsten Tagen zu mir übersiedeln.«

      Das klingt nicht erfreut, eher wie eine lästige Verpflichtung, die er übernehmen muß.

      Sie hat eine rasche, ablehnende Antwort auf den Lippen. Dann denkt sie an die flehende Bitte ihrer Mutter. Auch etwas neugierig ist sie auf deren Eltern,haus. So sagt sie ergeben:

      »Wenn du es wünschst, bin ich dazu bereit.«

      »Schön, sagen wir, in einer Woche. Mein Chauffeur wird dich abholen und wohlbehalten heimbringen. Er ist jahrelang in meinen Diensten.« Damit glaubt Martens, seiner Pflicht Genüge getan zu haben, und steht auf. »Also, du weißt Bescheid. Guten Morgen.«

      »Guten Morgen!« Es ist wie ein Hauch, nur ihre Lippen bewegen sich.

      In Amelie ist so viel Bitterkeit aufgestaut, daß sie ihm die vielen unausgesprochenen Worte am liebsten entgegenschleudern möchte. Aber sie wagt es nicht.

      So läßt sie sich zurücksinken und fällt in Träumerei.

      *

      Der Tag, an dem Amelie aus dem Krankenhaus entlassen wird, ist angebrochen. Tags zuvor hat der Professor seiner Haushälterin kurz erklärt. daß seine Nichte fortan bei ihnen wohnen würde. Sonst nichts! Entgeistert hat sie hinter ihm hergesehen. Seine Nichte? Lieber Gott, das kann nur Irmgards Tochter sein, Irmgard, die der Sonnenschein des Hauses gewesen ist!

      Nichts hat er ihr sonst aufgetragen, nicht einmal, daß sie ein Zimmer für diese Nichte herrichten soll. Er weiß schon, daß sie alles richtig macht.

      Schwester Karla hat Amelie beim Packen ihrer Sachen geholfen und sich dann so herzlich von ihr verabschiedet, daß Amelie die Tränen gekommen sind.

      Nun ist Amelie allein und wartet auf den Chauffeur, den ihr Onkel versprochen hat zu schicken. Und wie auf ein Stichwort erscheint ein kräftiger Mann mit sonnengebräuntem Gesicht und freundlichen Augen.

      »Sie sind Ernst?« Lächelnd reicht sie dem Mann die Hand und weist auf ihr Gepäck. »Wenn Sie das in den Wagen bringen wollen?«

      Heimlich hofft sie, ihren Onkel zu sehen. Doch nur ihre und Dr. Lenz’ Schritte, der sie bis zum Ausgang begleitet, sind zu hören, als sie den Flur entlanggehen und die Halle durchqueren. Behutsam führt Dr. Lenz sie über ihr unbekannte Wege, bis sie vor dem Portal stehen, mitten im schönsten Sonnenschein.

      Sie löst ihren Arm aus dem seinen und reicht ihm die Hand.

      »Vielen Dank für alles, vielen Dank«, würgt sie hervor. Ihr ist zumute, als würde sie von einer Insel des Friedens in einen Strudel gerissen.

      »Mir haben Sie nichts zu danken, höchstens dem Professor«, gibt er lächelnd zurück. »Es ist ein wunderbares Gefühl, einen Menschen gesund das Haus verlassen zu sehen, wo hinter den weißen Türen so viel Schmerz und Herzeleid wohnen.«

      Sie nickt und läßt sich von dem Arzt zu der schwarzen Limousine führen, deren Tür der Chauffeur geöffnet hält. Das Gepäck hat er schon im Kofferraum untergebracht.

      »Ich sage auf Wiedersehen, Doktor Lenz.« Sie reicht ihm mit dankbarem Lächeln die Hand. »Darf ich wohl einmal wiederkommen? Ich möchte mich so gern in der Kinderabteilung umsehen.«

      »Aber nicht als Patientin«, scherzt Dr. Lenz. »Sie haben uns dieses eine Mal genug Sorgen gemacht.«

      »Das glaube ich Ihnen gern. In Zukunft werde ich um jeden Wagen einen großen Bogen machen.« Langsam zieht sie ihre Hand zurück. »Dieser Rechtsanwalt Stewing hat mir mehrmals die schönsten Blumen geschickt. Ich freue mich, daß es keine unerquickliche Gerichtsverhandlung gibt. Er ist ein netter und, wie mir scheint, tief veranlagter Mensch.«

      »Und Sie haben keine Aufregungen deshalb«, setzt Dr. Lenz bedeutsam hinzu.

      Wer weiß, was mich aber für Aufregungen im Hause meines Onkels erwarten – denkt sie und schlüpft schnell in den Wagen.

      Noch einmal blickt sie zurück zu dem langgestreckten, modernen Gebäude, das ihr für viele Wochen so etwas wie eine Heimat gewesen ist.

      Die Fahrt geht mitten durch die Stadt. Sie fahren an gut gepflegten Gärten vorbei, an denen neue und auch alte Häuser stehen. Dann geht es durch eine Allee. Der Wagen schwenkt in eine Einfahrt ein, um vor einem überdachten Eingang zu halten.

      Amelie steigt aus und sieht sich erst einmal um. »Schön«, flüstert sie vor sich hin und sieht zu dem Haus mit den Balkons, Erkern und großen Fenstern empor.

      Auf der Freitreppe, auf der letzten der fünf Stufen, steht eine ältere Frau in schwarzem Kleid mit einer blütenweißen Schürze. Das muß Babette sein, denkt Amelie, und geht die Stufen empor.

      Prüfende Blicke wandern hin und her.

      Sie hat gar keine Ähnlichkeit mit Irmgard, denkt Babette etwas enttäuscht, aber der liebliche Anblick und Amelies klare Augen nehmen sie sofort gefangen.

      »Herzlich willkommen«, sagt sie und drückt herzhaft Amelies Hand. Von diesem herzlichen Empfang ist Amelie derart gerührt, daß ihr die Tränen in die Augen schießen.

      »Ich bin glücklich, das Elternhaus meiner Mutter kennenzulernen«, würgt sie mühsam hervor, und damit hat sie Babettes mütterliches Herz erobert.

      »Kommen Sie ins Haus. Sie müssen mir viel von Ihrer Mutter erzählen. Ich habe sie schon als Kind betreut, und sie war mir wie eine eigene Tochter ans Herz gewachsen.«

      Wortlos geht Amelie neben Babette ins Haus, während der Chauffeur die Koffer hereinträgt.

      »Bringen Sie die Koffer gleich in die Zimmer im ersten Stock. Sie wissen ja Bescheid, Ernst.«

      Wortlos verschwindet Ernst, nicht ohne Amelie einen bewundernden Blick zugeworfen zu haben.

      Na, nun hat Babette ja endlich jemanden, den sie verwöhnen kann, denkt er und stampft die Stufen der gewundenen Treppe hinauf.

      »Verzeihen Sie, ich weiß nur, daß Sie Babette heißen. Darf ich Sie so nennen?« fragt Amelie scheu.

      Babette nickt begeistert. »Ich bitte Sie sogar darum.«

      Sie ergreift Amelies Arm

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