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Stimme ist mit Hohn getränkt, als er sich an die Schwester wendet, die vor Schreck den Brief fallen läßt, sich bückt und sich mit hochrotem Kopf wieder aufrichtet.

      »Spielen Sie Sekretärin in Ihrer Freizeit? Es wäre besser, Sie würden sich ausruhen, damit Sie zum Dienst wieder frisch erscheinen können.«

      Schwester Karla wirft einen hilflosen Blick auf Amelie, die erblaßt in den Kissen ruht.

      Etwas beginnt in der als äußerst sanft bekannten Schwester zu rebellieren.

      Sie wirft den Kopf in den Nacken.

      »Auch Briefe zu schreiben, wenn die Patienten dazu nicht in der Lage sind, gehört zu meinen Obliegenheiten. Außerdem handelt es sich um meine Freizeit, mit der ich machen kann, was ich will.«

      Erstaunt mißt der Professor die Schwester, die es wagt, ihn zurechtzuweisen.

      Seine Miene verfinstert sich. »Sind Sie fertig?«

      »Jawohl, Herr Professor.« Sie rafft die Schreibsachen zusammen und eilt davon.

      Martens wendet sich an seinen Mitarbeiterstab. »Bitte waren Sie draußen auf mich.«

      Wortlos entfernen sie sich.

      Jetzt komme ich dran, denkt Amelie, und sie wappnet sich, um seinen Anschnauzer gelassen entgegenzunehmen. Statt dessen setzt sich Martens auf den Stuhl neben ihrem Bett.

      »Warum hast du kein Vertrauen zu mir?« fragt er, ohne sie anzusehen. Sein Blick sucht einen Punkt an der Wand, an dem er haften bleibt.

      Eigenartig, daß er den Blick dieser klaren Augen von diesem unwahrscheinlichen Blau nicht gut ertragen kann!

      Amelie lehnt sich zurück. Sie ist maßlos verwundert, aber auch wütend.

      »Hast du überhaupt jemals die Gelegenheit gesucht, mein Vertrauen zu gewinnen?« gibt sie scharf zurück, schärfer, als sie wollte.

      Er beachtet diesen Vorwurf kaum, sondern fährt kühl fort: »Ich wünsche nicht, daß meine Angestellten über unsere Familienverhältnisse unterrichtet werden.«

      »Familienverhältnisse?« wiederholt sie gedehnt. »Bis jetzt habe ich selbst noch nicht gemerkt, daß wir in irgendeinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen.« Ihre Augen sprühen ihn an, just in dem Augenblick, da sein Auge voll auf ihrem lieblichen Gesicht ruht. »Es war meine Pflicht, meine Freunde in Peru über mein Mißgeschick zu unterrichten. Sie sorgen sich um mich.«

      Ich habe mich auch gesorgt, möchte er am liebsten sagen, unterläßt es aber. Warum sie nachträglich noch beunruhigen, jetzt, da alle Gefahr für ihr Leben gebannt ist?

      »Morgen nehmen wir die Verbände ab, und dann kannst du täglich kurze Zeit aufstehen«, verkündet er ihr in seiner sachlichen, unpersönlichen Art.

      Ihre Augen leuchten vor Freude so intensiv, daß er verwirrt seitwärts blickt. Er nimmt ihre Hände und mißt den Puls.

      »Geht wieder beschleunigt«, stellt er ruhig fest. »Das kommt sicher von der Post, du du erhalten hast.«

      »Willst du mir etwa den Empfang von Post verbieten?« fordert sie ihn heraus, und sie wundert sich wieder einmal, wie gut er über alles Bescheid weiß, was sie angeht.

      »Nein!« Er erhebt sich. »Also bis morgen.«

      Etwas später, die Visite mußte wohl zu Ende sein, steckt Dr. Berthold seinen Kopf zur Tür herein, sieht sie allein und schließt die Tür hinter sich.

      Mit einem charmanten Lächeln kommt der immer zu Späßen aufgelegte Assistenzarzt näher.

      »Nun, hat er Ihnen den Kopf abgerissen?«

      Amelie lacht unterdrückt auf. »Sie sehen doch, er sitzt noch an der alten Stelle.«

      »Darf ich?« Ohne ihre Zustimmung abzuwarten, setzt er sich neben ihr Bett. »Er ist ja einmalig als Arzt. Aber als Mensch? Brr!« Er schüttelt sich. »Was meinen Sie, wie er mich schon abgekanzelt hat. Es geht auf keine Kuhhaut.«

      »Und dabei können Sie noch so fröhlich sein?«

      Er zuckt mit den Schultern. »Man schafft sich allmählich ein dickes Fell an. Aber sonst bewundern wir ihn sehr.«

      »Hat der Professor denn Veranlassung, Sie abzukanzeln? Versehen Sie Ihren Dienst nicht ordentlich?«

      Entsetzt hebt er die Hand. »Du lieber Himmel, dann wäre ich längst geflogen. Pflichtverletzung wäre das letzte, was man sich in diesem Haus erlauben dürfte. Der Professor hat seine Augen überall. Wie er das macht, ist uns schleierhaft.«

      Sie nickt verständnisvoll. »Das kenne ich. Professor Kelly, unter dem ich als Kinderärztin gearbeitet habe, wußte auch alles, was sich in seiner Klinik abspielte. Dabei hatte er bestimmt keine Zuträger, die ihn über alles informierten. Er wußte es eben. So ist es wohl mit dem Professor auch. Man denkt, er kümmert sich nicht um nebensächliche Dinge, dabei tut er es doch.«

      »Leider«, seufzt Dr. Berthold. »Mich hat er ganz besonders auf dem Zug.«

      »Wahrscheinlich sind Sie ihm zu fröhlich und unbekümmert«, meint Amelie gedankenvoll.

      »Offen gestanden, ich weiß nie, woran ich bei ihm bin. Erwarte ich einen Anschnauzer, geschieht nichts. Habe ich ein reines Gewissen, gibt es Arger.«

      Wieder muß sie lachen. Sie findet ihn ganz sympathisch, diesen jungen Arzt, der sein Herz auf der Zunge trägt.

      Er hat ihr schon über manche trübe Stunde mit seinem Humor hinweggeholfen. »Werden Sie auch nicht gebraucht?« forscht sie in seinem Interesse.

      »Gott sei Dank ist mein Dienst bis morgen früh beendet. Ich werde eine schöne Fahrt durch den Sonnenschein machen.« Er schaut sie von der Seite her an. »Schade, daß Sie nicht mitkommen können.«

      »Dann würde es bestimmt Ärger mit dem Professor geben. Soviel ich gemerkt habe, kümmert er sich auch um das Privatleben seiner Ärzte.« Sie lacht über seine zerknirschte Miene.

      »So ist es.« Dann entspannt sich sein Gesicht und seine Fröhlichkeit bricht wieder durch. »Ihnen zuliebe würde ich mich jedoch gern anschnauzen lassen.«

      Sie droht ihm mit dem Finger. »Lassen Sie es lieber nicht darauf ankommen. Es würde mir sehr leid tun.«

      »Mit mir auszufahren?«

      Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Wenn Sie meinetwegen Unannehmlichkeiten hätten.«

      »Ich weiß, ich weiß«, gibt er bekümmert zu. »Sie sind seine Nichte und für uns tabu.«

      Dabei kümmert er sich viel weniger um ebendiese Nichte als gerade seine Mitarbeiter. Auch Dr. Lenz, in seiner stillen, sanften Art, hat Amelie schätzengelernt.

      »Jetzt muß ich Sie verlassen, Verehrteste. Morgen, bei der Entfernung der Verbände, sehen wir uns wieder.«

      »Viel Vergnügen«, sagt sie und reicht ihm die Hand, die er kameradschaftlich drückt. »Bis morgen also.«

      *

      Alle, die bei Amelies Operation zugegen waren, finden sich am nächsten Morgen im Verbandszimmer ein.

      Amelie hat man schon auf ihrer fahrbaren Trage hereingeschoben. Sie ist ruhig und zeigt keinerlei Ungeduld.

      Selbst als Martens auftaucht, nach allen Seiten grüßend, verläßt die Ruhe sie nicht.

      »Wie geht es? Angst?« fragt er, als sie ihn aus übergroßen Augen ansieht. Sie schüttelt nur den Kopf. Kein Wort vermag sie zu sprechen. Martens scheint auch nichts zu erwarten.

      Mit Umsicht, wie mit Samthänden, behandelt er Amelie. Jetzt weiß sie, warum sich die Patienten ihm so gern überlassen. Er hat schmale, edelgeformte Hände, die geborenen Chirurgenhände.

      Mit allen Sinnen wartet sie auf ein Wort aus seinem Mund. Es sind qualvolle Minuten, die für sie vergehen, bis sie endlich Martens’ Begeisterungsruf hört.

      »Wunderbar

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